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Interviews

Romy Schneider & die Arbeit als Regisseurin – Emily Atef zu „3 Tage in Quibéron"

Ein Beitrag von Anna Wollner

Mit 10 Nominierungen geht 3 Tage in Quibéron als Favorit ins Rennen um den deutschen Filmpreis. Kaum eine Kategorie, in der das schwarz-weiße Biopic über 3 Tage im Leben der Romy Schneider nicht nominiert ist. Dabei hatte die deutsch-französisch-iranische Regisseurin Emily Atef nie vor, einen Film über die Schauspiellegende zu drehen.

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3 Tage in Quibéron von Emily Atef
3 Tage in Quibéron von Emily Atef

Das Drehbuch und die hochmotivierte Hauptdarstellerin Marie Bäumer in der Rolle ihres Lebens haben sie am Ende doch überzeugt. Dabei hat der Film ein ganz einfaches Setting: ein Hotel in der Bretagne, Anfang der 1980er Jahre, in das sich Romy Schneider für eine Entgiftungskur zurückgezogen hat – und in der Abgeschiedenheit der französischen Natur dem Stern-Journalisten Michael Jürgs ein Interview gewährt. Anna Wollner sprach mit Emily Atef im Rahmen der Berlinale über 3 Tage in Quibéron, Romy Schneider, die Männer in ihrem Leben und das Filmemachen als Regisseurin.

 

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen?

Ich liebe einfach das Spiel mit den Gegensätzen, den Kontrast von schwarz und weiß. Große Inspiration waren die Fotos von Robert Lebeck. Ich hatte das große Glück, ihn noch vor seinem Tod kennenlernen zu dürfen. Im Stern waren ja nur ungefähr 20 Bilder veröffentlicht, aber er und seine Frau haben mir alle 580 Aufnahmen überlassen. Viele der Bilder waren unscharf – weil alle betrunken waren. Romy Schneider im Bett, Romy Schneider auf dem Fußboden. Ich habe diese Bilder aufgesogen. 

Wie groß waren die Vorbehalte der Geldgeber?

Schwarz-Weiß macht den Fernsehanstalten große Angst, genauso den Verleihern. Aber das war für mich eine Notwendigkeit. Ich wollte ja bewusst in die Fiktion gehen und keine Reportage machen. Das Schwarz-Weiß schlägt für mich die Brücke zur Fiktion. Denn Marie Bäumer ist nicht Romy Schneider. Und Charly Hübner ist nicht Robert Lebeck. Durch die ungewöhnliche Farbgebung akzeptiert man die Fiktion.

Marie Bäumer in "3 Tage in Quibéron"
Marie Bäumer in „3 Tage in Quibéron“

Wie schwer war es, das Material loszulassen und sich voll und ganz auf die Geschichte zu konzentrieren — ohne dass beides ständig miteinander im Dialog steht?

Das war tatsächlich sehr schwer. Denn das Interview ist ja nicht nur sehr stark, sondern vor allem auch sehr lang. Es gab Themen, die mich überhaupt nicht interessiert haben. Ich musste Dinge weglassen und verdichten, zeitlich aber strecken. Das Interview ging eigentlich nur einen Nachmittag. Aus dramaturgischen Gründen brauchte ich aber zwei. Sie fangen an zu reden und er bricht sie mit den Fragen über ihren toten Ex-Mann. Sie ist aufgelöst, geht zur Bar und betrinkt sich. Obwohl sie nicht trinken darf. Das nutzt der Journalist schamlos aus und macht danach hemmungslos weiter. 

Sie haben Kontakt zu Michael Jürgs. Wie hat er auf den Film reagiert? Denn ganz so gut kommt er ja nicht weg in der Geschichte …

Ach, so würde ich das gar nicht sehen. Er entwickelt sich von einem jungen, ehrgeizigen Journalisten, der seine große Chance wittert, seinem Chef zu gefallen, sich selbst zu gefallen und viele Magazine zu verkaufen, hin zu einem Menschen mit einem Gewissen. Romy Schneider berührt ihn so sehr, dass er am Ende über seinen Beruf nachdenkt. Er überlässt ihr die Entscheidung, was mit dem Interview geschehen soll. Er sagt ihr, dass das Interview große Wellen schlagen wird und sie sich die Veröffentlichung gut überlegen soll. Seine Entwicklung berührt. Denn eine Figur, die sich entwickelt, ist immer spannend.

Wie groß war sein Einfluss auf das Drehbuch?
Sowohl Michael Jürgs als auch Robert Lebeck waren unglaublich hilfreich. Sie gaben mir alle Freiheiten der Welt. Michael Jürgs war damals der Jüngste, also derjenige mit den meisten Erinnerungen. Ich konnte ihn immer anrufen, selbst für die banalsten Dinge wie den Namen der Sekretärin des Chefs. Aber natürlich hatte ich Bammel, als ich ihm das erste Mal das Drehbuch geschickt habe. Ich habe ihn vorbereitet: „Du bist der Antagonist. Leute lieben Antagonisten“. Ich habe ein bisschen versucht, ihn zu manipulieren. Am Anfang war er betroffen und schockiert. Seine erste Reaktion war: „Ich bin ja ein Satan von Anfang bis Ende“. Ich habe versucht, das aufzufangen und ihm das Gegenteil zu beweisen. Am Ende ist es Romy Schneider, die ihm sagt, dass sie ihm vertraut. Bei der ersten Filmsichtung war er sehr berührt. Ihm wurde klar, dass er der einzige ist, der noch lebt.

Robert Gwisdek und Marie Bäumer in "3 Tage in Quibéron"
Robert Gwisdek und Marie Bäumer in „3 Tage in Quibéron“

Haben Sie diese Zuspitzung der Dinge bewusst gewählt, weil dadurch deutlich wird, wie das Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen damals war – ähnlich wie wir es heute noch immer erleben …

Als ich das erste Mal das Interview gelesen habe, war ich überrascht, wie weit er geht. Aber auch, wie weit sie bereit ist, sich auszuliefern. Sie wollte das ja. Die Freundin war da, um sie zu schützen. Vergeblich. Egal ob die Schulden oder der fehlende Vater – es war ihre Entscheidung, davon zu erzählen. Sie hatte Probleme mit der deutschen Presse. Die haben ihr nie vergeben, dass sie nach Frankreich gegangen ist. Sie wollte einfach einmal Tacheles reden und den Deutschen zeigen, wer sie wirklich ist. Dass sie nicht mehr Sissy ist. Dass sie nicht mehr 15 ist. Dass sie, wie sie sagte, eine unglückliche Frau von 42 Jahren ist und Romy Schneider heißt. Und dass sie sich unbedingt Ruhe und ein Zuhause wünscht. Natürlich kann man sich da fragen, ob das so schlau war oder ob es nicht besser gewesen wäre, sich zu schützen und mit Freunden darüber zu diskutieren und nicht mit der Presse.

Hat sie es denn geschafft, dass zu erreichen, was sie wollte?

Sie hat es geschafft, sich zu erklären. Aber eine Ruhe hat sie durch das Interview nicht gefunden. Es hat alles aufgewühlt. Was mich an der Geschichte so berührt hat und was sie auch noch immer so gegenwärtig erscheinen lässt, ist ihre Rolle. Sie ist eine öffentliche Person, eine Schauspielerin, aber sie könnte auch Musikerin gewesen sein, denken Sie an Amy Winehouse zum Beispiel – eine öffentliche Person auf der Suche nach der Balance im Leben. Ihr Leben zeigt immer wieder aufs Neue, was es bedeutet, wenn man so jung und so schnell unglaublichen Ruhm erlangt und die Normalität aus dem Leben verschwindet. Selbst als Erwachsener ist man in so einem Leben verloren.

Charly Hübner und Romy Schneider in "3 Tage in Quibéron"
Charly Hübner und Marie Bäumer in „3 Tage in Quibéron“

Sie erwähnen Amy Winehouse – ist das heute nicht fast viel schlimmer als damals?

Ja. Durch das Internet, die sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Damals wurde etwas geschrieben und am nächsten Tag vergessen. Heute sagt man eine Sache und wird immer wieder damit konfrontiert und zitiert. Das ist viel schwerer.

Was war der Kern der Geschichte, die Sie interessiert hat und wie passt der in Ihr Gesamtwerk?

Ich setze mich nicht hin und suche nach einem Stoff, der in mein Œuvre passt. Das ist Quatsch. Das Thema kommt aus meinem Inneren. Die Psychologie von Frauen, die durch eine Krise gehen, scheint mich irgendwie zu inspirieren. Ich versuche mit ihnen aus der Krise herauszukommen. Ob es jetzt die postnatale Depression bei Das Fremde in mir ist oder Töte mich über ein 16-jähriges Mädchen, das sich umbringen will.

Was war es hier?
Ich wäre nie auf die Idee gekommen, einen Film über Romy Schneider zu machen. Das war die Idee des französischen Produzenten und Marie Bäumer. Aber die Bilder von Lebeck und das Interview von Michael Jürgs haben mich überzeugt. Ich sah diese Frau, die so alt war wie ich und die mit Themen hadert, die mich auch beschäftigen. Obwohl ich kein Weltstar bin. Wie wird man eine perfekte Mutter und schafft es trotzdem, Geld zu verdienen? Ich bin zum Glück nicht allein, denn ein Gehalt reicht nicht. Ich versuche, das Muttersein und den Beruf unter einen Hut zu bringen. Mein Beruf ist mir extrem wichtig, aber der zwingt mich nun mal, von zuhause weg zu sein. Ich habe eine extrem stabile Kindheit gehabt und das gibt mir heute die Stärke, meinen privaten Raum und meine Privatsphäre zu schützen. Mir ging es um das Bild der modernen Frau bzw. des modernen Mannes. Das Vereinbaren von Elternsein und Beruf. 

Marie Bäumer und Birgit Minichmayr in "3 Tage in Quibéron"
Marie Bäumer und Birgit Minichmayr in „3 Tage in Quibéron“

Merken Sie denn eine Veränderung – das z.B. auch Männer darüber sprechen?

Es würde mich freuen, wenn solche Fragen auch mal an Männer gestellt werden. Ein Mann mit vier Kindern gilt als potent und stark, der alles schafft. Bei einer Regisseurin mit vier Kindern denkt man wohl eher, oh, das ist aber problematisch – was ist, wenn das Kind krank wird, dann kommt sie nicht zum Set, kann man ihr ein so großes Budget überhaupt zutrauen? Da sind noch Stereotypen im Gedächtnis, alte Strukturen, die einfach verschwinden müssen. 

Wie schwer ist es als Regisseurin Beruf und Kind zu vereinen?

Ich kenne keine Regisseurin, die wegen der Geburt ihres Kindes nicht gedreht hat. Meine Tochter war 2 Monate alt, als ich mit der Pre-Produktion für Töte mich angefangen habe, 4 Monate beim Dreh. Mein Mann war Teil des Teams und sie war die ganze Zeit bei uns. Wir hatten gute Unterstützung – und das ist der entscheidende Moment. Wenn die Filmförderung Geld reinsteckt und sagen würde, „Kinder sind die Zukunft“, und eine stillende Regisseurin unterstützt, bringt das mehr, als einen Alkoholiker zu haben, der dann nicht aufwacht, ans Set kommt und überhaupt nicht weiß, was er zu tun hat oder nur rumbrüllt. Da ist eine stillende Mutter, die seit Monaten nichts getrunken hat und präsent ist, schon besser In den ersten Wochen braucht man vielleicht etwas mehr Unterstützung, aber eine Frau mit Kleinkind kann genauso arbeiten wie ein Mann. 

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