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Kolumnen

Schnittwechsel: Matrix 4

„Matrix Resurrections“ bekam zum Kinostart wahrlich nicht viel Lob ab — doch gerade deshalb bietet der Streifen viel Diskussionspotenzial. Zum Heimkinostart legen Sophia Derda und Christian Neffe in unserer Reihe „Schnittwechsel“ ihre völlig konträren Meinungen zu „Matrix 4“ dar.

Meinungen
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Matrix Resurrections (2021) von Lana Wachowski

Ein Produkt der spätkapitalistischen, postmodernen Hyperrealität
von Sophia Derda

Die Original-Matrix-Filme wagten es, schwer nachvollziehbar zu sein. Sie beantworteten die Fragen, die sie aufwarfen, nie eindeutig. Dennoch war die Geschichte so sorgfältig ausgearbeitet, dass man (wenn man in der Lage war, auf die Details zu achten) die eignen Antworten finden würde. Nichts blieb unerklärt, und nichts, was erklärt wurde, geschah auf die übliche „Hollywood-Art“. The Matrix gilt demnach als ein herausragendes Produkt der Postmoderne. Nach Baudrillard kann man sagen, dass der Film eine Allegorie für die zeitgenössische Erfahrung in einer stark kommerzialisierten, mediengesteuerten Gesellschaft sei. Also unserer spätkapitalistischen, heutigen Gesellschaft. 

Wie geht man dann gegenwärtig mit einer Neu-Interpretation dieses Stoffes um? Wie kann ein Produkt dieser Zeit heute noch einen Mehrwert bieten und neue Blicke wagen? Das lässt sich in diesem Text leider nicht beantworten. Während die Postmoderne durch Dekonstruktion, Ironie und Nihilismus gekennzeichnet war, lässt sich davon hier nichts erkennen. Denn Matrix: Resurrections schafft dies nicht. Es ist Nostalgie-Köder pur, gespickt mit kleinen und bedeutungslosen Anspielungen auf die ursprüngliche Trilogie, die Art von unbedeutendem „Fanservice“.

Genau genommen ist Matrix: Resurrections das eigentliche Produkt der spätkapitalistischen, postmodernen Hyperrealität. Von wiederkehrenden Charakteren bis hin zu sehr spezifischen Hommagen an das, wofür die Figuren am besten bekannt geworden sind (Trinitys Skorpionkick zum Beispiel), ist Matrix: Resurrections nur ein weiterer Teil einer endlosen Kette von Symbolen, die sich auf augenzwinkernde Weise aufeinander beziehen und flache Unterhaltung bieten.

Dieser Film ist beispielhaft für den Raub der gegenwärtigen Kulturindustrie an jeglicher Einzigartigkeit, jeglicher Identität und jedem Esprit. Danke für Nichts. 

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Der beste „Matrix 4“, den wir hätten bekommen können
von Christian Neffe

War eine Fortsetzung der alten Matrix-Trilogie wirklich nötig? Nein, natürlich nicht, doch wenn wir ehrlich sind, waren auch Teil zwei und drei — zumindest im Nachhinein -  alles andere als nötig. Trotzdem gab es sie, und ebenso gibt es nun, inzwischen auch fürs Heimkino, Matrix: Ressurections. Der Titel mag furchtbar sein — im Gegensatz zum Film selbst, der zwar wahrlich nicht der Gipfel der Kinokunst, aber mir doch als einer der besten Blockbuster 2021 im Gedächtnis geblieben ist.

Das mag auch daran liegen, dass ich so gar nichts von dem Film erwartete; vor allem aber daran, wie Regisseurin Lana Wachowski die erste Hälfte ihres Films konstruiert hat. Nämlich also große, fast schon wahnwitzige Meta-Meta-Erzählung über die kapitalgetriebene Filmwirtschaft und ihre Fortsetzungslogik. Und die liest sich so: Nach dem Willen des Studios Warner Bros. wäre ein Matrix 4 ohnehin gekommen, ob nun mit oder ohne eine der Wachowski-Schwestern. Lana sprang ein — und schuf die wohl bestmögliche Version, die eine Fortsetzung der Matrix-Trilogie überhaupt hätte werden können.

Das Stichwort „Fanservice“ ist im Zusammenhang mit Matrix 4 sehr oft gefallen — häufig jedoch ohne anzumerken, dass sich dieser „Fanservice“ in Form von Anspielungen auf und Spiegelungen von Momenten, Figuren und Themen der ersten drei Teile auf die erste Hälfte beschränkt und dabei immer wieder mit ironischen Verweisen durch den Kakao gezogen wird, ohne in eine Parodie auszuarten. In der zweiten Hälfte bricht Wachowski mit dieser Prämisse, und kehrt vieles von dem, was man erwartet hatte/hätte, einfach um: Die Heldenfigur wechselt, das Verhältnis/der Konflikt zwischen Menschen und Maschinen erhält deutlich mehr Grautöne (womit auch die ursprüngliche Science-Fiction-Vision der Wachowskis ein zeitgemäßes Update bekommt), und die Action versucht gar nicht erst, an die Ikonizität der ersten drei Teile heranzukommen. Mit Letzterem scheiterten ja bereits Teil zwei und drei — auch wenn sich die Action von Matrix 4 damit noch lange nicht das Prädikat „Gut“ verdient haben mag.

Matrix: Ressurections ist verkopft, ein bisschen bekloppt, alles andere als fehlerfrei und freilich auch reichlich überambitioniert. Genau das aber macht ihn im Blockbuster-Segment auf seine Weise herausstechend und letztlich: gut.

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