zurück zur Übersicht
Specials

Jahresrückblick - Filmische Trüffel: Wolfwalkers

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

2020 nähert sich seinem Ende. Man möchte sagen: zum Glück. Für niemanden, auch nicht für Kinofreunde, war es ein leichtes Jahr. Wir lassen es dennoch aus cineastischer Sicht Revue passieren. Heute mit Tomm Moores und Ross Stewarts Wolfwalkers.

Meinungen
Wolfwalkers - Trailer (deutsch)

Kinoschließungen und -startverschiebungen, kurzfristige Veröffentlichungen auf DVD und Streaming-Plattformen — das ein oder andere filmische Highlight konnte da schon mal etwas untergehen. In unserem Jahresrückblick 2020 heben wir deshalb unter anderem filmische Highlights hervor, die man leicht hätte verpassen können. Heute mit Tomm Moores und Ross Stewarts Wolfwalkers.

Für Freunde des Animationsfilms gab es kurz vor Jahresende noch einen ganz besonderen Leckerbissen. Beim Namen Tomm Moore dürfte es auch direkt klingeln: Gemeinsam mit Nora Twomey realisierte der irische Filmemacher 2009 den oscarnominierten Film Brendan und das Geheimnis von Kells und 2014 folgte Die Melodie des Meeres. Zwei Filme, die ihre Stoffe aus der reichen Welt keltischer Sagen und Mythen schöpfen und sie in liebevoll handgezeichnete, regelrecht magische Animationen verwandeln.

Wolfwalkers, kürzlich exklusiv auf dem Streamingservice Apple TV+ erschienen, knüpft nahtlos daran an. Im Mittelpunkt steht Robyn Goodfellowe (Honor Kneafsey), die im irischen Städtchen Kilkenny des Jahres 1650 lebt und genau so ein furchtloser Wolfsjäger sein will wie ihr Vater (Bill). Unentwegt stiehlt sie sich in den Wald, obwohl sie als Mädchen eigentlich ihre Zeit damit verbringen soll die Stube zu fegen. Auf einem ihrer Streifzüge lernt sie die kleine Mebh (Eva Whittaker) kennen, die in den Wäldern lebt und zu den letzten Wolfwalkern gehört, die mit den Wölfen sprechen können und die Tiere des Waldes beschützen.

So entwickelt sich der Film zu einer buchstäblich fantastischen Geschichte darüber, was passiert wenn Väter ihren Töchtern nicht zuhören und gefährlich selbstgerechte Demagogen die Ängste der Leute ausnutzen. Der englische Lord Protector Cromwell (Simon McBurney), der hier die Stadt terrorisiert und im Kampf gegen die Wölfe sogar befiehlt den ganzen Wald niederzubrennen, klingt, je mehr er sich in Rage redet, ganz zufällig immer mehr wie ein gewisser abgewählter US-Präsident…

Tomm Moore und sein Co-Regisseur Ross Stewart finden aber auch großartige visuelle Entsprechungen für ihre Botschaft. Während der Wald bei ihnen in warmen Grüntönen und Herbstfarben erstrahlt, expressiv geschwungene Linien und Texturen seine wild geheimnisvolle Ursprünglichkeit betonen, erstarrt die Stadt innerhalb ihrer Mauern in grauen geometrischen Formen. Vom Wald aus gesehen wird sie zu einer Ansammlung von Quadraten und Rechtecken, die den kompletten Horizont einnimmt, bis kein Stückchen Himmel mehr zu sehen ist. Wie bei der Seitenarchitektur eines avantgardistischen Comics spielen die Filmemacher außerdem mit Bildformaten und teilen den Bildschirm zuweilen in Splitscreens auf dessen Bildelemente selbst zu Bildbegrenzungen werden: Fenstergitter, Bodenfliesen, die Speere der Soldaten. Es ist ein wahres Fest.

Wolfwalkers ist zum Streamen auf Apple TV+ verfügbar.

Meinungen