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Kolumnen

Schnittwechsel: Minions

Nervige Opportunisten oder witzige Anarchisten? Andreas Köhnemann und Sebastian Seidler empfinden völlig gegensätzlich, was die entweder geliebten oder gehassten Minions betrifft.

Meinungen
Zwei Filmstills aus Ich - Einfach unverbesserlich 3
Geliebt und gehasst: Die Minions

Nervige Opportunisten
von Andreas Köhnemann

Die Minions – so putzig, so funny. Wir müssen sie einfach lieb haben. Oder? Nein! Ich persönlich halte diese zum Leben erwachten Ü-Ei-Kapseln für absolut überschätzt. Als Sidekicks in der Ich – Einfach unverbesserlich-Reihe waren sie noch halbwegs erträglich – was jedoch in erster Linie daran lag, dass wir noch nicht allzu viel über sie nachdenken mussten. Sie waren die witzigen (oder sagen wir lieber: witzig gemeinten) Störfaktoren in der durchaus netten Geschichte um den Superschurken Gru und die drei Waisenkinder Margo, Edith und Agnes. Wie wenig die Minions selbst zu erzählen haben und wie fragwürdig sie konzipiert sind, offenbarte sich schließlich ganz schonungslos in ihrem ersten Solo-Abenteuer.

Das beginnt in grauer Vorzeit und lässt uns wissen, dass die Minions schon immer nur das Ziel hatten, den größten Schurken der Geschichte zu dienen, etwa dem T-Rex, Dracula oder Napoleon Bonaparte. Warum das so ist? Wird nicht erklärt. Ist einfach so. Dass sie die tödlichen Pläne ihrer erwählten Anführer stets durchkreuzen und damit deren Scheitern verursachen, kann man als Anarchie interpretieren. Allerdings steckt meiner Meinung nach hinter dieser vermeintlichen Anarchie eben nur Tölpelhaftigkeit, die der opportunen Gesinnung dieser Wesen einen lustigen Anstrich verleihen soll. Nachdem sie etliche ihrer Meister versehentlich getötet haben, ziehen sich die Minions in eine Eishöhle zurück, der sie praktischerweise erst im Jahre 1968 wieder entsteigen. Wir wollen uns an dieser Stelle lieber nicht vorstellen, auf welcher Seite sie in der Zeit zwischen 1933 und 1945 gestanden hätten.

Das mag nun vielleicht alles ein bisschen sehr humorlos argumentiert sein. Aber auch davon abgesehen haben die Minions, wie ich finde, einfach zu wenig zu bieten. Ihnen fehlt die herrliche Tragikomik, die zum Beispiel das Säbelzahn-Eichhörnchen Scrat aus der Ice Age-Reihe besitzt. Sie haben nichts von der anrührenden Tiefe des Haushaltsroboters WALL·E. Und mit ihnen lassen sich auch keine so schönen Geschichten erzählen wie etwa mit der Wanderratte Rémy aus Ratatouille oder den diversen personifizierten Emotionen aus Alles steht Kopf. Ich finde, wir alle –  egal ob Groß oder Klein – haben Besseres verdient als die Minions!

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Witzige Anarchisten
von Sebastian Seidler

Es soll ja wirklich Menschen geben, die von diesen kleinen, süßen gelben Wesen genervt sind. Und sie sitzen gar noch in der Kino-Zeit-Redaktion – das ist ein Skandal! Denn man muss diese Minions doch einfach lieben – was nun nicht bedeutet, dass die Filme, in denen sie auftauchen, immerzu große Kunst sind. Diese Unterscheidung ist nicht unwichtig, denn man kann bereits an den Ich — Einfach unverbesserlich-Filmen einiges aussetzen: zu überdreht, zu laut und einfach viel zu viel. Zumindest schleicht sich die altbekannte Sequel-Logik ein: Alles muss einfach immer größer, bigger and louder werden.

Wer bereits von diesen Filmen um den Schurken Gru genervt ist, in denen die Minions lediglich Sidekicks sind, wird sich wohl kaum jemals mit den Minions-Filmen anfreunden können. Die sind Grunde niemals mehr als eine Legitimation für eine Nummernrevue, in der die gelben Witzbolde einen albernen Blödsinn entfesseln dürfen. Abgesehen vom einfach irrwitzig guten Prolog des ersten Films, in denen die Geschichte der Minions mit der Menschheitsgeschichte überblendet wird, können sich die Macher weitgehend auf ihren Figuren ausruhen: kleine gelbe Diener, die einer Schurkin oder einem Schurken dienen wollen. Aber was sind das eigentlich für gute Figuren?

Die Minions, das sind anarchistische Kinder, die gegen sämtliche Regeln der Welt verstoßen (dürfen) – einschließlich der physikalischen Gesetze. Zwar sprechen sie diese eigentümliche und nur Bruchstücken verständliche Sprache, entstammen aber in ihrem Humor eigentlich der Stummfilmwelt. Der ganze Körper dieser wurstartigen Klopse ist reinster Slapstick, niedlicher Ausdruck von Schwachsinn und Freude. Und, das ist bei Kinderfilmen nicht unwichtig: Kinder lieben diese gelben Gesellen, weil sie den gleichen Freiheitsdrang teilen, die Welt entdecken müssen/wollen und wirbeln, fallen und durcheinanderbringen.

Wer schon mal eine längere Zeit mit einer Gruppe Kindergartenkinder verbracht hat – so weit sind diese kleinen Menschen nun wirklich nicht von den Minions entfernt. Die oftmals kritisierte und auch von meinem geschätzten Kollegen Andreas Köhnemann monierte Unterwürfigkeit entspringt – so empfinde ich das – einer Sehnsucht zur Welt. Sie wollen aufgenommen und gesehen werden. Dadurch verbinden sie, nein, sie ebenen den Widerstreit in der Welt durch verständliche Albernheit ein, sind eine soziale, universelle Kraft: Im Herzen sind die Minions einfach humanistische Anarchisten. Ihren Bossen kosten sie nicht selten den Kopf, sind hin und wieder aber auch die Rettung. Darauf erst mal eine Banane. Und immer dran denken: Nur weil man über einen bestimmten Humor nicht lachen kann, heißt es nicht, dass er schlecht ist.

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