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Robert Eggers, Hansel & Gretel und der Horror des Vergangenen

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

Diese Woche startet The Northman von Robert Eggers in den Kinos. Die bestimmenden Themen und Motive des Regisseurs waren schon in seinen frühesten Kurzfilmen erkennbar — etwa in Hansel & Gretel, der jetzt online zu sehen ist.

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"Hansel & Gretel" von Robert Eggers
"Hansel & Gretel" von Robert Eggers

Es weht nicht nur ein Hauch von Vergangenheit durch die Filme von Robert Eggers. Sie sind vielmehr völlig durchwirkt vom Nachhall längst vergangener Zeiten, in denen unsere Geschichte zusammenfließt mit archaischen Mythen und Sagen. Eggers‘ Durchbruch The Witch folgt Puritanern auf einer Farm in Neu England, Der Leuchtturm ist am Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt und spielt mit alten Seefahrermythen. Und schließlich The Northman mit Alexander Skarsgård, Anya Taylor-Joy, Nicole Kidman und Björk, der am 21. April 2022 in den deutschen Kinos startet.

The Northman basiert auf der altdänischen Amletus-Sage, die einst den Samen für William Shakespeares Hamlet legte. Eine Reise ins Zeitalter der Wikingerkönige, ein Krieger, der für drei Ziele kämpft: Seinen Vater rächen, seine Mutter befreien, seinen Onkel, den machtgierigen Verräter, umbringen.

Bei dieser Filmografie verwundert es kaum, dass Robert Eggers schon seit Jahren versucht auch einen der großen Horrorklassiker über das Medium Film hinaus neu zu adaptieren: Nosferatu. Die Variation der Dracula-Geschichte, durchsetzt von düsteren Gothic-Elementen, in der ersten Verfilmung von F.W. Murnau inzwischen ein glattes Jahrhundert alt.

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Aber Robert Eggers‘ Filme sind keine hermetisch abgeschlossenen, musealen Schneekugeln. In ihnen reibt sich der Eindruck des Vergangenen am Gegenwärtigen, auch seine eigene Biografie findet stets Eingang in seine filmischen Welten. Zu The Witch ließ er sich von seinem Heranwachsen in New Hampshire inspirieren, regelmäßigen Besuchen in Freilichtmuseen, die die Lebensbedingungen der Siedler nachzustellen versuchten. Das Drehbuch zu Der Leuchtturm erarbeitete der Regisseur gemeinsam mit seinem Bruder Max Eggers und gemeinsam ließen die beiden viele Einflüsse zu, die bereits ihre Arbeit am Theater geprägt hatten.

Wie diese unterschiedlichen Visionen im Schaffen von Robert Eggers zusammenkommen, zeigt sich schon in seinen ersten Kurzfilmen. Der YouTube-Kanal Famous First Films veröffentlichte kürzlich das erste Werk mit einem offiziellen Regie-Credit von Eggers: Hansel & Gretel aus dem Jahre 2006.

Der Film ist eine ziemlich vorlagengetreue Adaption des Grimm’schen Märchen über zwei Geschwister, die von einer Hexe in ihr Lebkuchenhäuschen gelockt und gemästet werden. Doch während etwa zur gleichen Zeit der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk Geld in reihenweise Märchenneuverfilmungen steckte, die so steril wirken als hätte jemand vor dem Dreh alle Sets mit Sagrotan durchgewischt, ist Hansel & Gretel eine atmosphärische Hommage an die Horrorfilme der Stummfilmära und den deutschen Expressionismus.

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Wie später in Der Leuchtturm dreht Eggers den 27-Minüter durchgehend in Schwarzweiß und fügt dem Bild außerdem leichte Unschärfen hinzu, Vignetten, schmierige Verzerrungen am Bildschirmrand, als wäre eine historische Kameralinse zum Einsatz gekommen. Statt Dialogen reichern Texttafeln in einem schnörkeligen Schriftsatz den Film an und der leicht dissonante Streicherscore könnte ebenfalls direkt aus den 1920er Jahren stammen.

Robert Eggers kommt aus dem Theater. Seit den Nuller Jahren inszenierte er in New York experimentelle Theaterstücke und arbeitete als Szenenbildner. Auch dieses Können bringt er in Hansel & Gretel ein. Das Hexenhaus ist sein Werk, ein krummes Gebäude mit dicken Zuckergusskrusten und Treppengeländern aus Zuckerstangen, das den LSD-trippenden Bauten von Wenzel Storch alle Ehre machen würde. Die Hexe selbst spielt Kelly Eggers, die Mutter des Regisseurs, die er in extremen Großaufnahmen und kontrastreich beleuchtet geradezu grotesk erscheinen lässt. Da manifestiert sich unmittelbar die Bedrohung, die später in The Witch erst andeutungsweise in den Wäldern lauert, deutet sich schon das familiäre Trauma an. Die Vorfahrin, die Mutterfigur, die eine freudlose, eine fremdbestimme Zukunft symbolisiert, von der es sich zu befreien gilt.

Man hätte sich Nosferatu möglicherweise als eine logischere Fortsetzung dieser Filmografie vorstellen können: Der schleichende Horror, der im eigenen Heim Einzug hält. Stattdessen bekommen wir nun The Northman — und werden sehen, wie sich Robert Eggers‘ Vision in einem größeren, einem an Budget, an Ensemblemitgliedern und Action reicheren Maßstab transportieren lässt.

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