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Interviews

"Denken stört" - Uisenma Borchu über ihr Spielfilmdebüt "Schau mich nicht so an"

Ein Beitrag von Harald Mühlbeyer

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Bild aus "Schau mich nicht so an"
Bild aus "Schau mich nicht so an"

In ihrem Spielfilmdebüt Schau mich nicht so an erzählt Uisenma Borchu von zwei Frauen: Iva, die alleinerziehende Mutter von Sofia, und ihre Nachbarin Hedi. Die Frauen freunden sich an, verlieben sich vielleicht sogar ineinander – aber stets scheint Hedi ein Spiel zu spielen, dessen Regeln niemand kennt. Harald Mühlbeyer hat mit der Regisseurin über ihren Film gesprochen.

Sie kamen, wenn ich es richtig weiß, über Catrina Stemmer zu diesem Film, die hier als alleinerziehende Iva auftritt. Was war das Faszinierende an dieser Frau? Inwieweit treffen sich Person und Rolle?

Catrina und ich sind Mütter. Wenn frau in diese Rolle der Mutter „hineingeboren“ wird, macht es einen riesigen Unterschied in ihr aus. Alles, was sie bisher gefühlt und gedacht hat, verschiebt sich. Aber das ist nicht allgemein zu sehen: Jede macht es auf ihre Weise. Und für mich gab es viel zu beobachten. Wie gehen andere damit um? Wie sehr stehen sie unter Druck, sozial, finanziell, und wer unterstützt sie seelisch? Ich habe vor allem alleinerziehende Mamas beobachtet. Was sie leisten, ist enorm. Die Erziehung eines Kindes ist eine Welt für sich. Kompliziert, emotional, schön. Und da gibt es nun mal in der Gesellschaft Menschen, die das Leben der Alleinerziehenden zur Hölle machen. Ignoranz, Egoismus und Selbstbestätigung sind maßgebend für diese Leute. Da fehlt die Reflexion. Ich habe mich also in meiner Umgebung hingesetzt und habe wie in einem Theater beobachtet, was die Menschen so machen. Da gab es genug Futter für den Film. Catrina und ich haben darüber dann oft gesprochen. Sie war perfekt geeignet, diese Rolle zu übernehmen, da sie umsetzten konnte, was ich erwartete. Mit Catrina als Besetzung entstand meine Idee zum Film.

Wie hat sich dann das Drehbuch, wie hat sich die Geschichte während des Drehs entwickelt?

Das Buch stand schon vor den Dreharbeiten fest. Die Dialoge habe ich angedeutet und nur selten ausformuliert. Während der Dreharbeiten haben wir alle Szenen improvisiert. Für mich war es angsteinflößend, aber manchmal muss man im kreativen Prozess die Kontrolle verlieren, um zu gewinnen. Dabei verlasse ich mich auf meine Intuition, und das Gefühl der Szene ist mir wichtig. Das hat mir filmisch am meisten gegeben. Catrina und ich sind Laien. Ich wollte nichts, das uns einengt, und ich habe bewusst Risiken in Kauf genommen. Das war unsere Stärke. Unser Potential war, frisch und authentisch zu sein und frei zu spielen. So viel Freiheit zu spüren, ist sehr schön gewesen. Also zum Beispiel: Nach einem Drehtag, wenn man wieder in der Realität war, habe ich mich manchmal gefühlt wie eingesperrt.

Wie kam es zu der Entscheidung, dass Sie selbst die zweite Hauptrolle übernehmen?

Die Entscheidung fiel während der Schreibphase. Ich habe die Geschichte, die Figuren und ihre Konflikte entwickelt. Catrina als Darstellerin war schon klar, und dann kam der Mongoleibezug in die Geschichte. Somit war es schwierig, eine passende Darstellerin zu finden. Dann kam ich auf die Idee, es selber zu spielen. Die Neugier, vor der Kamera zu sein, war sehr groß. Und wenn jemand neugierig ist, dann muss man diese Energie vorlassen, bevor die Angst größer wird. Denken stört. Damals war mir schon bewusst, dass ich die Szenen im Film komplett improvisieren wollte, und mir gefiel der Gedanke sehr, dass ich vor der Kamera das improvisierte Spiel direkt lenken und beeinflussen konnte.


(Bild aus Schau mich nicht so an; Copyright: Zorro / 24 Bilder)

Wie kommt man an Sepp Bierbichler ran – die Rolle ist ja wie für ihn gemacht?

Ich habe Josef Bierbichler auf der Leinwand gesehen und wusste, er ist es. Ich bin damals zu seiner Buchlesung von Mittelreich gefahren. Ich wollte ihn unbedingt kennenlernen. An diesem Abend habe ich ihm mein Skript und andere Filme von mir gegeben. Er hatte Interesse an diesem Film, und wir haben sehr oft über viele Monate darüber diskutiert. Es war schwierig, ihn für die Dreharbeiten zu bekommen. Er konnte mir nicht mit Sicherheit zusagen. Dann zwei Tage vor den Dreharbeiten hat er gefragt, welche Garderobe er mitbringen soll.

Gab es Schwierigkeiten bei der Arbeit? Sie inszenieren sich selbst in einer Hauptrolle, haben es sowohl mit Laien und als auch einem gestandenen Profi zu tun, ein Kind ist auch am Set: schon einzeln sind das ja an sich große Herausforderungen, könnte ich mir denken.

Ja, es war eine große Herausforderung, aber ich war auch sehr neugierig auf diese Situation. Ich wusste, dass es gut wird, und alle waren bereit, ihr Bestes zu geben. Ich habe mir gedacht, dass es eine Übung ist, an der wir weiter wachsen werden. Das Thema des Films war mir sehr wichtig. Diese Frauenrollen und die Vaterfigur: Ich hatte das sehr genau und visuell vor mir, und daraus konnte ich immer schöpfen während der Dreharbeiten. Es hat in uns richtig geglüht und eine Kraft frei gesetzt. Ich wollte einen Film machen, der schonungslos ehrlich und radikal von Menschen erzählt. Und daran habe ich mich gehalten.

Wie kann man eine solche Intimität der Körper und der Bilder vor der und durch die Kamera erschaffen – gibt es da Tricks, Geheimnisse?

Es war nie ein Thema, Intimität zu erzeugen oder Nacktheit darzustellen. Wir haben eigentlich nie darüber geredet. Wir Darsteller haben aufrichtig unsere Rollen gespielt, und die Intimität war ein Teil davon. Es ging nie darum, besonders intim oder erotisch zu sein. Mir war klar, dass es für manche Menschen ein Tabu darstellt, aber mich daran anzupassen, wäre nicht ehrlich gewesen.


(Trailer zu Schau mich nicht so an)

Sie haben Dokumentarfilm studiert – warum ein Spielfilm als Abschlussfilm? Wird es im fiktiven oder dokumentarischen Bereich weitergehen?

Die Vision zu Schau mich nicht so an hatte einen dokumentarischen Ansatz. Ich interessierte mich für eine alleinerziehende Mutter. Daraus ist die Idee gereift, und ein Spielfilm war die beste Form, diese Vision zum Ausdruck zu bringen. Als Regisseurin fühle ich mich vom inszenierten Film sehr angezogen, und ich arbeite bereits an meiner nächsten fiktionalen Idee.

Was hat es mit der „mongolischen Ebene“ des Films auf sich?

Ich möchte den Film nicht erklären. Die Zuschauer werden selber wissen, was sie darin sehen.

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