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Kolumnen

Ein Leben voller Filme

Ein Beitrag von Rochus Wolff

Unser Autor Rochus Wolff erklärt in seiner Kolumne, warum Video-on-Demand für Familien ein verdammter Glücksfall ist.

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Königin von Niendorf - Bild
Königin von Niendorf - Bild

Vor einigen Wochen habe ich ein neues Fernsehgerät gekauft, eine Frage von Notwendigkeit und Bildschirmgröße; der Fachhändler blickte dann doch ein wenig überrascht, als ich ihm sagen musste, dass ich weder Interesse noch Bedarf an irgendwelchen Adaptern oder Anschlüssen für Antenne, Satellit oder Kabel hatte. Es soll ja noch Menschen geben, die lineares Fernsehen bevorzugen, bei dem das Bild direkt aus der Sendeanstalt nach Hause kommt, aber in meiner Filterbubble leben sie jedenfalls nicht in großer Zahl.

Für meine Kinder war deshalb nicht-linearer Medienkonsum so selbstverständlich, dass wir ihnen erst erklären mussten, dass sich bestimmte Sendungen bei den Großeltern nicht einfach noch einmal ansehen lassen. Bei uns kommt, wenn man so will, das Fernsehen für den Nachwuchs entweder aus dem DVD-Regal oder aus dem WLAN – oder eben genau genommen nicht das Fernsehen, sondern ein gründlich kuratiertes Angebot von einzelnen Serienfolgen (vor allem, als die Kinder noch sehr klein waren), Kurz- und Langfilmen (gelegentlich, weil die Schultage es nicht anders ermöglichen, in zwei Etappen geteilt) sowie Angeboten der öffentlich-rechtlichen Mediatheken: von der Sendung mit der Maus bis hin zu Wissenssendungen des Bayerischen Rundfunks.

Wahrscheinlich fallen unsere Kinder ein wenig aus dem Durchschnitts-Raster: Sie gehen noch relativ häufig ins Kino, sehen aber auch viele Filme, die gleichzeitig sehr reflektiert (noch meist von den Eltern) ausgewählt werden. Unsere Wahrnehmung stützt jedenfalls die kürzlich publizierte Studie, nach der Netflix, Amazon Prime und andere Streaming-Dienste nicht dem Kino schaden, sondern eher Zuschauer_innen vom Fernsehen entwöhnen. Die Filme daheim machen den Kindern eher noch mehr Lust aufs Kino als sie davon abzulenken.

Und ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal die drei Hauptgründe nennen, warum ich glaube, dass das, dass Streaming-Dienste generell, für cinephile Familien ein großer Glücksfall sind.

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Verfügbarkeit: Wo ich will, wann ich will und auch noch bezahlbar

So ein normaler Familientag ist mit Beruf, Schule, Hausaufgaben, Sport, Umarmungen, Essensbeschaffung, -verarbeitung und -verabreichung eigentlich schon ganz gut gefüllt. Wir kriegen dann vielleicht noch einen Film irgendwo in den Lauf der Woche gepackt – wenn’s gut geht, sogar zu den Zeiten, an denen das Kino auch einen altersgerechten Film zeigt. Das kommt insgesamt eher selten vor – und so ist für Menschen, die nicht wie ich ein mit Kinderfilmen prallgefülltes DVD-Regal daheim stehen haben, Video-on-Demand die perfekte Lösung: Jederzeit verfügbar, und wenn es doch zu spät wird, macht man einfach Pause und schaut am nächsten Abend den Film zu Ende.

Und das zu einem Preis – sei es für den einzelnen Film, sei es für eine Flatrate –, den sich, so man Telefon und Internet eh bezahlen konnte, Menschen mit Kindern auch einigermaßen kontinuierlich leisten können. Es ist nämlich keineswegs trivial, dass ein Familienbesuch im lokalen Multiplex – die einzige Kino-Option in vielen Provinzstädten wie meiner – für acht Augen sehr klar nördlich von 40 Euro kostet, selbst wenn man auf die überteuerten Snacks und übergroßen Getränke-Becher verzichtet.

 

Vielfalt: Was ich will (oder jedenfalls vieles davon)

Natürlich ist ein oberflächlicher Blick durch den Kinderfilm-Katalog von Netflix, Amazon und Sky für einen Connaisseur mit Qualitätsansprüchen (so snobistisch sehe ich mich) auch ein Blick ins Tal des Grauens. Haufenweise billig gemachte Animationsserien, der übelste Schrott der Billigstudios, von furchtbaren Mainstream-Produktionen zu schweigen. Aber die Auswahl ist letztlich nicht schlimmer als in der DVD-Abteilung jedes Elektronik-Discounters. Und sie ist auch nicht schlimmer als im einzigen Fünf-bis-Acht-Leinwände-Großkino in fünfzig Kilometern Umkreis.

Sie wäre vielleicht in einer gut sortierten Videothek besser, aber zum einen sind diese nun leider Geschichte, zum anderen müssen wir realistisch bleiben: Auch dort hätten die meisten Leute, die meisten Eltern im Zweifelsfall zu Bewährtem gegriffen, also zu Animationsware aus den Häusern Disney oder Dreamworks.

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Die virtuelle Beliebigkeit, der Umstand, dass alles gleichschwer erreichbar ist, sobald es sich einmal auf dem Grabbeltisch von N&A befindet, hat auch Vorteile. Denn nun sind – zumindest theoretisch – alle Filme gleichschnell erreichbar. Wer ein wenig sucht, findet geeignete Empfehlungen auch direkt online, in Elternblogs oder Filmkritiken, und einen Klick später ist es vielleicht eben mal nicht Disney, sondern stattdessen Königin von Niendorf oder Die Melodie des Meeres.

Natürlich ist bei den VoD-Diensten noch lange nicht alles verfügbar, was ich dort gerne sähe, was ich meinen Kindern gerne zeigen würde – aber das sehe ich, pardon, auch weder im linearen Fernsehen noch im hiesigen Multiplex. Da nehme ich mit Handkuss an, dass ich online über kuratierte Angebote, über Empfehlungslisten und Kritiken nun überhaupt die Möglichkeit habe, viele Filme zu sehen und zu zeigen, die vorher ohne erheblichen Aufwand nicht einmal erreichbar gewesen wären.

 

Sicherheit: Ob ich will

Gerade mit jüngeren Kindern (spätestens mit Beginn der Pubertät sind wir ja froh, wenn der Nachwuchs überhaupt noch auf uns hört) ist es Eltern enorm wichtig, dass die Kinder Filme sehen, die für ihr Alter einigermaßen geeignet sind. Das hat nicht einmal etwas mit Bürgerlichkeit und konservativen Werten zu tun, sondern zuallererst mit Selbsterhaltung: Nach einer etwas unvorsichtig früh angesetzten Sichtung von Tanz der Vampire musste seinerzeit eines meiner Geschwister für längere Zeit immer auf Toilette begleitet werden. Das macht Eltern genauso wenig Spaß wie durch Alpträume versaute Nächte.

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Natürlich gibt es allerlei Hilfen, hier nicht komplett daneben zu greifen – die FSK-Freigaben sind nur ein erster, sehr grober Hinweis, es gibt außerdem von vielen Websites konkretere und kleinteiligere Altersempfehlungen, und natürlich reden Eltern auch miteinander. Wie ich aber vor einiger Zeit schon einmal ausführlicher begründet habe, ist das Mittel der Wahl eigentlich, sich den Film oder die Serie vorab anzusehen, dabei ans eigene Kind zu denken und so zu entscheiden, ob die beiden wohl zusammenpassen.

Das ist dank der Streaming-Dienste, vor allem dank der Flatrates, zumindest kein Problem von Organisation und Finanzen mehr, sondern nur noch ein rein zeitliches: Kriege ich das in meinem vollen Elterntag noch unter? Wenigstens wird es meist reichen, um mir ein erstes Bild zu machen.

Und das ist dann schon genug, um das Leben eines cinephilen Vaters ein ganzes Stück leichter zu machen.

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