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Couch-Perle: L'Indésirable

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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"L'indésirable" von Michael Curtiz
"L'indésirable" von Michael Curtiz

Mihály Kertész Kaminer ist bekannt? Nein? Aber doch sicher Michael Curtiz, oder? Der große Hollywoodregisseur, unterwegs in so ziemlich allen Genres, der 1942 mit Casablanca einen der größten Klassiker aller Zeiten hinlegte. Bevor Curtiz Mitte der 1920er Jahre in die USA ging, arbeitete er unter seinem Geburtsnamen in verschiedenen europäischen Ländern, in Schweden, Dänemark, Österreich, Deutschland und seiner Heimat Ungarn.

Dabei entstand unter anderem auch der lange verschollen geglaubte Stummfilm A Tolonc (oder L’indésirable) für den Produzenten Jenő Janovics, genannt der ungarisches Charles Pathé. L’indésirable erzählt von der jungen Waisen Liszka, die bei ihrem Onkel auf dem Land aufwächst. Auf seinem Sterbebett verrät er, dass ihre Mutter gar nicht gestorben, sondern ins Gefängnis gekommen ist. Liszka macht sich also auf in die Stadt, um sie zu finden, nimmt dort eine Stelle als Magd an und verliebt sich in Miklós, Sohn einer reichen Familie, die sie für völlig inakzeptabel befindet.

Nachdem 2008 in New York eine alte Nitratkopie von L’indésirable gefunden wurde, konnte der Film vom nationalen Filminstitut Ungarns in 2K restauriert werden und ist nun in voller Länge und englisch untertitelt auf Henri zu sehen, der kostenfreien VoD-Plattform der Cinémathèque française. Ein Blick auf das tragische Melodram lohnt sich noch heute: Eindrucksvoll zeigt es den damaligen Kontrast zwischen der wuselnden Metropole und dem romantisiert traditionellen Karpatendorf. L’indésirable gilt als eine der ersten Produktionen Ungarns, die filmisch aus den Vollen schöpfen: Die Narration ist als Parallelmontage aufgebaut, angereichert durch kunstvolle Einblendungen und bedeutungsschwere Symbole. Kein Wunder, dass für Mihály Kertész bald die Einladung nach Hollywood winkte.

L’indésirable ist noch bis zum 3. Mai 2022 via Henri verfügbar.

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