zurück zur Übersicht
Specials

Gestreamt: Weibliche Oscar-Power

Ein Beitrag von Christian Neffe

Unsere Reihe „Gestreamt“ steht dieses Mal ganz im Zeichen der Oscars: Wir zeigen, welche Filme, die unter weiblicher Regie entstanden oder von einer Script-Autorin verfasst wurden und dementsprechend prämiert wurden, streambar sind.

Meinungen
Emma Thompson / Callie Khouri / Kathryn Bigelow
Emma Thompson / Callie Khouri / Kathryn Bigelow

Es ist schon ziemlich traurig, dass dies so hervorgehoben werden muss, aber: Erstmals in der Geschichte der Academy Awards, die in diesem Jahr zum 93. Mal verliehen werden, sind zwei Frauen in der Kategorie Beste Regie nominiert, namentlich Chloé Zhao (Nomadland) und Emerald Fennell (Promising Young Woman). Zuvor war dies nur fünf Damen vergönnt: Lina Wertmüller für Sieben Schönheiten (1977), Jane Campion für Das Piano (1994), Sofia Coppola für Lost in Translation (2004), Greta Gerwig für Lady Bird (2018) und Kathryn Bigelow für The Hurt Locker (2010), die bisher als einzige ausgezeichnet wurde.

Angesichts der bald stattfindenden Preisverleihung am 26. April wollen wir jene Frauen ins Lampenlicht rücken, die in den großen (und nicht dezidiert weiblichen) Kategorien bisher eine Auszeichnung bekommen haben. Voraussetzung: Ihre Filme müssen per Stream verfügbar sein. Leider ist dies nur bei sehr wenigen der Fall, doch immerhin achte Werke, die für die Beste Regie sowie für das Beste Drehbuch prämiert wurden, haben sich gefunden. Hier sind sie:

 

Callie Khouri: Thelma & Louise (1991) 

Callie Khouri (c) iDominick,
CC BY-SA 2.0

Die Hausfrau Thelma (Geena Davis) und die Kellnerin Louise (Susan Sarandon) wollen dem Alltag entkommen und fahren gemeinsam in den Urlaub. Bei einem Zwischenstopp in einer Bar drängt sich Thelma ein Mann auf, es droht eine Vergewaltigung - die dadurch verhindert wird, dass Louise den Kerl im Affekt erschießt. Jetzt steht die Flucht nach Mexiko an, auf der die beiden Frauen in immer schwierigere Situationen geraten.

Mit sechs Nominierungen ging Thelma & Louise (Regie: Ridley Scott) 1992 ins Oscar-Rennen, unter anderem auch für beide Hauptdarstellerinnen. Am Ende wurde es „nur“ eine Auszeichnung: Callie Khouri wurde für das Beste Originaldrehbuch geehrte — und das für ihr Debüt-Skript. Zuletzt verfasste Khouri das Drehbuch zum Aretha-Franklin-Biopic Respect.

Verfügbar im MGM Channel von Amazon Prime Video sowie bei Magenta TV und iTunes zur Leihe.

 

Sarah Y. Mason: Vier Schwestern (1933)

Sarah Y. Mason
(c) Public Domain

Die erste der zahlreichen Verfilmungen von Louisa May Alcotts Roman Little Women erzählt im Kern die gleiche Geschichte, wie die letzte von Greta Gerwig: Es geht um vier Schwestern mit kreativen Ambitionen, einer liebenswerten Mutter, einem Vater im Krieg, um Geldsorgen, Liebe und das Leben. Das von George Cukor verfilmte Skript listet zwei AutorInnen: Sarah Y. Mason und ihren Ehemann Victor Heerman. Beide erhielten 1934 eine goldene Statue für das Beste adaptierte Drehbuch (zusätzlich war der Film für Beste Regie und Bester Film nominiert) und setzten ihre kreative Zusammenarbeit mit mehreren gemeinsamen Skripten bis zum Jahre 1954 fort.

Verfügbar bei Chili.

 

Ruth Prawer Jhabvala: Zimmer mit Aussicht (1985)

Ruth Prawer Jhabvala
(​​​​​c) Fair use via Wikipedia

Die in wohlhabenden Verhältnissen lebende Engländerin Lucy Honeychurch (Helena Bonham Carter) reist im Jahre 1907 nach Florenz. Vor Ort lernt sie George (Julian Sands) kennen, der sie eines Tages überraschend küsst. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat kehrt Lucy in die Obhut ihres eigentlichen, aber langweiligen Verehrers Cecil (Daniel Day-Lewis) zurück. Dann taucht eines Tages George auf — und in Lucy werden ungewöhnliche Gefühle wach.

Der von James Ivory (Drehbuch zu Call me by your Name) inszenierte Zimmer mit Aussicht wurde 1987 mit drei Oscars geehrt: Beste Kostüme, Bestes Szenenbild und Bestes adaptiertes Drehbuch. Letzterer Preis ging an die 1927 in Köln geborene Ruth Prawer Jhabvala, deren Familie 1939 nach England floh. Das war jedoch nicht ihr einziger Goldjunge…

Verfügbar im Arthouse+ Channel von Amazon Prime Video und bei zahlreichen VoD-Anbietern.

 

Ruth Prawer Jhabvala: Wiedersehen in Howards End (1992)

England zur Zeit Viktorias: Adelsmitglied Ruth Wilcox (Vanessa Redgrave) pflegt eine tiefe Freundschaft zu Margaret Schlegel (Emma Thompson), einer deutlich jüngeren Frau aus lediglich bürgerlichen Verhältnissen, die zusammen mit ihrer Schwester Helen (Helena Bonham Carter) und ihrem Bruder Tibby (Adrian Ross Magenty) in liberalen Bohème-Kreisen verkehrt. Ruths Familie heißt diese Verbindung natürlich gar nicht gut — und es kommt noch dicker: Als Ruth stirbt, stellt sich heraus, dass sie das Familiengrundstück Howards End einzig und allein an Margaret vererbt hat.

Wie schon in Zimmer mit Aussicht, dessen Drehbuch genau wie dieses hier auf einem Buch von E.M. Forster basiert, wird auch in Wiedersehen in Howards End das strikte, elitäre Klassensystem im England um die Jahrhundertwende torpediert. Ganze neun Oscar-Nominierungen gab es 1993 dafür, und immerhin drei Preise für das Beste Szenebild, die Beste Hauptdarstellerin (Emma Thompson) — und erneut das Beste adaptierte Drehbuch aus der Feder von Ruth Prawer Jhabvala.

Verfügbar im Sony und Arthouse CNMA Channel von Amazon Prime Video sowie bei zahlreichen VoD-Anbietern.

 

Fran Walsh und Philippa Boyens: Der Herr der Ringe — Die Rückkehr des Königs (2003) 

Fran Walsh (c) New Zealand Government,
Office of the Governor-General, CC BY 4.0

Inhaltlich müssen wir zum großen Abschluss von Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Trilogie wohl keine großen Worte verlieren, der Film sollte den allermeisten wohlbekannt sein. Ebenso wie die Tatsache, dass er zusammen mit Ben Hur und Titanic mit jeweils elf Auszeichnungen die Spitze der Oscar-Charts belegt. Eine davon ging an die Drehbuchautorinnen Fran Walsh und Philippa Boyens (zusammen mit Peter Jackson), die auch darüber hinaus (auch bedingt dadurch, dass Walsh und Jackson liiert sind) eine lange Zusammenarbeit mit dem Neuseeländer pflegten, unter anderem bei King Kong oder der Hobbit-Trilogie. Walsh erhielt darüber hinaus in der selben Nacht einen Oscar als Produzentin für Die Rückkehr des Königs sowie für den Besten Filmsong (Into the West).

Verfügbar in der Flatrate von Sky, bei sämtlichen VoD-Anbietern sowie in jedem gut sortierten DVD-Regal.

 

Kathryn Bigelow: The Hurt Locker (2008)

Kathryn Bigelow
(c) Joe Mabel, CC BY-SA 3.0

The Hurt Locker dreht sich um ein Team von Bombenentschärfern im Zweiten Irakkrieg, angeführt vom charismatischen und höchst kompetenten, aber auch sehr risikofreudigen Sgt. William James (Jeremy Renner), für den der Krieg zur Droge geworden ist: Um überhaupt noch etwas fühlen zu können, braucht er immer stärkeren Nervenkitzeln — sehr zum Unmut seiner beiden Kameraden.

Kathryn Bigelows Kriegsfilm zog 2010 mit neun Oscar-Nominierungen gegen Avatar, das Mammut-Projekt ihres Ex-Mannes James Cameron, ins Rennen. Letzterer erhielt letztlich drei Auszeichnungen in technischen Kategorien, während The Hurt Locker für den Besten Schnitt, den Besten Ton und Besten Tonschnitt, das Beste Drehbuch (Mark Boal) sowie für die Beste Regie und den Besten Film geehrt wurde. Bigelow gelang damit der Durchbruch als erste Frau, die einen Regie-Oscar gewann — ein Ereignis, das dieses Jahr angesichts einer 2:5-Chance zum zweiten Mal geschehen könnte.

Verfügbar in den Flatrates von Sky und Rakuten, im Filmtastic und STARZPLAY Channel von Amazon Prime Video sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern.

 

Emma Thompson: Sinn und Sinnlichkeit (1995)

Emma Thompson (c) Justin Harris,
CC BY 2.0 

Das Leben der Schwestern Elinor und Marianne Dashwood auf ihrem Anwesen in Sussex ändert sich radikal, als ihr Vater stirbt und ihr Halbbruder zum neuen Hausherr wird, dessen Frau das Anwesen nicht teilen will. Elinor, Marianne, ihre Mutter und ihre jüngste Schwester werden von einem anderen Lord aufgenommen. Es folgen turbulente Jahre, in denen Ehen versprochen, geschlossen und aufgebrochen werden.

Mit sieben Oscar-Nominierungen galt Ang Lees Sinn und Sinnlichkeit 1996 als großer Favorit, unterlag letztlich jedoch Mel Gibsons Historienepos Braveheart. Nur einen Preis gab es: den für das Beste adaptierte Drehbuch. Den erhielt, vier Jahre nach ihrem Hauptdarstellerinnen-Oscar, Emma Thompson, womit der endgültige Beweis erbracht wurde, welches Ausnahmetalent Thompson (bis heute) darstellt.

Verfügbar bei Netflix sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern.

 

Sofia Coppola: Lost in Translation (2003)

Sofia Coppola (c) Siren-Com, CC BY-SA 3.0

Ein alternder Filmstar (Bill Murray) und eine junge Frau (Scarlett Johansson) treffen in Tokio aufeinander. Beide sind hier Außenseiter, fühlen sich einsam und verloren in einer Kultur, die sie nicht verstehen und begreifen können. Und finden in dieser gemeinsamen Andersartigkeit gegenseitig Trost, Vertrauen und Zuneigung.

Es war wohl einfach der falsche Zeitpunkt. Dass Sofia Coppola 2004 nicht den Regie-Oscar erhielt (und damit noch vor Kathryn Bigelow Geschichte geschrieben hätte), lag an der starken Konkurrenz aus Neuseeland in Form von Peter Jackson und Der Herr der Ringe 3. Von den vier Nominierungen für Lost in Translation wurde letztlich nur ein Viertel prämiert: Der Preis für das Beste Originaldrehbuch ging an Sophia Coppola.

Verfügbar im Microsoft Store.

Meinungen