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Interviews

Wie der Fikkefuchs in die Welt kam und warum wir ihn brauchen - Ein Interview mit Jan Henrik Stahlberg

Ein Beitrag von Beatrice Behn

Manchmal stimmt das Timing einfach. Perfekt passend zur wichtigsten internationalen Debatte über Sexismus & übergriffige Männer, kommt Jan Henrik Stahlbergs Tragikomödie Fikkefuchs ins Kino, ein komischer und schmerzhaft ehrlicher Film, den man getrost als wichtigen Beitrag zur Debatte werten kann.

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Fikkefuchs

Manchmal stimmt das Timing einfach. Passend zur größten und wichtigsten internationalen Debatte über Sexismus und übergriffige Männer, kommt Jan Henrik Stahlbergs Tragikomödie Fikkefuchs ins Kino, ein herrlich komischer und schmerzlich ehrlicher Film, den man getrost als wichtigen Beitrag zur Debatte werten kann. Fikkefuchs beleuchtet die Verbindung von Sexualität und Maskulinität mit einem dermaßen harten Schlaglicht, dass einem im Kino die Spucke wegbleiben wird. Und das ist gut so! Aber Stahlbergs Brachialwerk der besten Sorte zeigt auch noch etwas anderes: die Feigheit und Gleichmacherei des deutschen Filmfördersystems, das Filme wie diesen niemals zulassen würde.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, diesen Film zu machen?

Die ursprüngliche Idee kam von Wolfram Fleischhauer. Er wollte einen Film über Männer und Männlichkeit machen. Das hat mich gereizt: Das Thema männliche Sexualität aus unserer Männersicht zu erzählen und die Frage zu erörtern, worauf wir Männer eigentlich Bock haben. Ich finde dieses Thema eh unterprivilegiert dargestellt in unserer Zeit. Ich glaube, wir Männer darüber aber auch nicht so gern. Männer können ihre Bedürfnisse nicht so gut ausdrücken, weil das so eine Offenbarung wäre, dass sie Probleme haben. Männer sind ja auch immer nur „herausgefordert“: Sie haben keine Angst, sondern es ist eine Herausforderung.

Wie kommen da Deine Hauptfiguren Rocky und Torben, die ja Vater und Sohn sind, mit ins Spiel?

Ich brauchte noch einen Hook. Also habe ich das in einen Vater-Sohn-Konflikt verpackt, um dem Ganzen eine höhere, ja quasi archaische Ebene zu geben. Vater und Sohn, der Blinde und der Einäugige. Denn eigentlich soll ein Vater seinen Sohn ja schützen, ihn lieben und erziehen. Aber Rocky, die Hauptfigur, ist das komplette Gegenteil davon, und es ist für mich eine herrliche Spielwiese, „politisch inkorrekt“ zwischen Vater und Sohn sein zu können, was herrlich komisch ist. Aber da sind auch Dinge, die man in allem Ernst nachvollziehen kann: zum Beispiel, dass die Figur von Franz Rogowski, Torben, so ein großes Bedürfnis nach Anerkennung von seinem Vater hat.

Wie viel Rocky steckt in Dir bzw. in Männern allgemein?

Ich möchte jetzt nicht verraten, wo die genau drinstecken, die Aktien, die ich hier besitze, aber ich bin eben auch Aktienbesitzer von allen Problemen in diesem Film. Manchmal gering, da habe ich nur ein paar Spaß-Aktien, und manchmal muss ich sagen „Ja, das ist tatsächlich voll mein Problem!“. Und ich glaube, so sollte es im besten Falle all meinen Geschlechtsgenossen gehen. Ich hoffe, dass sie den Film sehen und dann merken, dass der Film genau damit spielt und dass es Sachen gibt, die einfach nur Schwachsinn sind, aber auch Sachen, wo man denkt „Ne, da hör’‘ ich jetzt zu!“. Aber immer mit Ambivalenz, denn die Situationen oder Art, wie das im Film angebracht wird, sind oft unangebracht oder verstörend. Und dann gibt es eben auch Momente, die man so zu hundert Prozent kennt und unterschreiben kann.


(Bild aus Fikkefuchs; Copyright: Alamode Filmdistribution)

Wie waren Deine Recherchen für den Film?

Die Recherche hat mir Spaß gemacht. Wir waren in verschiedenen Clubs und in Etablissements, wo man schnell Sex haben kann, wo man warten muss und alles dazwischen. Ich habe mich mit einem Pickup-Artist getroffen und unterhalten. Das fand ich spannend. Es gibt da ja eine riesige Industrie dahinter. Warum es so wenige Filme über die Probleme von Männern gibt, ist, glaube ich, weil man so viel Gleichmacherei betreibt. Und zwar von allen Seiten. Auch ein paar Feministinnen, mit denen ich über den Film gesprochen haben, meinten, sie könnten es gar nicht glauben, dass Männer hier über ihre kleinen Probleme erzählen und sich darüber ausheulen. Frauen haben auch Probleme. Und da merkte ich, wie krass das eigentlich ist. Ich hab ja gar nichts dagegen, dass Frauen über ihre Probleme reden. Ich finde das total wichtig. Nur gibt es solche Filme, feministische Filme, schon seit 20-30 Jahren, während es überhaupt kein Kino von Männern gibt, die sagen „Ja, wir sind halt arme Schweine. Wir haben keine Peer-Gruppen, wir haben keine Bücher oder die Emma. Wir haben Muskelzeitschriften und Autobild und das war’s.“ Das ist mir tatsächlich erst bei der Recherche aufgefallen, dass Männer da echt sehr einsam sind in ihrer Bedürfniswelt. Das ist generell in der Gesellschaft und auch der Kunst so. So wie der Fikkefuchs das Thema anspricht, das habe ich bisher nicht mal in skandinavischen oder französischen Filmen gesehen.

Hauptrolle, Regie und Drehbuch — so viele Aufgaben. Ist das gut, weil man so alles kohärent zusammenhalten kann oder eher schwierig, weil man sich so zerreißen muss?

Es hilft tatsächlich, dass es ganzheitlich wird. Bei all der Schroffheit des Fikkefuchs, die uns auch einen Teil des Publikums kosten wird, weil wir ihnen so fest auf den Schlips treten werden, dass sie sagen „Tut mir leid, ich gehe!“, hat der Film was Ganzes. Fikkefuchs ist keine Versuchsanordnung, wo verschiedene Geschmäcker den Brei verdünnen. Der Film ist sehr eine Sache geworden, obwohl er dabei sehr ambivalent ist. Das finde ich gut.  Das kommt davon, dass ich eben Regie geführt, geschauspielert und das Drehbuch geschrieben habe. Aber, ich muss sagen, ich finde das Regie-Dasein sehr anstrengend. Da habe ich sehr gelitten, dass der Stahlberg mir als Schauspieler oft nicht zugehört hat, das war sehr anstrengend.


Ist diese sehr offene und direkte Art der beiden Hauptfiguren auch ein Gegenhalten gegen politische Korrektheit und deutsche Ordentlichkeit?

Unbedingt! Es ist halt einfach so: Im deutschen Kino wird sehr sehr viel rundgelutscht. Meine Freunde zum Beispiel gehen kaum in deutsche Filme, weil sie das stinklangweilig finden. Deutsche Filme sind halt immer ernst und langweilig oder lustig und doof. Deshalb gehen sie da nicht mehr rein. Und ich muss sagen, ich kann das einfach nachvollziehen. Ich für meinen Teil vermisse einfach den schwarzen Humor. Ich glaube, dass das Publikum durch das Rundlutschen so dermaßen unterschätzt wird, dass es in Scharen abgewandert ist. Wenn ein Film sich nichts traut, Kommerz ist, dann muss er einfach nur geil gemacht sein, mit geilen Bildern und geilen Schauspielern und dann kommt man mit einer Tüte Popcorn auch auf seine Kosten, das ist okay. Aber ich glaube, ansonsten muss sich der Film mit etwas auseinandersetzen. Fikkefuchs tut das, und ich denke, das wird dann schon viele Leute überfordern, die das gar nicht gewöhnt sind. Oder sie werden genervt sein: Was sind das denn für Charaktere? Was für eine Unverschämtheit? Oder sie fühlen sich persönlich beleidigt oder gestört, weil es so ungewöhnlich für Filme ist, wenn man sich als Zuschauer ernsthaft fragen muss „Will der jetzt, dass ich mich damit identifiziere? Was soll ich davon halten?“ Das ist das Gegenteil zum Kommerzkino, wo ich weiß, dass der Gute gut aussieht und der Böse eine Narbe hat. Aber das ist wirklich ein deutsches Problem. Im skandinavischen Arthousekino, im österreichischen oder amerikanischen gibt es viele Filme, die die Frechheit besitzen, einen Helden zu haben, der ganz anders ist und zu dem man Stellung beziehen muss. Und das fehlt bei uns in Deutschland eben total, das geht für mich nur über politische Inkorrektheit und nicht über Rechtmacherei.


(Trailer zu Fikkefuchs)

Solche Stoffe sind aber auch viel schwerer zu fördern und zu produzieren, oder?

Ich hatte vor dem Fikkefuchs zwei Projekte: Liebe im Schatten des Hakenkreuzes und Pornstars, die beide am Ende des Tages keine Förderung bekommen haben. Das ist halt schwierig und ich habe den Eindruck, es wird nicht gerade leichter für Filme, die in eine andere Richtung gehen. Eigentlich komisch, denn in Zeiten des Internets und VoD müsste es eigentlich zu einer Vervielfachung von Geschmack kommen, weil es auch so viele Auswertungsmöglichkeiten gibt. Aber es ist genau andersherum. Und mit meinen Stoffen komme ich da ganz schwer rein. Ich gefalle zu wenig.

Was müsste sich ändern, damit das deutsche Kino und Fördersystem Filme wie den „Fikkefuchs“, Filme, die nicht „reinpassen“, besser annimmt und fördert?

Drehbuchautoren müssten ernst genommen werden. Es gibt ja so Hierarchien im Film und der Drehbuchautor ist in Deutschland wirklich zu einem Schreiberling verkommen. Der wird zwar immer konsultiert von den Produzenten und Redakteuren. Aber am Ende des Tages sagt man ihm „Schreib’s um!“ und dann gibt es 17 Fassungen und die erste war viel besser. Sie müssen auch besser bezahlt werden. Ich kenne so viele kluge Menschen mit Talent, die aufgegeben haben, und ich kenne auch viele, die, weil sie das Geld brauchen, sich einlassen auf diese tausenden Veränderungen und Verwässerungen. Weil sie nicht einfach gehen können. Hätten wir ein bedingungsloses Grundeinkommen, könnte man als Drehbuchautor auch mal nein sagen und den Schwachsinn nicht mitmachen. Und ansonsten müsste man Kino und Fernsehen neu denken und vielleicht mal was machen, was die Amerikaner mit HBO gemacht haben. Denn die haben damit bewiesen, dass es einen riesigen Markt gibt für schräge Filme. Ich erinnere mich an Bryan Cranston, der von Sony gefragt wurde, welche Idee er schon immer mal machen wollte, aber nie durfte. Er meinte: eine Serie mit einer Hauptfigur, die Drogen verkauft. Das wurde Breaking Bad. Ich habe das auch erlebt. Da bin ich mit Stoff bei Redakteuren und die haben sich beim Trailer totgelacht und sagten dann, dass sie es saukomisch finden, aber der Zuschauer das nicht verstehen wird.  Und wenn diese Denke nicht aufhört, dann werden wir weiterhin für geistig Beeinträchtige produzieren und wenn wir dann sehen, wie schlecht das deutsche Kino ist im Vergleich zu anderen Ländern, dann sollten wir vielleicht mal unsere Sichtweise ändern, dass das deutsche Publikum angeblich geistig behindert ist. Man muss Drehbuchautoren und Regisseure einfach mal ihre Arbeit machen lassen. Und zwar so, wie sie es wollen und nicht immer reinquaken und alles rund machen, damit es allen gefällt.


(Bild aus Fikkefuchs; Copyright: Alamode Filmdistribution)

Was wünschst Du Dir, was mit Leuten passiert, wenn sie aus Deinem Film rauskommen?

Ich glaube eigentlich das, was ich beim Filmfest München bei der Premiere erlebt habe. Ich hatte Schiss vor München, das Publikum dort ist streng und vielleicht auch etwas konservativer als beispielsweise die Berliner. Aber die Erfahrung, die ich da gemacht habe, war insgesamt sehr ambivalent, aber toll. Die ging von offener Ablehnung und einem nach fünf Minuten den Saal verlassen bis zu wunderbaren Gesprächen nach dem Film. Mit Männern ging es oft darum, dass sie tief berührt waren und meinten, der Film spräche ihnen total aus der Seele und gäbe ihnen ein Gefühl von Befreiung und dass sie nicht alleine sind mit dem Scheiß. Die Themen reichten von Pornofantasien bis hin zum Problem, die Eier in der Hose zu haben, Frauen wirklich anzusprechen, weil sie Angst haben, sich einen Korb zu holen. Es gab also Momente echter Berührung, aber gemischt mit diesem Humor, so dass sie gar nicht anders konnten, als über die Situationen und sich selbst zu lachen. Bei Frauen war ich sehr vorsichtig. Ich hatte da Sorge, weil ich mit meiner eigenen Freundin zum Beispiel durchaus Reibereien wegen des Filmes hatte. Ich hatte dann nach dem Screening ein Gespräch mit einer Frau, die meinte, der Film zeige genau das, was sie bei Männern eben scheiße findet. Aber sie meinte auch, dass sie ein Mitgefühl bekommen hat und ihr das eigentlich total leidtut, wie schwierig es für Männer sein kann. Damit hatte ich nicht gerechnet. Find ich aber gut. Ich glaube, als Frau fühlt man sich vielleicht aber auch nicht so angegriffen, weil man kapiert, dass das, was die Männer und ihr armseliges Weltbild da postulieren, teilweise so bescheuert ist, dass selbst der Filmemacher sich davon distanzieren muss, wenn er kein Vollidiot sein will. Und ich glaube, das macht es dann für Frauen möglich, dem zuzuhören und darüber zu lachen und auf der anderen Seite zu sehen, okay, es geht wirklich um eure Problematik und euer Weltbild, das uns zu Objekten macht und darunter leiden wir. Aber in diesem Film geht es eben nicht um Frauen als Opfer, sondern Männer, die sie zu Opfern machen, aber dabei selbst total arme Würste sind. Und dieser Spagat hat bei vielen Frauen erstaunlicherweise gut geklappt. Bei Männern ist es eher so, dass manche da wie Austern reagieren und sofort zuklappen, weil der Film dann doch ganz schön weh tut. Also da hatte ich insgesamt eher das Gefühl, dass es die Männer sind, die sich damit nicht beschäftigen wollen.

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