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Zwischen reaktionär und kultig: SciFi-Serials in der Rückschau

Ein Beitrag von Christian Neffe

„Flash Gordon“, der SciFi-Kultfilm von 1980, feiert seinen 40. Geburtstag. Für uns ein Anlass, einmal auf die Vorlage von 1936 sowie auf deren Nachfolger im Geiste – „Buck Rogers“ – zu blicken und zu fragen: Sind diese beiden Serials heute noch ertragbar?

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Superheld Flash Gordon in verschiedenen Inkarnationen und Buck Rogers
"Flash Gordon" (1936) / "Flash Gordon" (1980) / "Buck Rogers" (1939)

1980 war das Jahr der Kultfilme. Luke Skywalker erfuhr in „Das Imperium schlägt zurück“, dass er der Sohn von Darth Vader ist. Die „Blues Brothers“ Jake und Elwood waren mit vollem Tank, einer halben Schachtel Zigaretten und Sonnenbrillen im Auftrag des Herrn unterwegs. Ted Striker versuchte, „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ für alle Insassen zu einem sicheren Ende zu bringen. Und ein weltberühmter Footballspieler machte sich auf, den Planeten Mongo vom grausamen Herrscher Ming zu befreien: „Flash Gordon“ erblickte im August vor 40 Jahren das Licht der Leinwand und bekommt dafür nun von Universal eine Limited Collector’s Edition spendiert. Obwohl: Genau genommen erlebte er damals lediglich ein Revival.

Denn – Fans wissen das natürlich – Flash Gordon basiert auf dem gleichnamigen Comic von 1934, der in den 30er-Jahren wiederum in drei Serials für die Leinwand adaptiert wurde. Die liefen ihrer Zeit im Kino vor dem Hauptfilm, jede Woche eine neue Folge, und motivierten die Besucher*innen mit massiven (und oft lächerlich aufgelösten) Cliffhangern zur baldigen Rückkehr in den Saal. Nur wenige der zahlreichen Science-Fiction-Serials, die damals entstanden, sind im kollektiven Gedächtnis verblieben – Flash Gordon (1936) ist eine von ihnen. Wirft man heute einen Blick darauf, fragt man sich jedoch unweigerlich: Warum? Vor allem, da der Zwölfteiler voll ist von fragwürdigen Darstellungen von Frauen und ethnischen Minderheiten. Doch von vorn.

 

Auf nach Mongo!

44 Jahre liegen zwischen dem Flash-Gordon-Serial und seinem Langfilm-Remake. Gemein ist beiden die Handlung an sich: Der despotische Herrscher Ming (Charles Middleton) vom Planeten Mongo hat die Erde ins Visier genommen und droht mit ihrer Vernichtung. Flash Gordon (Buster Crabbe), Polospieler, Pilot und Sohn eines renommierten Wissenschaftlers in einem, ist gerade in einem Flugzeug unterwegs, wo er eine junge Frau namens Dale (Jean Rogers) kennenlernt, als die ersten Anzeichen des drohenden Weltuntergangs zu spüren sind. Flash schwingt sich heldenhaft ans Steuer und landet notgedrungen auf dem Gelände von Dr. Hans Zarkov (Frank Shannon). Der hat die Zeichen der Zeit im Gegensatz zu seinen Kollegen erkannt, ein Raumschiff gebaut und bricht zusammen mit Flash sowie mit Dale (wenn auch nur widerwillig, Frauen will er in seinem Schiff nicht sehen) nach Mongo auf, um die Erde zu retten.

 

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Was sich dann abspielt, dürfte Kenner*innen des 1980er-Films ebenfalls vertraut vorkommen: Das Trio wird gefangen genommen und vor Ming geführt, der Dale zur Heirat zwingen will und Zarkov zum Untergebenen macht. Seine Tochter Aura (Priscilla Lawson) hat derweil ein Auge auf Flash geworfen. Ming entschließt sich jedoch dazu, den blonden Adonis in der Arena sterben zu lassen. Der Erdling entkommt, sucht sich Verbündete, darunter die Löwen- und die Falkenmenschen, und holt – nach einigen internen Streitigkeiten – gemeinsam mit ihnen zum Gegenschlag aus.

Obwohl in der Gegenwart angesiedelt, gehört Flash Gordon dennoch ins Genre der Science-Fiction respektive ins Subgenre der Space Operas. Das Serial dreht sich immerhin um böse Imperatoren, Prinzessinnen und Prinzen, Magier und allerhand Monster. Was in der Rückschau freilich zuerst ins Auge sticht, sind jedoch die (pseudo-)wissenschaftlichen Ansätze und die damit verbundenen ästhetischen Entscheidungen, die nach heutigen Maßstäben doch sehr, sagen wir, eigen wirken. Dass Spulen, Zylinder und Reagenzgläser aller Formen und Größen Zarkovs Labor einen futuristischen Anstrich geben sollen und dass Raumschiffe aus massiven, schmiedeeisernen und zusammengenieteten Stahlplatten gefertigt sind (eine frühe Form dessen, was man heute Steampunk nennt), ist natürlich eine Folge des damaligen Standes der Technik und wirkte seinerzeit schlicht modern, en vogue, zukunftsträchtig. Heute allerdings weniger, weshalb sich das Serial (im Gegensatz zum Film) den Terminus „Retro-SciFi“ redlich verdient hat.

 

Modische Eskapaden

Mit solchen Aspekten wollen wir uns aber nicht lange aufhalten. Am Interessantesten ist bezüglich der Ästhetik noch der Blick auf die modischen Gepflogenheiten auf Mongo. Sicher: Dass die Helden in schimmernd glänzender Rüstung auftreten während die Schurken schwarz bevorzugen, war seinerzeit nötig, um dem Publikum (vor allem jenen, die ein paar Folgen verpasst hatten) auf den ersten Blick zu verdeutlichen, welche Figur auf welcher Seite steht. Beachtenswert sind jedoch die modischen Differenzen zwischen Frau und Mann: Während Erstere allesamt in wallende, elegante Kleider gehüllt sind, zeigt der maskuline Raumreisende anno 1936 viel Bein und trägt liebend gern Shorts, die den Oberschenkel zur Gänze entblößen.

 

Auf Mongo zeigt man(n) viel Bein. © Universal

 

Die Unterschiede in der Kleiderwahl führen unmittelbar zum eigentlich relevanten Aspekt: den reaktionären Geschlechterrollen in Flash Gordon.  Mit Flash wird dem Publikum der damals zeitgenössische Prototyp des US-amerikanischen Helden vor die Füße gesetzt: Weiß, groß gebaut, sportlich, intelligent, charismatisch, blond – und hyper-aggressiv. Was sich darin äußert, dass Flash bei jeder Begegnung mit neuen Figuren und Fraktionen unmittelbar zur physischen Attacke ansetzt. Dann wird gerangelt, geschubst und geprügelt, und das selbst in Situationen, in denen zunächst alles friedlich verläuft: Fühlt sich Flash auf den Schlips getreten, setzt es Schellen.

 

Von Damseln in Distress und Dragon Ladies

Bei den weiblichen Figuren fällt die Stereotypisierung drastischer aus. Abgesehen von einigen Konkubinen in Mings Harem gibt es im Verlauf der zwölf Episoden lediglich zwei weibliche Sprechrollen: Dale und Prinzessin Aura. Und beide treibt nur eine Motivation an: die Zuneigung von Flash, dem sie von ihrer Begegnung an völlig verfallen sind und um den beide inbrünstig buhlen.

 

Die Geschlechterrollen sind in „Flash Gordon“ klar nach sehr alten Mustern verteilt © Universal

 

Wenn der Mann zum Sinn allen Agierens und Denkens wird, hat das spürbare Auswirkungen auf die eigene Handlungsfähigkeit. So überrascht es (leider) nicht, dass Dale zu völliger Passivität verdammt ist und sich ihrem Schicksal als neue Konkubine Mings fügt. Die filmische Neuauflage gestand ihr immerhin noch zu, sich selbst aus der Gefangenschaft zu befreien und dabei sogar mehrere Wachen zu überrumpeln. Im Serial hingegen hat Dale in kritischen Situationen die kontraproduktive Angewohnheit, in ohrenbetäubendes Schreien zu verfallen oder das Bewusstsein zu verlieren. Manchmal sogar beides zugleich. Viel zu sagen hat sie aber ohnehin nicht, außer drei einfache, mit herzzerreißender Hingabe wiederholt vorgetragene Worte: „Wo ist Flash?“ Eine perfekte Damsel in Distress also: ein hilfloses Objekt der Begierde, des Begehrtwerdens und der Rettung.

Konterkariert wird Dale von Aura, Mings Tochter und Verkörperung einer Dragon Lady, das heißt, einer eleganten, aber auch intriganten Frauenfigur, die alles tut, um die Zuneigung des Mannes zu erlangen, zur Not auch gegen ihren Vater zu konspirieren, unter anderem durch den Einsatz von Zaubern oder einem Gedächtnisverlust-Trank. Zwar war der Stereotyp der Dragon Lady im Prä-WW2-Hollywood vornehmlich sino-amerikanischen Schauspielerinnen wie Anna May Wong respektive ihren Rollen vorbehalten. Aura füllt ihn dennoch aus – nicht zuletzt wegen ihrer Abstammung, was unmittelbar zum Rassismusproblem in Flash Gordon führt.

 

Yellowfacing im Weltraum

Um dies zunächst einmal festzuhalten: People of Color kommen – im Gegensatz zum diversen und nicht nur visuell farbenfrohen Figurenarsenal der Neuverfilmung – im Serial an keiner Stelle vor. Weiße und männliche Rollen dominieren das Geschehen. Einzige „Ausnahme“: Antagonist Ming, der sowohl seinem Namen als auch Aussehen nach asiatisch anmuten soll. Charles Middleton wurde dafür eine ordentliche Yellowfacing-Kur verpasst. (Haupt-)Figuren asiatischer Herkunft wurden im Hollywood der 20er- und 30er-Jahre üblicherweise nicht mit Sino-Amerikanern besetzt, sondern mit per Make-Up entstellten Weißen.

 

Ming (rechts) verkörperte seinerzeit die in den USA verbreitete Angst von der „Gelben Gefahr“. © Universal

 

Zwar handelt es sich bei Ming um den Herrscher eines fernen Planeten, dennoch wurde auch in der Science-Fiction der 1930er ein ostasiatisches Erscheinungsbild bemüht, um den Eindruck des Exotischen und Gefährlichen zu erwecken. (Im Film, in dem Max von Sydow Ming verkörperte, konnte man sich ebenfalls nicht von diesem Stereotyp lösen.) Die Angst vor der „Gelben Gefahr“ befand sich damals in den USA auf ihrem Höhepunkt, wie sie etwa auch durch die Figur des Fu Manchu in ihren zahlreichen Inkarnationen repräsentiert wurde: Den aggressiven, expandierenden Feind sah man damals noch westlich des Pazifiks und nicht östlich des Atlantiks, wo Nazi-Deutschland bereits zum Krieg rüstete.

Flash Gordon ist freilich nur eines von vielen Beispielen, in denen die rassistische Praxis des Yellowfacing und all ihre Implikationen Anwendung fand. Dennoch bildet das Serial eine gewisse Bandbreite rassistischer und auch sexistischer Stereotype der damaligen Zeit ab. Zusammen mit der Erzählung rund um einen Weißen Helden, der die unterdrückten Völker auf Mongo zum Widerstand gegen den (orientalischen) Despoten animiert, baut Flash Gordon ein passgenaues White-Saviour-Narrativ auf – nur eben diesmal im Weltall.

 

Die Zukunft ist da!

Trotz all dieser notwendigen Kritik kann man Flash Gordon einen gewissen Unterhaltungswert auch im Jahre 2020 nicht absprechen. Es ist also wenig verwunderlich, dass das Serial damals einen Nerv traf und 1939 im Geiste sowie mit dem gleichen Hauptdarsteller fortgeführt wurde. Buck Rogers lauteten sowohl der Name des Helden, der abermals von Buster Crabbe verkörpert wurde (welcher hier im Prinzip die gleiche Figur spielt), als auch der Titel des Serials, das heute vor allem wegen seiner stilistischen und inhaltlichen Einflüsse auf George Lucas und Star Wars bekannt sein dürfte. Und welches – im Gegensatz zu Flash Gordon – reinrassige Science-Fiction ist. Heißt: Die Zukunft ist da! In die verschlägt es den Piloten Buck Rogers und seinen Begleiter Buddy (Jackie Moran), als sie sich bei einem Zeppelinabsturz mittels eines speziellen Gases selbst in Stase versetzen, überdies einfrieren – und erst 500 Jahre später geweckt werden.

In dieser Zukunft wird die Welt vom despotischen Killer Kane (Anthony Warde) beherrscht, der unliebsame Gegenspieler mittels gedankensteuernder Helme zu willenlosen Sklaven macht. Rogers hingegen schließt sich den Rebellen an, und trotz des massiven Kulturschocks, den er eigentlich erleiden müsste (Raumschiffe! Gravitationsgürtel! Per Radioaktivität betriebene Teleporter!), fühlt sich der Held sofort heimisch, weiß (erneut als blonder Prototyp des US-amerikanischen Heros) bestens über die Welt und politische Lage Bescheid und bricht deshalb bereits in der zweiten Episode als Repräsentant der Rebellen zum Saturn auf, um die dortigen Einwohner für den Kampf der Unterdrückten zu gewinnen.

 

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Jap, der Saturn besteht im Jahr 2538 nicht mehr aus Gas, sondern aus massiven Felsen samt Höhlensystemen, in denen ein Volk lebt, das zwar demokratisch regiert wird, aber trotzdem noch eine Thronfolge hat. Auftritt Prinz Tallen, in dessen Figur sich ein zumindest dezenter Fortschritt gegenüber dem Yellowfacing-Rassismus in Flash Gordon spiegelt. Tallen wird vom Sino-Amerikaner Philson Ahn verkörpert, der im Laufe der zwölf Folgen zur wichtigsten Figur nach Rogers und Kane wird. Zwar wird seine asiatische Herkunft hier immer noch genutzt, um den Eindruck des Exotischen und Fremden zu evozieren, doch zumindest erhielt Ahn so eine sehr präsente und relevante Rolle.

 

One-Woman-Show

Wer allerdings hoffte, dass in 500 Jahren die Gleichbehandlung von Frau und Mann irgendwie vorangeschritten ist, wird in Buck Rogers eines traurigen Besseren belehrt. Im Gegenteil: Das Patriarchat hat seine Dominanz weiter ausgebaut. In der Welt von Buck Rogers gibt es lediglich eine einzige Frauenrolle, Sergeant Wilma (Constance Moore), die — natürlich — beim Widerstand verwurzelt ist und — natürlich — schon in der ersten Folge zum Love Interest des Titelhelden avanciert. Ein bisschen mehr als eine Damsel in Distress darf sie aber doch sein, zwischenzeitlich etwa mal eine Waffe halten, um die von Rogers überwältigten Wachen in Schach zu halten, oder sich sogar selbst (!) aus der Gefangenschaft in einer Zelle befreien. Und: Sie fällt nicht ein einziges Mal in Ohnmacht. Wäre das alles trotzdem nicht so traurig und würden nicht immer wieder misogyne Ausbrüche durchklingen (Rogers: „Stand back, woman!“), man könnte fast von einem Fortschritt sprechen.

Verdient fast schon die Bezeichnung „divers“: Der Cast von Buck Rogers. © Universal

 

Beim Blick auf die Technologie haben sich die Macher allerdings durchaus etwas getraut und dabei sogar ein wenig visionäre bis prophetische Kraft bewiesen. Zwar sind elektromagnetische Spulen nach wie vor Trend, ebenso Alu-Hüte (die sind ja bekanntlich auch 2020 eine große Modeerscheinung). In der Zukunft von Buck Rogers gibt es jedoch solch abenteuerliche Erfindungen wie Fernsteuerungen für Fahrzeuge und sogar – damals undenkbar – Monitore, die es erlauben, ferne Ereignisse zu visualisieren.

Und auch ein bis heute prominentes Motiv der Science-Fiction findet sich bereits in Buck Rogers: Technologie im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Repression. Während Raumschiffe und Teleporter Autonomie und Selbstbestimmung versprechen, dienen Waffen und die Helme, mit denen Killer Kane seine Gegenspieler zu Sklaven macht, diktatorischer Unterdrückung. Umso erfüllender ist es, wenn Kane am Ende seine eigene Medizin schlucken muss und durch einen ebensolchen Helm seiner Macht beraubt wird. Technologie fällt am Ende ebenjenen auf die Füße, die sie missbrauchen.

Buck Rogers eigentlich herausstechende Merkmale sind jedoch die unverkennbaren Einflüsse auf George Lucas‘ Star Wars. Da ist der berüchtigte Crawl (der schräg gestellte, in die Tiefen des Bildes verschwindende Schriftzug) am Anfang jeder Folge, der die vorangegangenen Ereignisse zusammenfasst. Da ist die abenteuerliche Technologie und die von jeglicher Ambivalenz befreite Einteilung in Gut und Böse (Grautöne gibt es hier nur in der nicht vorhandenen Farbpalette). Da sind der despotische Herrscher und seine Kanonenfutter-Soldaten, die ob ihrer völligen Unfähigkeit Zweifel daran aufkommen lassen, wie Killer Kane jemals in seine Machtposition gelangen konnte. Dass der überwältigende Erfolg von Eine neue Hoffnung im Jahr 1977 letztlich zum Remake von Flash Gordon führte (die Studios spürten plötzlich, dass mit Space Operas rund um Magier, Prinzessinnen und Konflikte in fernen Welten viel Geld zu machen ist), ist ein netter historischer Zirkelschluss.

 

Wer sich selbst einen Eindruck von Flash Gordon und Buck Rogers verschaffen will: Die insgesamt sechs Serials mit Buster Crabbe sind alle auf YouTube verfügbar.

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