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Filmgeschichte(n)

Temple Drake und der Production Code

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

Meinungen
Miriam Hopkins in "The Story Of Temple Drake"
Miriam Hopkins in "The Story Of Temple Drake"

Vor ziemlich genau 89 Jahren wurde in Hollywood der Production Code eingeführt und es wäre zum Scheitern verurteilt, einem einzelnen Film dafür die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen. Sehr wohl gab es aber Filme, die die öffentlichen Gemüter so stark erhitzten, dass der Ruf nach einer effektiven Zensur unter moralischen Gesichtspunkten immer lauter wurde. Einer davon war The Story of Temple Drake von 1933. Beginnt man erst einmal nach dem Film zu recherchieren, bleiben Bemerkungen hängen wie „der erste David-Lynch-Film“, das zeitliche Äquivalent zu I Spit On Your Grave oder Vergleiche mit dem Texas Chainsaw Massacre. Wieso, beginnt man sich zu fragen, erinnert sich heute also kaum noch jemand an The Story of Temple Drake?

Der Film von Stephen Roberts mit dem Paramount-Star Miriam Hopkins in der Hauptrolle zählt zu den Höhepunkten der Pre-Code-Ära: Eine Verfilmung des Romans Die Freistatt (Sanctuary) von William Faulkner, die — da fing es schon an - nicht den Titel des Buches tragen durfte, weil das damals bereits existente Hays‘ Office es als unverfilmbar eingestuft hatte. Das Studio Paramount, das damals über beträchtliche finanzielle Ressourcen verfügte, setzte die Adaption durch, musste sich jedoch an diverse Auflagen halten. Der Titel etwa wurde geändert, um The Story of Temple Drake nicht öffentlich mit seiner Vorlage in Verbindung zu bringen. Auch inhaltlich gab es diverse Änderungen in der Geschichte einer jungen Frau aus den US-Südstaaten, die noch heute provokative Fragen aufwirft ohne sie je klar zu beantworten. Genießt sie die Taten ihres Vergewaltigers und Zuhälters mit dem vielsagenden Namen Trigger (Jack La Rue)? Ist sie Opfer oder Komplizin oder beides oder nichts davon?

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Die New York Times schrieb in ihrer Kritik von 1933:

„Considering the changes that were to be expected in bringing this novel to the screen, the producers have wrought a highly intelligent production.“

Gute Kritiken hin oder her: Der Filmzensor Joseph Breen setzte 1934 schließlich durch, dass The Story of Temple Drake nicht mehr in den Kinos zur Aufführung kommen durfte. In den darauffolgenden Jahrzehnten war der Film gar nicht oder nur sehr schwer zugänglich, zeitweise kursierte lediglich eine illegale 16mm-Fassung. Erst im Jahr 2010 wurde er vom Museum of Modern Art unter Mithilfe von Turner Classic Movies restauriert.

Eine klug beobachtete und sehr unterhaltsame Zusammenfassung des Plots und der Zensurgeschichte des Films findet sich im Übrigen in der Fundgrube Pre-Code.com. Der mit The Story of Temple Drake befasste Zensor, so wird dort etwa Frank Miller in seinem Buch Censored Hollywood zitiert, habe versucht Paramount von einem Epilog zu überzeugen, in dem die Protagonistin als Sozialarbeiterin in China zu sehen sein sollte. Die Production Code Administration, erklärt Historiker, Autor und Pre-Code-Blogger Danny Reid, fungierte vor Einführung des verpflichtenden Codes als eine Art Mediator zwischen den Interessen der Filmstudios und moralisch argumentierenden Meinungsmachern wie der Catholic Legion of Decency. Nur ein Jahr später hätte das Büro die Verfilmung des Stoffs bereits endgültig untersagen dürfen. Der Blog Mondo 70 fasst es besonders treffend zusammen:

„Better a truncated Sanctuary in 1933 than none at all, which is what we would have gotten in 1935. There’s a poignancy to the incompleteness of pre-code cinema, whether on the individual level of variously compromised films or the overall sense of the period as a dead end or a path but partially taken before the road was blocked.“

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Meinungen

Seb · 04.04.2019

The Story of Temple Drake sieht toll aus, in Zeiten von MeToo wird er wohl bald wieder verboten, hoffentlich kann ich ihn zuvor noch irgendwo sehen.