zurück zur Übersicht
Kolumnen

Harald Mühlbeyer über das Jahr, in dem ein neuer Stern am Filmhimmel erstrahlte

Ein Beitrag von Harald Mühlbeyer

Nachdem hundert Jahre lang der Niedergang beschworen wurde, tut sich 2017, zwischen Weinstein und Kosslick, endlich, endlich neue Hoffnung auf: Ein Stern ging auf am Filmhimmel. Nämlich unser Autor Harald Mühlbeyer. In zwei Filmen taucht er auf – mal als Person, mal als Idee

Meinungen
Das schaffen wir schon von Andreas Arnstedt
Das schaffen wir schon von Andreas Arnstedt

Der Kritikerkollege Toby Ashraf hat’s drauf. Nicht nur wurde er mit dem Siegfried Kracauer Preis 2015 geehrt, ich sehe ihn auch immer wieder in verschiedenen Kleinrollen durch deutsche Filme geistern. Das liegt sicherlich an seiner guten Vernetzung innerhalb der Berliner Filmszene – oder besser: Off-Film-Szene. Es nämlich sind kleine, feine, völlig unabhängige Produktionen (mit tollen Filmtiteln), in denen er auftaucht: Der lange Sommer der Theorie zum Beispiel, Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen oder Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes – wo Ashraf auftaucht, ist der Film interessant.

Dieses Glück habe ich nicht in diesem Maße. Ich sitze in der Provinz, habe keine persönlichen Beziehungen zu irgendwelchen Filmmenschen und bin froh, wenn ich auf dem Bildschirm oder der Leinwand was Interessantes sehen kann. Und dennoch, gegen jede Wahrscheinlichkeit, wird das Jahr 2017 (mutmaßlich) in die Kinogeschichte eingehen als das Jahr, in dem ein neuer Star am Firmament der Filmkunst aufging: Jetzt komm ich kleines Würstel doch tatsächlich in gleich zwei Kinoproduktionen vor! Mal persönlich, aber ohne Rolle; mal als Rolle, aber nicht persönlich.

Klaus Lemke spielt sich in Making Judith mehr oder weniger selbst; er versucht, eine seiner Darstellerinnen dazu zu bringen, in seinem Film mitzumachen. Dabei scharwenzeln er und seine Mitstreiter quer übers Münchner Filmfest – plötzlich switchen wir von einer Sexszene im Park in eine Podiumsdiskussion und da sitze ich! Lemke schimpft über Filmhochschulen. Kollege Urs Spörri darf zwischendurch was sagen. Meine Sprechbeiträge bei diesem Forum – tatsächlich 2016 vom Filmfest und Kino-Zeit veranstaltet – wurden rausgehauen. Worüber ich nicht böse bin – mehr als unwesentliches Beiwerk bin ich allemal! Man denke sich: links säße Urs, in der Mitte Lemke unter Hut und Sonnenbrille – und rechts wäre ein leerer Stuhl. Würde die ganze Bildkomposition verhunzen! Wie gut, dass es mich gibt. Nach paar Sekunden springt der Film wieder zu seiner Heldin, und wir hören eine bizarre Version von Hawkwinds Silver Machine

Eine typische Lemke-Schnell-Film-Produktion, ein Film auf der Suche nach sich selbst, und ich bin Teil davon! Das Kino muss raus, direkt reingehen ins Leben, filmen, was der Kamera vor die Nase kommt, und tja, das kann dann durchaus sogar ich sein … Entweder Symptom einer Krise oder deren Lösung. Vielleicht ist es das Ende des Kinos, wie wir es kennen – aber ich fühl mich wohl dabei.

Andreas Arnstedt hat einen anderen Ansatz. Das schaffen wir schon soll so etwas wie ein Satire-Rundumschlag gegen Politiker, Medien und Profit-Kapitalisten sein. Das Problem hier, wie eigentlich immer in Arnstedts Filmen, ist die sehr unangenehme Grundhaltung von „Die da oben machen eh, was sie wollen!“, die Arnstedt subtextuell mitverfilmt. Ich begleite sein Œuvre schon seit den Anfängen kritisch, und nein, ich finde die Filme nicht gut. Das scheint Herr Arnstedt zu wissen: In Das schaffen wir schon kommt ein Charakter namens „Harald Müllbeier“ vor. Und Junge, macht mich das stolz! Filmkritik wird vielleicht nicht beherzigt, aber wahrgenommen – immerhin taucht die Figur im Abspann an vierter Stelle auf! Und immerhin scheint sie beinahe als eine der sympathischsten im ganzen Film, in dem die Riege der Großpolitiker auftaucht, dem Vornamen nach – Kanzlerin Angela, Horst von der CSU, die Frauke und der Cem. Neben diesen unterirdischen Karikaturversuchen der Müllbeier, Chef einer Zeitarbeitsfirma, der seine finanziellen Schäfchen ins Trockene bringen will. Wer will’s ihm verdenken – außer Arnstedt und seiner Kleine-Leute-Protagonistin Frau Kleinke, die die Politikerriege als Geiseln nimmt und Müllbeier ins Dixieklo steckt … Ha, lustig: Irgendwann sitzt sie drauf und bekommt eine Durchfallspritze! Hihi. Die Müllbeier-Charakterisierung im Film: „Wollte Journalist werden, ist Legastheniker, wurde sein Leben lang gemoppt“ – das bin ich in Arnstedts Augen!


(Trailer zu Das schaffen wir schon)

„Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig“: Eigentlich ein Armutszeugnis, in einer aktuellen Politsatire mit einer solchen Juristenfloskel im Abspann den Schwanz einzuziehen. „Die Namen der handelnden Personen sind frei erfunden“: Beinahe eine Beleidigung meiner Person, als könnt’s mich in Dutzendausfertigung geben! Aber ich verzeih’s dem Andreas. Und werde ihm weiter auf die Finger schauen.

Meinungen