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Kolumnen

Das Lachen der Anderen

Ein Beitrag von Falk Straub

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La La Land von Damien Chazelle
La La Land von Damien Chazelle

Es war ein gutes Jahr fürs US-amerikanische Kino: ein starker, in jeder Hinsicht bunter Oscarjahrgang, ebenso überwältigende wie streitbare Science-Fiction-Filme, mal melancholische, meist aber ironische Superhelden. Was ein weiteres Mal fehlte, waren herausragende Komödien, vor allem romantische, weswegen ich häufiger im Internet mit den Streaminganbietern als im Kinosaal lachte.

Dabei begann das Jahr verheißungsvoll. Gleichzeitig zu James Francos entbehrlichen Zoten in Why Him? entführte uns Regiehoffnung Damien Chazelle an der Seite des unglücklichen Liebespaars Sebastian (Ryan Gosling) und Mia (Emma Stone) in sein La La Land, ein musikalisches Traumgebilde, das nur auf der großen Leinwand seinen vollen Zauber entfaltet. Doch schon hier zeichnete sich ein Trend ab. Zwar in der Gegenwart angesiedelt, flüchtet sich La La Land in die Nostalgie längst vergangener Tage. Warren Beattys Regeln spielen keine Rolle, Mike Mills‘ Jahrhundertfrauen und Hallie Meyers-Shyers Liebe zu Besuch taten es Chazelle nach. Peter Chelsom verlegte seine Scifi-Teenie-Romanze Den Sternen so nah gleich komplett in ein anderes Genre. Wirklich glücklich wurde ich mit keinem der Filme. Beattys Romcom-Biopic verliert mit dem Verstand seines Protagonisten auch die Romanze aus den Augen. Mills‘ tragikomische Emanzipationsgeschichte mit amourösen Einsprengseln dreht sich für meinen Geschmack zu sehr um den männlichen Erzähler. (Den Bechdel-Test bestünde der Film wohl kaum.) Meyers-Shyer wiederum bleibt viel zu brav und verortet ihren Flirt mit verkehrten Rollenbildern und der Filmgeschichte zudem in einem so sorgenfreien sozialen Umfeld, dass der Großteil des Publikums nur irritiert die Köpfe schütteln kann.


Trailer zu The Incredible Jessica James

Freilich gab es auch 2017 kleine Perlen. Jeffrey Blitz‘ Hochzeitskomödie Table 19 ist bis zum viel zu zuckersüßen Happy End so eine. Und Michael Showalters The Big Sick glänzt in diesem Jahr nicht zuletzt deshalb, weil die Konkurrenz so trüb blieb. Diese Schätze gilt es aber erst einmal zu heben. Wer wie ich nur in einer kleinen Großstadt lebt, muss für manchen Kinobesuch schon in die nächstgrößere fahren oder sich bis zum DVD- und VoD-Start gedulden. Dementsprechend habe ich die tollsten Schlagabtausche nicht in Romcoms, sondern bei den Superhelden erlebt. Zoe Saldanas Gamora und Chris Pratts Starlord aus Guardians of the Galaxy Vol. 2, Gal Gadots Diana und Chris Pines Steve Trevor aus Wonder Woman, Tessa Thompsons Walküre und Chris Hemsworths Donnergott aus Thor: Tag der Entscheidung — solche hitzigen Konstellationen voll spritziger Dialoge wünsche ich mir fürs kommende Jahr auch wieder in den (romantischen) Komödien aus Übersee. Derweil bleibt mir nichts anderes, als mich ins tragikomische Kino anderer Nationen oder ins Serienangebot der großen Streaminganbieter zu flüchten.

Natürlich ist auch hier nicht alles neu, war manches in vorangegangenen Staffeln bereits besser und ist letztlich nur ein Bruchteil von dem zu haben, was der US-Markt tatsächlich hergibt. Was die Vielfalt und Authentizität der Figuren, Geschlechter, Rollenbilder und der sexuellen Orientierung betrifft und was den Mut anbelangt, romantische Verwicklungen ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen zu erzählen, war ich aber auch in diesem Jahr allein bei den zwei Streamingriesen Netflix und Amazon besser aufgehoben als bei den US-Filmen, die es in Deutschland in die Kinos schafften. Ich bin mit den herrlich dysfunktionalen Pfeffermans aus Transparent nach Israel und mit der wunderbaren Tig Notaro in One Mississippi ein weiteres Mal in ihre (fiktionalisierte) Heimat gereist. Ich habe mich mit Emma (Rachel Blanchard) und Jack Trakarsky (Greg Poehler) in You Me Her und mit Chris (Kathryn Hahn) und Sylvere (Griffin Dunne) in I Love Dick in polyamoröse Ehekrisen verstrickt. Ich habe die modernen Stadtneurotiker Dev (Aziz Ansari) und Francesca (Alessandra Mastronardi) in Master of None und Mickey (Gillian Jacobs) und Gus (Paul Rust) in Love durch den undurchdringlichen Datingdschungel begleitet. Zu guter Letzt habe ich mit dem herausragenden Cast um Danielle Brooks, Uzo Aduba, Selenis Leyva, Taylor Schilling, Kate Mulgrew & Co. in Orange Is the New Black zum fünften Mal im Knast gesessen, geliebt, gelitten und für bessere Gefangenenrechte gekämpft.

Da verwundert es kaum, dass ich auch die meines Erachtens beste Romantic Comedy des Jahres bei einem Streaminganbieter gesehen habe: The Incredible Jessica James mit der tatsächlich unglaublichen Jessica Williams in der Hauptrolle. Gern hätte ich diesen Film auf der großen Leinwand mit einer Gruppe geteilt. Dass es die Produktion, die beim Sundance Filmfestival im Januar 2017 Premiere feierte, nicht in die Kinos schaffte, liegt wiederum an der Kehrseite der Streamingmedaille, die Lars Dolkemeyer in seinem Adventstext beschreibt. Nach dem Aufkauf durch Netflix war eine anderweitige Auswertung schlicht tabu.

Trotz dieser Entwicklungen wird die Kinokomödie nicht untergehen. Schließlich ist das gemeinsame Lachen mit den anderen in einem voll besetzten Saal viel befreiender, als es allein auf der Couch je sein könnte. Wenn mir die großen Studios allerdings weiterhin von Why Him? bis Bad Moms 2, von Girls‘ Night Out und Girls Trip bis Daddy’s Home 2 nur Klamauk voller Abziehbilder statt echter Menschen mit echten Problemen bieten, werde ich auch 2018 zum Lachen lieber ins Internet als ins Kino gehen.

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