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Gestreamt: Thomas Vinterberg

Ein Beitrag von Christian Neffe

Seine erste Oscar-Nominierung — wenn auch „nur“ für den Studenten-Oscar — erhielt Thomas Vinterberg bereits 1993. 28 Jahre später konnte er die Trophäe für seinen neuen Film „Der Rausch“ endlich mit nach Hause nehmen. Ein perfekter Anlass, um ihn in unsere Reihe „Gestreamt“ aufzunehmen.

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Die Jagd / Der Rausch / Das Fest
Die Jagd / Der Rausch / Das Fest

Ein frisch gebackener Oscar-Gewinner: Ende März erhielt Thomas Vinterberg endlich seinen (verdienten?) Oscar für Der Rausch, der als bester internationaler Film ausgezeichnet wurde. Ein weiter Weg liegt hinter dem Mann, der 1969 im dänischen Frederiksberg geboren wurde und 1993 als bis dato jüngster Absolvent seinen Abschluss an der Dänischen Filmschule machte. Nach mehreren Kurzfilmen folgte der ideologische Zusammenschluss mit Lars von Trier, Kristian Levring und Søren Kragh-Jacobsen: Gemeinsam verfassten sie das Dogma-95-Manifest, mit dem sie eine neue, naturalistischere Filmästhetik etablieren wollten.

César via Wikimedia Commons, CC BY 3.0 

Vinterberg inszenierte daraufhin den ersten Film, der streng nach diesen Regeln entstand und erschuf mit Das Fest ein nicht gerade unbedeutsames Stück Kinogeschichte.

Doch Regeln sind da, um gebrochen zu werden: Vinterberg näherte sich in den darauffolgenden Jahren immer mehr der klassischen Filmästhetik an, driftete sogar zum Teil in Blockbuster-Gefilde ab (Kursk). Mit Der Rausch kehrt er zu einem kleineren Kaliber zurück, besinnt sich auf einen zentralen Charakter und arbeitet viele seiner Ideen in mal ruhigen, mal aufwühlenden Dialogen aus. Und beschäftigt sich erneut mit dem Thema, das all seine Filme durchzieht: die Unwägbarkeiten des Lebens.

Eine solche musste er kürzlich erst selbst erfahren: Seine Tochter, die in Der Rausch eigentlich eine prominente Rolle übernehmen sollte, starb zu Beginn der Dreharbeiten bei einem Autounfall. Vinterberg drehte trotzdem weiter — für sie, denn Der Rausch war auch ein Herzensprojekt seiner Tochter. Wie vielseitig Vinterbergs Werkbiografie darüber hinaus ist, zeigt ein Blick auf die Filme, die aktuell von ihm streambar sind:

 

Last Round (1993)

Bereits für seinen Abschlussfilm an der Danske Filmskole erhielt Vinterberg eine Oscar-Nominierung — wenn auch „nur“ für den Studenten-Oscar: Der Kurzfilm Last Round dreht sich um Lars (Thomas Bo Larsen), der wegen einer Krebserkrankung nur noch drei Monate zu leben hat, Geld von seinem Arbeitgeber stiehlt und sich mit zwei Freunden noch einige schöne, von allen Sorgen befreite Tage macht, bevor er in den Flieger steigt und das Land verlässt. Last Round ist das Porträt eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat und sich mit einem Knall, wenn auch nur einem kleinen, von seinem bisherigen Leben verabschiedet.

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Das Fest (1998)

Der erste Film, der vollständig nach den Regeln des Dogma-95-Manifests produziert wurde, erschien 1998: Das Fest. Der spielt — der Titel verrät es bereits — auf einer Feier, dem 60. Geburtstag des Familienoberhaupts Helge (Henning Moritzen). Während einer Rede seines Sohns Christian (Ulrich Thomsen) wird er mit schweren Anschuldigungen konfrontiert: Er soll Christian sowie dessen verstorbene Schwester Linda früher wiederholt sexuell missbraucht haben. Die Anschuldigungen werden zunächst mit wenig Aufmerksamkeit bedacht, erst später, als ein Brief von Linda verlesen wird, kommt es zum Eklat. Gemäß den Dogma-95-Regeln setzt Das Fest auf möglichst großen Naturalismus, in seiner Ästhetik wie in seiner Dramaturgie, um die Themen Familie, Rassismus und Inzest ohne filmisches Spektakel zu verarbeiten.

Verfügbar im Arthouse+ Channel von Amazon Prime Video sowie bei Amazon Video, iTunes, Google Play, Rakuten TV und Maxdome zur Leihe.

 

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Die Jagd (2012)

Der Erzieher Lucas (Mads Mikkelsen) gerät in einen Strudel aus Verachtung und Anschuldigungen: Ein Mädchen aus der Kita, in der er arbeitet, behauptet, dass der Erzieher ihr seinen Penis gezeigt habe. Daraufhin wird Lucas von seinen Nachbarn zunehmend gemieden und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Selbst nachdem sich die Vorwürfe nicht erhärten und fallen gelassen werden, bleibt das Stigma des Pädophilen an ihm haften. Vinterberg ergründet in Die Jagd die menschlichen und gesellschaftlichen Dynamiken, die sich bei einem solche brisanten Thema wie dem Missbrauch von Kindern entfalten — seien es nun berechtigte oder unberechtigte Vorwürfe. Mit messerscharfer Präzision und ohne erhobenen Zeigefinger lotet er hier die ethischen Grauzonen aus.

Verfügbar im Arthose CNMA Channel von Amazon Prime Video sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern zur Leihe.

 

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Am grünen Rand der Welt (2015)

Vinterbergs Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thomas Hardy spielt im England des 19. Jahrhunderts. Die dortigen Ereignisse drehen sich um die frischgebackene Gutsbesitzerin Bathsheba Everdene (Carey Mulligan), die im Laufe des Films von drei Männern mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen umgarnt wird, sich aber allem voran ihre Unabhängigkeit bewahren will. Angesichts seines übrigen Œuvres erscheint das romantische Historienstück Am grünen Rand der Welt wie ein Ausreißer in Vinterbergs Werkbiografie. Dennoch kam der Film positiv bei Publikum und Kritik an, vor allem die Leistungen der Darsteller*innen waren Ziel des Lobes.

Verfügbar bei Netflix und Disney+ sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern zur Leihe.

 

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Die Kommune (2016)

Anna (Trine Dyrholm), eine Nachrichtensprecherin, und Erik (Ulrich Thomsen), ein Architekturdozent, ziehen in den frühen 1970ern in eine Villa, die ihnen hinterlassen wurde. Anna ist dafür, das Gelände zu nutzen, um eine Kommune zu gründen — was die beiden auch tun. Doch die Beziehung der beiden leidet darunter: Erik entfernt sich zunehmend von seiner Frau und verliebt sich bald in eine Studentin. Die Ehe bröckelt und scheint zu zerbrechen. Auf der einen Seite der Zusammenhalt, das Kollektive der Kommune — auf der anderen die zum Scheitern verurteilte Beziehung zweier Menschen, die nur noch notdürftig durch die Tochter zusammengehalten wird.

Verfügbar bei Joyn+ sowie bei allen gängigen VoD-Anbietern zur Leihe.

 

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Kursk (2018)

Im Jahr 2000 versank das russische Atom-U-Boot K-141 Kursk nach einer Explosion in der Barentssee. Mehrere Besatzungsmitglieder kamen bereits während der Detonation ums Leben, der Rest rang tagelang ums Überleben, in der Hoffnung auf Rettung. Die kam auch — allerdings zu spät. Denn der russische Führung war vor allem daran gelegen, kein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Vinterberg verfilmte diese Tragödie vor einigen Jahren, gewann dafür ein europäisches Star-Ensemble und arbeitete auf mitreißende Weise heraus, was passiert, wenn das Image eines Staates diesem mehr wert ist als die Leben der Menschen, die ihn ausmachen.

Verfügbar bei Amazon Prime Video sowie bei maxdome, Rakuten TV, Magenta TV, iTunes und im Sony Store zur Leihe.

 

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