Ich kann schon aus persönlichen Haarwuchsgründen nicht gänzlich emotionslos an Familie Willoughby vorübergehen, jenem Clan, dessen wesentliches Erkennungsmerkmal leuchtend rotes Haupthaar ist – bei den Männern ergänzt durch buschige, prächtige, in jeder Hinsicht beeindruckende Schnäuzer. Es sind zuallererst diese prächtigen Gesichtsbewüchse, die den ältesten Sohn Tim so sehnsuchtsvoll auf die Ahnengalerie im Haus blicken lassen – der eigene Vater ist da erschreckend unbehaart im Verhältnis, und die vier Kinder sind ihm und seiner Frau sowieso ziemlich egal. Sie sollen sich möglichst ruhig und unauffällig verhalten, bei Fehlverhalten landet Tim schnell im Kohlenkeller.

Der Netflix-Animationsfilm, basierend auf einem Buch von Lois Lowry (dem er ein paar wenige Ecken und ein einige ausufernde Handlungsstränge abfeilt), ist wahrlich kein Bild von heiler Welt. Familie Willoughby ist dennoch, da lügt der Titel nicht, ein Film über Familie, aber eben zunächst über den Zusammenhalt der Geschwister (neben Tim noch die so patente wie intelligente Jane und die Zwillingsbrüder Barnaby A und Barnaby B) und dann über die Frage, wie man Familie selbstbestimmt neu schaffen kann. Hier bedeutet das zunächst vor allem die Frage: Wie werden wir die Eltern los? Die Antwort findet sich dann aber doch nicht in der reinen Willoughby-Linie, von der Tim anfangs träumt, sondern in einem Patchwork-Modell, in dem ganz unterschiedliche Körperformen und -farben aus Liebe zusammengehören.

So happy das Ende ist: Bis dahin geht es respektlos zu, stellenweise bösartig schwarzhumorig, gerne mal grotesk, in den Animationen mit ihrem ganz eigenen Stil winken aus der Ferne die alten Warner-Cartoons. Auf ganz und gar trockenen Humor in Bild und Sprache folgen wilde Slapstick-Sequenzen mit sehr vielen, ganz nebenbei aufeinander getürmten Autowracks oder einer spektakulären, sensationell unrealistischen Verfolgungsjagd in einer Süßwarenfabrik - die da drüben, am Ende des Regenbogens.

FSK 6, empfohlen ab 10 Jahren

Exklusiv auf Netflix