zurück zur Übersicht
Jahresrückblick

Unvergessliche Erlebnisse

Ein Beitrag von Harald Mühlbeyer

Das Kino als Ort ist für Harald Mühlbeyer unersetzlich – gerade wenn es darum geht, denkwürdige Erinnerungen und Erlebnisse zu verschaffen.

Meinungen
Sweet Country von Warwick Thornton
Sweet Country von Warwick Thornton

Das Kino als Ort der Film-Begegnung ist nach der unmaßgeblichen Meinung des Verfassers dieser Zeilen nicht ersetzbar. Man denke an ein älteres Paar in einer romantischen Stunde: „Hach, weißt du noch, Liebling, das erste Mal Doktor Schiwago, damals, im Wohnzimmer …?“ Das knarzt irgendwie. Weil es halt nicht nur um den Film geht, sondern auch um den Raum. Groß und dunkel muss er sein, und man muss extra hingehen, damit man das Erinnerungserlebnis haben kann, später mal.

Was ein Filmerlebnis so richtig mehr pusht, ist das Drumherum. Haus verlassen, Kino betreten, Kasse, bequemer Sessel, mit etwas Glück läuft keine Werbung mehr, dafür ein paar Trailer, mit etwas Glück kein Popcorn um einen rum, dafür eine Leinwand, die das Blickfeld voll ausfüllt …

Für eine Menge der Filme, die ich jemals gesehen habe, weiß ich noch das Kino, in dem sie gezeigt wurden. Das gilt besonders für die guten – in diesem Jahr: vom Hauptmann bis zu den Zwei Herren im Anzug, von Game Night bis Mission Impossible 6, von den Three Billboards Outside Ebbing, Missouri bis Nur Gott kann mich richten (whoa: Das ist nur ein kleines Brainstorming, das sind nur die vom ersten Halbjahr und die Festival-Sichtungen sind noch außen vor!). Das gilt aber besonders auch für die schlechten – von edelschlecht wie Touch Me Not bis dreckschlecht wie Werk ohne Autor.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

 

Es ist halt so: Was Emotionen auslöst, „Superfilm“ oder „Scheißfilm“, daran erinnert man sich. Die Mitteldinger vergisst man sowieso, und das nicht ungern. Erinnere ich mich auf diese Weise an Filme, die ich auf dem Fernseher oder per Stream auf dem Computerbildschirm gesehen habe? Was bei solcher Rezeptionsweise gut ist, das ist nur der Film an sich. Was fehlt, ist das Ambiente, und was fehlt, ist die Möglichkeit einer außerfilmischen Steigerung des filmischen Erlebens. Dass beispielsweise ein Haufen Leute die Vorführung verlassen und man am Ende das Gefühl hat, den Film als Einziger gut gefunden zu haben (etwa bei A Thought of Ecstasy beim Münchner Filmfest 2017). Oder dass man einen derartigen Lachanfall inkl. Atemnot kriegt, dass die Klassenkameraden einen noch lange danach damit aufziehen (bei Die nackte Kanone 33 1/3, anno dunnemals ‚93). Wenn zusätzlich zum Film was passiert, dann hat man was fürs Leben!

Und in diesem Jahr, da war’s wieder mal soweit. Sweet Country, ein in vielerlei Hinsicht bemerkens- und merkenswerter Film, ein australischer Western mit spannender Story, ein Outback-Historienfilm über die 1920er Jahre, ein Film über Rassismus und Aborigines, zudem ein Gerichtsthriller; und dann diese Vorführung auf dem Münchner Filmfest. Im großen Saal der Münchner Freiheit, Filmbeginn um 22:30 Uhr. Der Film läuft, ich bin von Anfang an überzeugt; und dann, nach vielleicht 50 Minuten, trabt friedlich eine Ratte vor der Leinwand daher, auf dem unteren Cacherahmen, von links nach rechts. Eine halbe Stunde später, sie hatte wohl noch einige späte Geschäftlichkeiten zu erledigen, kehrt sie zurück. Die Silhouette hebt sich schön ab von der rotsteinigen Landschaften, die der Film zeigt. 

Das ist natürlich ein besonderer Glücksfall: Ein erinnernswerter Film; und ein erinnernswerter kleiner Gast im Kino. Jackpot! (Außer man ekelte sich vor Ratten.)

Foto Harald Mühlbeyer

Meinungen