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Im Fokus: Kathryn Bigelow

Ein Beitrag von Christian Neffe

Hollywoods Actionfilm-Regisseurin Nummer eins wird am 27. November 70 Jahre alt. Wir gratulieren Kathryn Bigelow zu diesem Jubiläum — und würdigen sie mit der Aufnahme in unserer Reihe „Im Fokus“.

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Detroit / The Hurt Locker / Blue Steel
Detroit / The Hurt Locker / Blue Steel

Seit den 90ern ist Kathryn Bigelow als eine der wenigen Regisseurinnen im sonst männlich dominierten Action-Genre ein wahrer Fels in Hollywoods Brandung. Am 27. November 1951 erblickte die erste weibliche Preisträgerin eines Regie-Oscars in San Carlos, Kalifornien, das Licht der Welt, studierte in San Francisco und New York und spezialisierte sich dabei auf das Medium Film.

Cristiano Del Riccio, CC BY-SA 2.0

Schon in ihrem ersten Kurzfilm, The Set-Up von 1978, war die Gewalt omnipräsent und wurde von ihr effektiv als filmisches Mittel dekonstruiert — und das nicht nur, weil sie ihre Darsteller anwies, sich bei ihrem Faustkampf tatsächlich zu verletzen. Aber auch in ihren späteren Spielfilmen war Gewalt eher Regel denn Ausnahme, und Bigelow machte daraus stets packende Action-Thriller mit hohem Tempo und intensiven Auseinandersetzungen.

Und das keinesfalls als Selbstzweck. In ihren Werken ist, unter der Oberfläche der Unterhaltung, oft eine mehr oder minder subtile Kritik an der Konstitution der US-amerikanischen Gesellschaft erkennbar: Bigelow greift (vor allem in ihren späteren Filmen) schwierige Themen respektive prägende historische Ereignisse auf, legt die Gewalt- und Waffenfixierung der USA offen und hat sich damit ihren Ruf als eine der besten und wichtigsten Regisseurinnen Hollywoods redlich erarbeitet. Zu ihrem 70. Geburtstag nehmen wir sie in unserer Reihe „Im Fokus“ auf.

 

Kathryn Bigelows Filme:

 

Die Lieblosen (1982)

Zusammen mit Ko-Regisseur Monty Montgomery drehte Bigelow 1982 ihren ersten Spielfilm — ein Remake von Die Wilde (1953). Hatte dort noch Marlon Brando die Hauptrolle gespielt, übernahm nun Willem Dafoe diesen Part in Die Lieblosen. Die Handlung spielt in einem US-amerikanischen Provinz­nest der 50er Jahre, in dem der Anführer einer Motor­rad­-Gang eine Affäre mit einer 16-Jährigen beginnt. Die lebt mit ihrem Vater, zugleich der Bürgermeister, in einem inzestuösen Verhältnis — und als der von der Liaison erfährt, ruft er zur Lynchjustiz auf.

In ruhigen bis statischen Bildern inszeniert Bigelow in Die Lieblosen einen nihilistischen Abgesang auf die romantisierten Biker-Filme der 50er — und damit auf die nostalgische Verklärung einer wie auch immer gearteten „guten alten Zeit“. Schon früh in ihrer Karriere wurde deutlich: Diese Frau hat Amerika verstanden — und damit auch die Notwendigkeit eines kritischen Blickes auf das Land.

 

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Near Dark — Die Nacht hat ihren Preis (1987)

In Bigelows zweitem Spielfilm war erneut die US-amerikanische Provinz der Schauplatz — diesmal allerdings wurde es übernatürlich. Der von Adrian Pasdar gespielte Caleb trifft hier auf Mae (Jenny Wright), die ihm bei ihrem ersten Date in den Hals beißt. Denn sie ist eine Vampirin und Teil eines größeren Vampir-Clans, der Caleb anschließend entführt. Er muss töten, um zu überleben, wehrt sich jedoch und kann am Ende sowohl seine Verwandlung zum Blutsauger abwenden als auch die von Mae rückgängig machen.

Der B-Horror-Streifen — eine Erzählung über soziale Anpassung in einer toxischen Umwelt — wurde von einem Joint Venture privater Investoren finanziert und damit gänzlich unabhängig von Hollywood produziert. In den Jahren nach seiner Veröffentlichung avancierte er zum Kultfilm, Bigelow selbst wurde beim International Fantasy Film Festival seinerzeit mit dem Silver Raven für die beste Regie ausgezeichnet. 

 

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Blue Steel (1990)

Die Nachwuchspolizistin Megan Turner (Jamie Lee Curtis) begegnet an ihrem ersten Arbeitstag dem Trader Eugene Hunt (Ron Silver), der, wie sie bald herausfindet, ein psychopathischer Mörder mit Halluzinationen ist. Alle Ermittlungsversuche gegen ihn schlagen jedoch fehl, selbst als Eugene Megans Freundin tötet und ihre Eltern bedroht. Das Katz-und-Maus-Spiel mündet in einem Shootout, in dem die gepeinigte Polizistin den Täter zur Strecke bringen kann.

Ein treibender Action-Thriller — das klingt schon eher nach der modernen Kathryn Bigelow als ihre vorherigen Werke. Doch unter der Oberfläche von Blue Steel versteckt sich zudem ein — zugegeben wenig subtiler — Kommentar auf den wortwörtlichen „Kampf der Geschlechter“. Dabei steht der überzeugenden Darstellung von Jamie Lee Curtis ein leider überzeichneter psychopathischer Antagonist gegenüber.

Verfügbar bei iTunes, Chili, Rakuten TV und im Microsoft Store zur Leihe und zum Kauf.

 

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Gefährliche Brandung (1991)

Der FBI-Agent John Utah (Keanu Reeves) ist einer Verbrecherbande auf der Spur, die, maskiert mit den Antlitzen ehemaliger Präsidenten, regelmäßig Banken ausräumt. Er findet bald die Verdächtigen — eine Gruppe Extremsportler — und schleicht sich Undercover ein. Die Tarnung hält jedoch nicht lang, und so kommt es alsbald zur blutigen Auseinandersetzung zwischen den Kriminellen und dem Polizisten, der zunehmend Sympathien für die Schurken und ihren Anführer (Patrick Swayze) empfindet.

Der verführerische Adrenalinrausch des Verbrechens, des großen Geldes oder schlicht: der Macht über andere und sich selbst bildete die Grundlage für Bigelows vierten Kinofilm. Wo die Masken der Präsidenten zumindest eine politkritische Side-Note sind, ist es vor allem das Spannungsverhältnis zwischen den „edlen Kriminellen“ und einer nur allzu menschlichen Kraft, die sich ihnen entgegenstellt und verführt wird, das in Gefährliche Brandung für Spannung und Ambivalenz unter der Action-Oberfläche sorgt.

Verfügbar bei Amazon Prime Video, in der Flatrate von Rakuten TV sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern.

 

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Strange Days (1995)

Die Cyberpunkt-Dystopie Strange Days spielt in einer Zukunft, in der menschliche Erinnerungen durch eine neue Technologie aufgezeichnet und nach-erlebbar gemacht werden können. Die größten Kicks holen sich Lennys (Ralph Fiennes) Kunden, wenn es um Straftaten geht — oder den Tod der aufzeichnenden Person. Doch bald schon stolpert Lenny in eine Verschwörung rund um den Mord zweier rassistischer Polizisten an einem Schwarzen Musiker.

Medien- und Gesellschaftskritik gehen hier Hand in Hand. Da ist einerseits die steigende Tendenz von (Unterhaltungs-)Medien zu immer mehr Gewalt — andererseits sind da deutliche Bezüge zum Mord an Rodney King. Bigelow tut, mithilfe dieses Skripts von James Cameron, das, was Science Fiction besonders gut kann: aktuelle Probleme und Zustände durch eine fiktionalisierte Brille zu extrapolieren und sie dadurch umso mehr zu verschärfen. Das ist nicht nur packend inszeniert (siehe die PoV-Shots), sondern hat auch umso mehr erzählerisches Gewicht.

Verfügbar auf DVD.

 

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The Hurt Locker (2008)

„Der Rausch des Kampfes wird oft zu einer mächtigen und tödlichen Sucht. Denn Krieg ist eine Droge.“ Mit diesem Zitat des Kriegsreporters Chris Hedges beginnt Bigelows The Hurt Locker, der einem US-amerikanischen Bombenentschärfungsteam im Irak des Jahres 2004 folgt. Das bekommt einen neuen Entschärfer (Jeremy Renner), der sich wahlweise wagemutig oder waghalsig ins Getümmel stürzt. Und der sich letztlich als Süchtiger herausstellt: cüchtig nach Krieg, süchtig nach dem Adrenalinschub bei Einsätzen.

Durchaus umstritten ist, ob es sich bei The Hurt Locker um einen Pro- oder Anti-Kriegsfilm handelt. Die Ambivalenz der Geschichte lässt beide Lesarten zu: Einerseits ist da die scheinbar authentische Handkamera-Inszenierung, die den Irak als Land voller Bedrohungen und die US-Soldaten als coole Socken zeichnet; andererseits die Tatsache, dass der (Anti-)Held mental derart vom Krieg zermürbt wird, dass für ihn kein geregeltes Leben zuhause mehr möglich ist. Das alles wird allerdings überschattet von der Tatsache, dass Bigelow für diesen Film als erste Frau mit einem Regie-Oscar ausgezeichnet wurde und The Hurt Locker als bester Film — und das in dem Jahr, in dem Avatar, das Prestigeprojekt ihres Ex-Mannes James Cameron, mit neun Nominierungen an den Start ging. 

Verfügbar bei Netflix, in der Flat von Rakuten TV sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern.

 

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Zero Dark Thirty (2012)

Der kontroverseste Film Bigelows zeichnet die Suche einer CIA-Agentin (Jessica Chastain) nach dem Aufenthaltsort Osama bin Ladens nach. Von der Folter in Guantanamo über Ermittlungen in Pakistan und weitere Terroranschläge nach 9/11 bis hin zur Tötung bin Landens durch eine US-Spezialeinheit hält sich Zero Dark Thirty an viele Fakten, macht daraus aber einen durchaus effektheischerischen Action-Polit-Thriller. Die Diskussionen, die sich daraufhin entsponnen, drehten sich um die Frage, ob Bigelows Team Zugang zu Geheimdienstdokumenten hatte, ob Einfluss im Wahlkampf nehmen wollte — und vor allem, ob sie durch ihre Darstellung von Folter diese normalisiere. Nichtsdestotrotz kam der Film bei der Kritik hervorragend weg.

Verfügbar bei allen gängigen VoD-Anbietern.

 

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Detroit (2017)

Erneut lotet Bigelow ein nationales Trauma aus, einen gesellschaftshistorischen Schandfleck, der sich im Jahre 1967 ereignete: Inmitten von Aufständen nach einer Polizeirazzia in einem Club von und für Schwarze stürmen mehrere Gesetzeshüter ein Motel, foltern ein Dutzend anwesende Afro-Amerikaner — drei von ihnen kommen um. Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal, der auch ihre letzten beiden Filme schrieb, zeichnen diese Nacht in all ihrer Drastik nach und lassen keinen Zweifel daran, dass die USA ein Problem haben. Bis heute.

Verfügbar bei allen gängigen VoD-Anbietern.

 

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