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2018: Bleibt alles anders?

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Seit wenigen Tagen ist das Jahr 2017 endgültig Geschichte. Und wie vielen unserer Leser fiel auch uns der Abschied nicht sonderlich schwer, denn mal ehrlich: 2017 zählt eher so zu den Jahren der Kategorie „gebraucht“. Nachdem wir in den vorigen Wochen das Jahr filmisch haben Revue passieren lassen, ist es nun aber an der Zeit, den Blick wieder nach vorne zu richten.

Abgesehen von den Filmen, die uns 2018 im Kino und – so steht zu befürchten – in immer größerem Ausmaß auch an anderen „Orten“ (sofern man den virtuellen Raum hinzuzählen mag) begegnen werden und über die bereits eifrig Listen geführt werden (exemplarisch seien hier die Listen des Guardian genannt), wird es auch weiterhin und verstärkt um Themen gehen, die die Gesamtentwicklung des Kino- und Filmbereichs betreffen.

Mit der Ankündigung, im Jahr 2018 rund 8 Milliarden US-Dollar in 80 eigenproduzierte Filme zu stecken, schwingt sich Netflix auf einen Schlag zum ganz großen Player auf und setzt die bislang sehr riskante Wachstumsstrategie unbeirrt fort. Denn weiterhin ist keine Bewegung in der Frage zu erkennen, ob der Streamingdienst nicht vielleicht doch diversifizieren und zumindest ausgewählte Produktionen in die Kinos zu bringen wird, anstatt allein auf die Auswertung auf der eigenen, mittlerweile recht unübersichtlichen Plattform zu setzen. Zumal ja bereits das Filmfestival in Cannes angekündigt hat, keine Filme mehr im Wettbewerb zu zeigen, die nicht auch einer Kinoauswertung zugeführt werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Netflix bei allem Selbstbewusstsein diesen Weg auf ewig so fortsetzen wird. Zumal das für das Kino selbst eine denkbar schlechte Entwicklung wäre, wenn ein Gutteil der relevanten Produktionen nur mehr von vornherein Abonnenten zur Verfügung stünde.

Vielleicht naht die Rettung ja just aus dem Land, aus dem zugleich mit den potentesten Streamingdiensten die größte Gefahr droht. Denn vor kurzem ließ eine Zahl aufhorchen, die die Erfolgsgeschichte von Netflix & Co. zumindest kurzzeitig in den Schatten stellte. Am 20.12. 2017 war in verschiedenen US-Zeitungen zu lesen, dass der Kinoabodienst MoviePass binnen kurzer Zeit in den USA mehr als eine Million Abonnenten erreicht habe. MoviePass bietet gegen eine monatliche Gebühr von 9,95 Dollar eine unbegrenzte Anzahl von Kinobesuchen bei Filmtheatern, die sich an dem Projekt beteiligen. Einen ähnlichen Weg geht in Berlin die Yorck Kinogruppe, in der man mit einer Jahreskarte für monatlich 18,95 Euro alle regulären Vorstellungen besuchen kann. Man sieht also, dass es durchaus Wege gibt, dem Boom der Streamingdienste zu begegnen. Ob dabei freilich das Modell von MoviePass am Ende erfolgreich sein wird, das wird erst die Zukunft zeigen. Es ist aber zu erwarten, dass in dieser Richtung noch einiges auf den Kinomarkt zukommen wird. Projekte wie Kino on Demand von Rushlake Media deuten zudem an, dass auch hierzulande Kino teilweise neu gedacht wird — auch wenn die Widerstände derzeit noch groß sind. Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden hingegen ist es längst gang und gäbe, dass jedes Kino den Kunden auch ein Streaming-Angebot offeriert.

Zugleich wächst der Unmut und werden die Stimmen derjenigen lauter, die gegen überholte Geschäftsmodelle, alte Seilschaften und die Politik des „Weiter so“ die Stimme erheben. Das betrifft nicht nur neue Formen der Distribution, sondern auch Machtstrukturen und Missstände, über die viel zu lange geschwiegen wurde. Und versucht man dabei den Überblick zu behalten, so sind Momente wie die #metoo-Bewegung, wie der offene Brief der 80 deutschen Filmregisseur*innen und wie die Weigerung der Jury, beim Fernsehfilmfestival in Baden-Baden einen Preis zu vergeben, nicht nur jedes für sich ein mehr als legitimes Anliegen, sondern sie zeugen auch von einem zunehmend kritischen Geist, der die Diskussionen beherrscht und zeigt, wie groß der Wunsch nach Veränderung ist.

Ohne Zweifel befindet sich das Kino einmal mehr in einer tiefen Krise. Doch zugleich bemerke ich viel Aufbruchsstimmung, viel Widerstandsgeist und etliche Ideen und Initiativen, die sich mit dem Status quo einfach nicht mehr zufriedengeben wollen, die für das Kino brennen und die es nicht einfach kampflos aufgeben wollen. Das macht Mut für das neue Jahr, das eines der großen Umbrüche und der kleinen Veränderungen werden könnte.

Natürlich können wir nicht im Geringsten erahnen, was neben diesen zu erwartenden Themen sonst noch im Jahre 2018 auf uns zukommen wird. Aber eines ist ganz gewiss: Auch bei Kino-Zeit wird es bald schon sichtbare Veränderungen geben, an denen wir im vergangenen Jahr fieberhaft gearbeitet haben. Sie sind Ausdruck unseres unerschütterlichen Glaubens an die Macht der Bilder und des Kinos, an die Magie von Festivals und die vielen Entdeckungen, die uns auch im vorigen Jahr immer wieder überrascht und begeistert haben. Eine kleine Weile brauchen wir noch für unsere Vorbereitungen. Und wenn alles gut geht, dann wagen wir Ende Januar einen veritablen Neustart — bleiben Sie uns also gewogen.

Einen guten Start ins neue Jahr wünscht stets der Ihre

Joachim Kurz

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