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Darling der Woche

Who we gonna call now, Ivan?

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Am 12. Februar ist der kanadische Regisseur Ivan Reitman von uns gegangen und mit ihm ein Meister der Komödie. Wir werfen einen Blick zurück auf seine größten Filme und spüren dem Reitman-Touch nach.

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Ivan

Während das Drama als Kunst gilt, werden Komödien in der Tendenz immer noch als bloße Unterhaltung angesehen. Ja, es gibt Charlie Chaplin und Buster Keaton, satirischen Witz wie in „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ oder den gefeierten Humor der Coen-Brüder. Dennoch wird das Genre bei Preisverleihungen gerne übersehen, und die Macherinnnen und Macher sind selten sehr bekannt. Bei Ivan Reitman, dem Schöpfer der legendären „Ghostbusters“, ist die Sache ein bisschen anders: Auch er wird unterschätzt, und dennoch hat er mit seinem Humor, seinen warmherzigen Filmen ganze Generationen geprägt. 

Komödien gehören zum schwierigsten Genre. Das hört man oft und vergisst es umso schneller. Nur weil die Filme leicht erscheinen, ist es nicht leicht, solche Filme zu drehen. Es braucht perfektes Timing, damit die Pointen sitzen, den richtigen Rhythmus für Slapstick und immer die nötige Portion Dramatik, die das Lachen nicht trübt, ihm aber eine Bodenhaftung verleiht. In all diesen Dingen war Ivan Reitmann ziemlich gut. Nicht immer sind daraus großartige Filme entstanden, den Reitman-Touch tragen sie alle: Eine vergnügliche Albernheit, die mit Optimismus und Offenheit den Wahnsinn dieser Welt umarmt. 

Ich glaub, mich knutscht ein Elch (1981)

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Dieser Film ist reinste Anarchie. Bill Murray spielt den Verlierer John Winger, der sich in der Army einen Neuanfang erhofft. Gemeinsam mit seinem besten Freund Russell (Harold Ramis) stellt er nicht nur die strengen Regeln infrage, sondern gleich alles auf den Kopf. Respekt zeigt Reitman vor nichts. Alles und jeder wird durch den Kakao gezogen, und doch bleibt bei all den Zoten und dem Slapstick die Herzlichkeit erhalten. Bill Murray läuft sich hier bereits für seinen großen Auftritt in Ghostbusters warm und harmoniert wunderbar mit Harold „Egon“ Ramis. Überhaupt zeigt der Filmemacher Reitman sein gutes Händchen bei der Besetzung: Die Schauspieler_Innen und ihre Rollen verschmelzen zu einer Einheit und erden mit ihrem Spiel jede noch so große Absurdität.

Unter all dem Humor gehen heute womöglich die wunderbaren Anspielungen auf die Filmgeschichte verloren: In einer Szene hält ein etwas psychopathischer Soldat — er nennt sich selbst Psycho — einen aggressiven Vortrag und droht jedem, der seine Regeln missachtet, mit dem Tod. In Aussehen, Gestik und Mimik erinnert diese Figur an Robert DeNiros Travis Bickle aus Taxi Driver (1976) - Reitmans Weg, die düstere Seite der Armee in den Film zu holen. Ox (gespielt vom hinreißenden John Candy) erinnert hingegen an eine Figur, die sich ein paar Jahre später in Stanley Kubricks Full Metal Jacket (1987) auf der Toilette eine Kugel durch den Kopf jagen wird: der schwer gemobbte Lawrence. 

 

Ghostbusters (1984)

Drei Jahre später folgte der Geniestreich: Man nehme eine Chaostruppe aus parapsychologisch interessierten Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Eigenschaften, packt ein paar Geister dazu und mischt es mit einem bis heute kaum erreichten Wortwitz. Ghostbusters ist bis heute die Referenzgröße für großartiges Popcornkino, das die Gesellschaft prägt. Natürlich ist daraus eine Geldmaschine geworden, und mit dem Merchandise sind bis heute Unsummen zu verdienen — aber was hat diese Maschine für ein großes Herz! Dieses besagte Herz hat vier Namen: Peter (Bill Murray), Ray (Dan Aykroyd), Egon (Harold Ramis) und Winston (Ernie Hudson). Geister hin oder her, die Beziehung der Geisterjäger untereinander macht aus diesem Abenteuer ein Meisterwerk der Unterhaltung.

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Das Setdesign ist ikonisch, die Einsatzzentrale von Playmobile nachgebaut, und wenn der Ecto-1, dieses weiße Ungetüm von einem Wagen, durch die Straßen von New York rauscht, leuchten die Augen der Kinder. Ivan Reitman ist es gelungen — einschließlich des Titelliedes von Ray Parker Jr. — alles zu einem großen Ganzen zusammenzufügen und sein Fantasy-Abenteurer mit einer Seele und glaubwürdigen Figuren auszustatten. So sehr sich manche dann auch über die formelhafte Fortsetzung von 1989 geärgert haben — auf diesem Niveau kann man sich gerne wiederholen.

 

Twins — Zwillinge (1988) und Junior (1994)

Diese beiden Filme ergeben ein seltsames Double-Feature. Zweimal Arnold Schwarzenegger und Danny DeVito als Comedy-Gespann. In Twins spielen die beiden ein sehr ungleiches Zwillingspaar, das aus einem Experiment hervorgegangen ist. Ivan Reitman zieht den Humor aus dem körperlichen Unterschied, was am Anfang relativ gut aufgeht. Einen ganzen Film trägt diese Idee nicht. Wenn die beiden über den Schock der Verwandtschaftsbeziehung hinweg sind, schleppt sich der Film ins Ziel. Weil auch der Starkult um DeVito und Arnie heute einfach nicht mehr so zieht, ist Twins heute nicht mehr wirklich genießbar. Aber Reitman hat ein Duo gefunden, mit dem er gerne zusammenarbeitet.

1994 folgt Junior, dessen Idee so unfassbar bescheuert ist, dass man an ein Gelingen des Films eigentlich kaum glauben mag. Doch die Rechnung geht auf: Arnie spielt einen Wissenschaftler, der ein Kind bekommt -  mehr oder weniger geschwängert von DeVito. Zu sehen, wie dem knallharten Schwarzenegger ein Babybauch wächst und er alle Stadien einer Schwangerschaft durchmacht, ist heute noch zum Brüllen. Die Pointen stimmen, die Schauspieler*innen sind in Spiellaune, und letztlich handelt es sich um ein Feel-Good-Comedy-Märchen der alten Schule.

(c) United International Pictures GmbH

Kindergarten Cop (1990)

Wenn man durch die Filmografie von Ivan Reitmann wandert, dann beschleicht einen das Gefühl, dass wohl kein anderer Regisseur derart mit dem Image von Arnold Schwarzenegger gespielt hat. Der Terminator legte ja in einigen Filmen die schweren Waffen beiseite. In Kindergarten Cop gelingt dies auf fantastische Art und Weise: Schwarzenegger spielt einen toughen Cop, der undercover ausgerechnet in einem Kindergarten ermitteln muss — als Erzieher! Selten hat die Kampfmaschine einen härteren Gegner gehabt; diese Kinder sorgen für Gags am Fließband. Und dann ist da noch die bezaubernde Linda Hunt als Miss Schlowski, deren Gesichtsausdrücke einen Film im Film inszenieren. Ivan Reitmann ist mit Kindergarten Cop auch deshalb ein so herrlicher Film gelungen, weil hier Ernsthaftigkeit und Humor, Bedrohung und Entlastung in ein Gleichgewicht gesetzt werden. Die Ironie ist spürbar, dominiert jedoch keineswegs die Handlung. 

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Dave (1993)

Die amerikanische Filmkritikerlegende Roger Ebert hat es beim Erscheinen des Films auf den Punkt gebracht: Dave erzählt die alte Geschichte eines Menschen aus einfachen Verhältnissen, der plötzlich an die Spitze der Macht katapultiert wird. Kevin Kline spielt Dave, der mit seinem einfachen Leben eigentlich ziemlich zufrieden ist. Weil er aber dem Präsidenten ähnlich sieht, der unter verfänglichen Umständen einen Schlaganfall erleidet, muss Dave einspringen und macht seinen Job erstaunlich gut.

Die Chemie zwischen Sigourney Weaver und Kevin Kline als altes/neues Präsidentenpaar belebt den Film, der in Sachen Timing und emotionaler Heldenreise nahezu perfekt ist. Das ist Mainstream-Kino der guten alten Schule. Außerdem zeigt sich hier der Reitman-Touch: Liebenswerte, aber eigenwillige Figuren mit alltäglichen Schwächen meistern abstruse Abenteuer auf die unterhaltsamste Weise — und am Ende wird alles immer irgendwie gut. Das einzige, was nach einem Reitman-Film im Magen liegt, das ist das Popcorn; alles fühlt sich irgendwie nach Kindheit an, und möglicherweise vergisst man die Filme sofort wieder. Wird man allerdings an sie erinnert, hat man sofort dieses warme Gefühl einer warmen Decke. 

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Evolution (2001)

Ein großer Zeitsprung — von 1993 ins Jahr 2001. Mit dem durchgeknallten Evolution schwingt sich Reitman noch mal zur Höchstform auf. Wobei man durchaus sagen muss, dass der Filmemacher und sein Autorenteam bekanntes Terrain betreten: Die Ghostbuster-Erfolgsformel wird angepasst, statt Geister gibt es in Folge eines Meteoriteneinschlags mutierte Monster. Was nicht fehlen darf? Ein eigenwilliges Team aus monsterjagenden Chaoten. David Duchovny, Orlando Jones, Seann William Scott und Julianne Moore ist die Freude an diesem albernen Sci-Fi-Abenteuer durchaus anzumerken. Die Qualität der Geisterjäger-Filme erreicht der Film nicht — dennoch ist es der wohl letzte wirklich überzeugende Film von Ivan Reitman.

   

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Mit Ivan Reitman ist also einer der ganz großen Meister der Komödie von uns gegangen. Diese warmherzigen Filme, die immer auch das Gute im Menschen ausstellen, werden fehlen. Der Sohnemann Jason hat mit Filmen wie Juno, Tully oder eben Ghostbusters: Legacy gezeigt, dass er viel von seinem Vater gelernt hat. Die letzte Leichtigkeit und der anarchistische Witz fehlen ihm dennoch. So, who we gonna call now, Ivan? Rest in Peace.

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