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Kolumnen

Good Morning America and Everyone Else

Ein Beitrag von Olga Galicka

In ihrer Kolumne diskutiert Olga Galicka das Erwachen der amerikanischen Gesellschaft nach Trumps Wahlsieg und wie sich dieses Erwachen im Film niederschlägt. In Deutschland vermisst sie dieses Erwachen noch.

Meinungen
Filmstill zu BlacKkKlansman (2018)
BlacKkKlansman (2018) von Spike Lee

In Spike Lee’s BlackKklansman diskutieren an einer Stelle Ron Stallworth (John David Washington), im übrigen eine reale Person, der als Afroamerikaner den Ku Klux Klan tatsächlich in den 1970ern für sieben Monate infiltrierte, und sein Vorgesetzter Sergeant Trapp (Ken Garito) die Zukunft des Ku Klux Klans und die Pläne seines „Nationaldirektors“ David Duke (Topher Grace), im übrigen auch eine reale Person.

Trapp behauptet, dass es Duke und dem Klan, der von Mitgliedern im Film lieber die „Organisation“ genannt wird, nicht etwa um einen Untergrundkrieg geht, sondern vielmehr um den politischen Mainstream. Duke halte sich offiziell von Statements der Gewaltverherrlichung fern und setze stattdessen auf große politische Fragen wie Immigration, Affirmative Action und Steuerreformen, um so schlussendlich ins Weiße Haus zu kommen. Stallworth findet das eher zum Lachen. Er ist überzeugt, dass die Bevölkerung der USA niemals einen Menschen wie David Duke ins Weiße Haus wählen würde. 

 

Falsche Sicherheit

Ein Satz, der im ersten Drittel des Films viele im Publikum auflachen lässt. Mich auch. Natürlich denke ich an Donald Trump und wie ich genau das Gleiche am Abend vor der Wahl zu einem Freund gesagt hatte. Dieser wollte nicht schlafen gehen und stattdessen die Wahlergebnisse mitverfolgen. Er befand sich in einer „Untergangsstimmung“, wie er selbst sagte. Ich schickte ihn jedoch mit Stallworths lapidaren Aussage ins Bett. Ich wähnte mich nämlich in der bequemen Sicherheit meiner eigenen vier Wände. Deswegen bin ich besonders peinlich berührt von meiner eigenen Naivität, als Sergeant Trapp entgegnet: „Wann wachst du endlich auf?“ Im Saal wird es unangenehm still und die Frage muss ich mir in den nächsten Tagen immer wieder selbst stellen. 

Die Frage fällt im Film mehrmals, wenn auch niemals wieder so direkt. Man kennt diese Anrufung auch aus Spike Lees anderen Filmen, es ist sein Markenzeichen. Jetzt scheint sie endlich in der amerikanischen Film- und Medienlandschaft, aber auch in der amerikanischen Bevölkerung Anklang zu finden. Seit der Wahl von Donald Trump hat sich vieles verändert. Damit meine ich nicht nur all die furchtbaren Dinge, die durch seine Politik erreicht wurden: getrennte Familien, inhaftierte Kinder, Menschen an der Armutsgrenze. Denn die Menschen, die nun von Trump regiert werden, wachen endlich auf. Es findet mehr Bürgerengagement statt, es gibt mehr Interesse an politischen Abläufen. Immer mehr people of color kandidieren für politische Posten auf lokaler und nationaler Ebene und erleben große Unterstützung von ihren Gemeinden. Viele Blogger und Einflussfiguren wie Shaun King widmen viel Zeit der Aufklärung von Korruption, aber auch der Auseinandersetzung mit Gesetzen und Reformen, um sie für ihre Mitbürger verständlich zu machen. 

BlackKklansman; Copyright: Universal Pictures
BlackKklansman; Copyright: Universal Pictures

 

Die Fragen der Anderen 

Auch die Filmlandschaft hat sich seit Trumps Wahl im Jahr 2016 verändert. Immer mehr people of color sind auf amerikanischen Leinwänden und Fernsehern präsent. Einen guten Start machte die Serienneuverfilmung des 2014 erschienenen Films Dear White People von Justin Simiens. Für Netflix schrieb Simiens den Film in eine Serie um und beleuchtete den Rassismus an einer amerikanischen Elite-Universität aus der Perspektive unterschiedlicher afroamerikanischer Studenten. Dabei ging es nicht nur darum den Rassismus an sich bloßzustellen, wenn auch viele Vorfälle in der Serie reale Hintergründe haben, sondern auch um den Umgang der Betroffenen mit diesen Vorfällen. Dabei werden Fragen gestellt, die für die aktuelle politische Realität nicht nur in den USA, sondern auch in vielen europäischen Ländern höchste Brisanz aufweisen. Zum Beispiel: Kann ich jemanden lieben, der meine politischen Einstellungen nicht teilt? 

Diese und viele andere Fragen einer ethnisch diversen Gesellschaft werden immer mehr in amerikanischen medialen Formaten aufgegriffen. Als eine der ersten Serien machte es 2013 Orange is the New Black mit ihrer ethnischen und genderdiversen Besetzung und der Thematisierung unterschiedlicher amerikanischer Biografien vor. Immer mehr Formate ziehen nun nach.  Nahnatchka Khans Serie Fresh off the Boat erzählt das Leben einer taiwanesischen Familie in Orlando, Florida. Dabei konzentriert sich die Sitcom des Senders ABC auf den Alltag einer vorher kaum in Florida gekannten Minderheit, hin und hergerissen zwischen Anerkennung, Amerikanischem Traum und den klassischen Problemen einer mittelständischen Familie. Dank Hari Kondabolus Dokumentation The Problem with Apu wird auch endlich die rassistische Darstellung des indischen Verkäufers Apu in Die Simpsons thematisiert. Apu wird im übrigen im Englischen vom weißen Hank Anzaria synchronisiert. Wie gehst du als Kind oder junger Erwachsener damit um, dass eine Serie, die du liebst, deinen kulturellen Hintergrund auf platte Klischees reduziert? 

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In Deutschland nichts Neues

In dieser Zeit des Erwachens sind natürlich Filme wie Spike Lees BlackKklansman besonders wichtig. Sie halten nicht nur der amerikanischen Gesellschaft, sondern auch der Weltöffentlichkeit einen Spiegel vor. Ein Spiegel, der auch in Deutschland dringend gebraucht wird. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn man merkt wie groß der gesellschaftliche Widerstand gegen die Nominierung Aygül Özkans als Spitzenkandidatin der Hamburger CDU in den Bürgerschaftswahlen ist. Geradezu symptomatisch und ebenso befremdlich wirken deswegen die drei aktuell meistgelesenen Artikel auf Zeit Online: 1)“Verletzte bei rechten Protesten in Chemnitz“, 2) „Die Rechte Organisiert sich Neu“ und 3) „Crazy Rich – der wichtigste Film von dem Sie noch nie gehört haben“.

Es ist sicher kein Zufall, dass diese drei Schlagzeilen aufeinander folgen. Der deutschen rechten Szene wird eine Hollywoodkomödie mit einer rein asiatischen Besetzung entgegengesetzt. In den USA schlug der Film aufgrund seiner Besetzung und einem überraschend hohen Budget, das meist nur Filmen mit weißer Starbesetzung vorenthalten ist, hohe Wellen. Crazy Rich wurde in der ersten Woche zum Kassenerfolg. In der zweiten fielen die Zuschauerzahlen kaum. Etwas, das für die meisten Hollywoodproduktionen beinahe unvorstellbar ist. 

Crazy Rich; Copyright: Warner Bros.
Crazy Rich; Copyright: Warner Bros.

Einen deutschen Film, den man den rechten Schlagzeilen entgegensetzen könnte, sucht man leider immer noch vergeblich. Schaut man sich die aktuellen deutschen Filmstarts an, so wird man erfolglos nach people of color suchen. Die einzigen Schauspieler mit nicht deutschen Wurzeln findet man in Dennis Bucks Asphaltgorillas: Uisenma Borchu und Kida Khodr Ramadan. Sie spielt eine mongolische Killerin und er einen Berliner Gangsterboss. In unschuldigen Teeniekomödien über innere Schönheit wie Das Schönste Mädchen der Welt findet man hingegen keinen einzigen nichtweißen Jugendlichen. 

Der echte Ron Stallworth sagte jüngst in einem Interview, dass es durchaus einen historischen Zusammenhang zwischen David Dukes Arbeit in den 1970ern und Donald Trumps Wahlsieg 2016 gibt. Das ist auch eine Idee, die stark in BlackKklansman vermittelt wird: Die aktuelle Welle des Rassismus in den USA ist nichts neu Entstandenes. Der Rassismus war nie weg. Vielleicht ist das eine Perspektive, die man filmisch und politisch durchaus auch auf Deutschland anwenden sollte. 

Meinungen

Andy · 01.09.2018

In Deutschland nichts Neues ?
WILDES HERZ und DIE KRIEGERIN könnte man erwähnen

USA: DIE VERLEGERIN gehört in den Kontext (und Michael Morre's Trump-Projekt)
Dafür, dass seit fast zwei Jahren ein extrem polarisierender Präsident im amt ist,
gibt es relativ wenig Reaktion aus Hollywood