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Kolumnen

Das Programmkino als Genossenschaft

Ein Beitrag von Michael Spiegel

In Würzburg gibt es ein neues Modell, das die Zukunft des Kinos mitbestimmen könnte. Ein Programmkino als Genossenschaft. Wie sieht die Arbeit vor Ort aus?

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as Central Kino im Bürgerbräu in Würzburg
as Central Kino im Bürgerbräu in Würzburg

2017 — es war kein leichtes Jahr für die deutschen Kinos. Netflix breitet sich immer weiter aus. Das Publikum scheint noch wählerischer geworden zu sein; es geht zwar nicht unbedingt weniger, aber viel vorausschaubarer ins Kino. Die Beschränkung des Kinobesuchs auf wenige große Mainstreamtitel verstärkt sich; viele der Filme, die wöchentlich im Kino starten, werden vom Publikum (mittlerweile auch häufig von der Presse) ignoriert. 

Auch die Filmkunst tut sich in diesen Tagen nicht leicht. Wirkliche Überraschungen (wie der Erfolg von Weit — Die Geschichte von einem Weg um die Welt) sind selten geworden. Wo sind sie geblieben, die Cineasten, die bis vor wenigen Jahren noch so zahlreich die Programmkinos der Städte bevölkerten, auch gerne mal in Spätvorstellungen saßen und sich manchmal ein und denselben Film mehrmals im Kino ansahen? 

Es sind die bekannten, häufig genannten Gründe und Ursachen, die es heutzutage auch den Programmkinos in Deutschland schwermachen. Und ihnen Veränderungen und neue Konzepte für die Zukunft geradezu aufzwingen, wollen sie denn weiterhin bestehen bleiben. Ideen und Räumlichkeiten von gestern ziehen das anspruchsvolle Publikum von heute nicht mehr ohne weiteres an. Wie aber kann dies wieder häufiger gelingen?

Man tritt ein in das neugebaute, 2016 eröffnete Central-Kino im Bürgerbräu in Würzburg — und sofort kommt einem in den Sinn: vieles wirkt hier auf Anhieb frischer, moderner, irgendwie zeitgemäßer. Erwartungen, die man an ein Programmkino in einer Stadt dieser Größenordnung (mit etwa 120.000 Einwohnern) hat, werden übertroffen. Es ist besonders hier. Alles wirkt einen Tick großstädtischer, besser verbaut, mit mehr Liebe zum Detail versehen. Qualität ist wichtig. Das gastronomische Angebot: weit über Schnitt. Aber auch mehr Geld (als sonst vielleicht normalerweise vorhanden) scheint in dieses Haus gesteckt worden zu sein. Was hat hier stattgefunden?


(Der Eingangsbereich des Central Kino im Bürgerbräu in Würzburg; Copyright: Rainer Wengel)

„Das Modell Genossenschaft kann für ein Programmkino ein gutes Instrument sein, Kapital zu generieren, wenn viele Menschen dasselbe wollen und es keine einzelnen Investoren gibt. Die Genossenschaft repräsentiert klar den Mitbesitz und ist daher dem Modell des Vereins überlegen. Wir hatten am Anfang Flyer mit dem Angebot „Werden Sie Besitzer eines Programmkinos“. Daraufhin fanden sich ziemlich schnell 240 Menschen, die jeweils mindestens einen Anteil (zu EUR 100,-) zeichneten. Mit diesem Startkapital konnten wir anfangen. Aktuell gehört unser Kino nun schon über 500 Leuten“, so Heidrun Podszus, die die Geschäftsführung im Central innehat. 

Dass ein Geschäftsmodell, dessen Existenz auf so vielen Schultern ruht, auch seine Kehrseiten haben muss, scheint nicht weit hergeholt. Verderben zu viele Köche nicht den Brei, gibt es nicht andauernd Streit bei so vielen Besitzern? „Natürlich ist alles durch notwendige Strukturen (Vorstand, Aufsichtsrat, Genossenschaftsverband) komplizierter als sonstwo“, so Podszus. Aber wenn sich viele Menschen durch Teilhabe integriert fühlen, dann habe dies eben auch handfeste Vorteile. „Als vor Eröffnung des neuen Centrals einige ehrenamtlich tätigen Genossen tagelang Wände strichen, Vorhänge nähten usw. antworteten sie auf die Frage, ob sie nicht mal nach Hause gehen wollten: Aber es ist doch unser Kino!“


(Die Theke des Central Kino im Bürgerbräu in Würtzburg. Copyright: Rainer Wengel)

Und die Aufgaben, die Pflichten dieser vielen hundert Inhaber? „Von den Genossinnen und Genossen wird erwartet, dass sie an der Meinungsbildung bei den großen Fragen mitwirken. Nicht, dass sie bei jeder Angelegenheit mitreden sollen, denn die Geschäfte führt der Vorstand.“ Gleichermaßen sei es sinnvoll, Wege anzubieten, auf denen sich der Einzelne konkret vor Ort einbringen kann, sofern er oder sie das möchte. „Beispielsweise haben wir eine Programmgruppe, die monatlich tagt. Auch gibt es die Freunde des Centrals, wo die Reihe Der besondere Film konzipiert wird und auch weitere Programmformate in Vorbereitung sind.“

Würzburg selbst sei derweil stolz auf sein neues Kino. Nach dem ersten Jahr wurde es mit der Kulturmedaille der Stadt ausgezeichnet; zuvor hatte der Kulturdezernent das Central maßgeblich mit auf den Weg gebracht und auch die Form der Genossenschaft vorgeschlagen. Die Stadt sei auch bereit gewesen, finanziell etwas beizusteuern. „Zu den Baukosten haben wir einen Zuschuss in Höhe von EUR 90.000,- bekommen. Institutionelle Zuwendungen sind allerdings zukünftig nur in geringem Umfang möglich wie vorgesehen“, so Podszus.

Das Central in Würzburg, also ein Modell mit Vorbildcharakter? Ein Kino, das neue Wege geht, mit einer guten Idee dahinter, mit Perspektive in die Zukunft? „Ja, in dieser Größe sind wir wohl ein einmaliges von einer Genossenschaft betriebenes Kino. Unser erstes Jahr haben wir nun hinter uns, sind von den Besucherzahlen und vom Umsatz etwas über Plan. Wir sind zuversichtlich, nach den Aufregungen des Umzugs und Neubaus auch die Mühen der Ebene zu meistern und wirtschaftliche sowie inhaltliche Kontinuität halten zu können.“

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