zurück zur Übersicht
Filmgeschichte(n)

Die Schöne und das Biest: Das wahre Ende von "Pretty Woman"

Ein Beitrag von Matthias Pfeiffer

Meinungen
Julia Roberts und Richard Gere in "Pretty Woman"
Julia Roberts und Richard Gere in "Pretty Woman"

Es klingt erst einmal wie eine bitterböse Parodie auf eine der bekanntesten Neunziger-Romanzen: Zwischen dem Pretty Woman-Paar Vivan und Edward gibt es keinen romantischen Kuss auf der Feuertreppe, sondern einen bitteren Streit, der damit endet, dass er sie aus dem Wagen schmeißt. Und als ob das nicht schon genug wäre, dass sie nach ihrem Ausflug ins Luxusleben wieder auf dem Straßenstrich landet, stirbt sie noch an einer Überdosis.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen



Was Script-Änderungen angeht, ist Pretty Woman einer der obskursten Fälle der Filmgeschichte. Heute ist Garry Marshalls Film der Inbegriff der romantischen Komödie. Der stinkreiche Geschäftsmann Edward (Richard Gere) trifft auf die eigenwillige Prostituierte Vivian (Julia Roberts). Er ist von ihr so angetan, dass er eine komplette Woche mit ihr verbringen will. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte spielte weltweit über 463 Millionen Dollar ein und verschaffte Roberts den Durchbruch samt Oscar-Nominierung.

Ursprünglich sollte alles viel düsterer werden. Jonathan Lawton plante unter dem Titel „$3000“ einen bitter-realistischen Arthaus-Film ohne Kitsch und Schnörkel. Die Skrupellosigkeit der Oberschicht, Drogenabhänigkeit und der harte Alltag der Prostituierten sollte geschildert werden. Lewis selbst führte zahlreiche Interviews mit Betroffenen. Kurz gesagt: Alles andere als ein Hollywood-Märchen. Diese Ernsthaftigkeit war für Lawton allerdings mehr eine Pflichtübung, wie er 2015 in einem Interview mit Vanity Fair verriet:

Ich schrieb vor allem Drehbücher für Ninja-Filme und Komödien. Damit erreichte ich aber keinerlei Aufmerksamkeit. Dann sagte ich mir, ich müsse wohl etwas ernsteres und dramatischeres schreiben. Ich schrieb ein Script mit dem Titel „Red Sneakers“, es ging um eine einbeinige, lesbische Stand-Up-Komikerin, die alkoholabhängig wird. Und auf einmal waren die Leute wirklich interessiert und haben mich angesprochen!


Das hört sich wieder sehr nach einer Parodie an, aber Lawton schien den Dreh gefunden zu haben. In diese Kerbe sollte auch „$3000“ schlagen. Und dann kam Disney. Man wollte etwas ernstes und dunkles, aber so extrem auch wieder nicht. Deshalb wurde alles noch einmal umgeschrieben. Am Ende lag die moderne Aschenputtel-Story vor, die heute jeder kennt. Nur die angefragten Schauspielerinnen zeigten wenig Begeisterung. Michelle Pfeifer und Meg Ryan lehnten ab, Daryl Hannah bezeichnete die Rolle der Vivian sogar als „Erniedrigung für alle Frauen“. Die Wahl auf Julia Roberts fiel dann eher aus der Not. Die Fans danken es bis heute.

Denen muten Gere und Roberts auch inzwischen die ganze Wahrheit hinter den Kulissen zu. Am meisten verwundert vielleicht, dass Lawton die Tranformation seiner Idee keineswegs mit Missmut sieht: „Ich habe einfach einen Job gesucht. (…) Dass Disney daraus einen Big-Budget-Film mit einem bekannten Regisseur machen wollte, war eine große Sache.“ Man kann also von einem Happy End für alle Beteiligten sprechen. Außer vielleicht für diejenigen, die lieber „$3000“ anstatt Pretty Woman gesehen hätten.

 

Meinungen