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Von Kindern und Monstern

Ein Beitrag von Rochus Wolff

Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, als ich mit meinen Eltern und Geschwistern Tanz der Vampire gesehen habe. Wir waren jedenfalls noch nicht alle alt genug, denn der Familiensage nach konnte zumindest eines der Kinder anschließend monatelang nicht allein auf Toilette gehen.

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Uncle Fester und Lurch aus der TV-Serie "The Munsters"
Uncle Fester und Lurch aus der TV-Serie "The Munsters"

Zu eindrücklich waren die Vampire doch gewesen, auch zu bedrohlich — und der Humor dahinter war für unsere Kinderaugen noch nicht so recht zu erkennen

Graf von Krolock, sein Sohn und ihre Abendgesellschaft prägten damit auf lange Jahre, wie ich mir Vampire vorstellte; immerhin waren das konkretere Bilder als die Ideen von mordenden Mumien, die sich im zarten Alter von neun Jahren nach Hören eines Gruselhörspiels in meinem Kopf festgesetzt hatten.

Das war es dann damals auch schon. Mit weniger Fernsehprogrammen und ohne Videorekorder waren mir seinerzeit auch Programme wie Die Munsters verschlossen, sie waren schlichtweg unbekannt. Vielleicht haben die Kinder von heute es da ein wenig besser, weil man für sie eine sanfte Heranführung an die Monstren gewissermaßen handverlesen zusammenstellen kann. Beziehungsweise: Das machen sie schon selbst, wenn sich die Eltern nicht kümmern.

Alle klassischen Figuren des Universal-Monsterkosmos, vom Unsichtbaren über die Mumie und Frankensteins Monster bis hin zu Vampiren, sind inzwischen so fest als kulturelle Gemeinplätze installiert, dass sie nicht nur als Graf Zahl in der Sesamstraße erscheinen, sondern auch als typische Schülerinnen im Goth-Look zu finden sind (Monster High), und mit Hotel Transsilvanien, das sehr, sehr viele Ideen den Munsters und natürlich der Addams Family verdankt, wurde gleich der gesamte Monsterkosmos in ein grundschülertaugliches Format gepackt.

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Das ist eine eigentlich sehr komische Variante, in der die Monster freundliche Wesen sind, die am liebsten unter sich bleiben und von der Ankunft eines freundlichen Menschen völlig verunsichert, gar verängstigt sind und aus dem Häuschen geraten. Das eigentlich Überraschende daran ist, dass es auch für Kinder weitgehend funktioniert, die die Universal-Monster noch gar nicht kennen, auch weil sie ihnen schon in ihrer Urform (von den zeitgenössischen, blutig-brutaleren Varianten zu schweigen) schon zu viel Angst einjagen würden.

Das bedeutet einerseits, dass Kinder diese klassischen Monster eben wirklich schon kennen, ohne sie je in Filmen gesehen zu haben. Andererseits fehlt den Monstren genau das, was sie eigentlich ausmacht: der Grusel, die vage Bedrohlichkeit. In Hotel Transsilvanien sind nicht die Monster das Fremde, das Andere, es ist der Mensch, der ahnungslos ins Hotel spaziert. Daraus zieht der Film nicht nur seine Komik, er wendet auch das Thema, das den Monsterfilm von Anbeginn unterschwellig beschäftigt, gegen uns: Die Furcht vor dem Anderen ist die Furcht vor uns Menschen. (Und im Grunde hat, mit weniger klassischen Monstern, Pixar mit Monster AG schon ähnliches versucht.)

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Nicht nur im Kinderfilm, aber dort besonders ist das Monströse nicht immer automatisch auch das Böse. Es kann zu allererst das Andere sein, das Fremde vielleicht; und gerne zeigt sich dann, dass es vor allem die Erwachsenen sind, die diesem Fremden mit Argwohn und Angst gegenübertreten. Zu einer der Tropen des Monsterfilms gehört schließlich das unschuldige Kind, welches als einziges hinter die schröckliche Fassade blickt.

Das gibt es schon in James Whales Frankenstein, aber zu wirksamster Sichtbarkeit hat ihm womöglich Steven Spielberg mit E.T. — Der Außerirdische verholfen. Während die Erwachsenen nur Bedrohung sehen und Angst kennen, sind die Kinder in ihrer unschuldigen Offenheit längst im Gespräch mit dem Fremden — und verstehen nicht nur seine Einsamkeit, sondern auch seine ganz basalen Bedürfnisse. Man kann daraus gerne eine Parabel ablesen, wie wir Menschen untereinander umgehen, wie wir auf Neuankömmlinge, Fremde, Flüchtlinge reagieren.

Spielberg verpackt diese Geschichte in einen Rahmen, der für seine Filme geradezu archetypisch ist: die amerikanische Kleinstadt, in der sich alle kennen, und die dann auf einmal überrannt wird von Militär und der Welt da draußen. J.J. Abrams hat dem in Super 8 ein aktualisiertes Denkmal gesetzt, das man allerdings wiederum erst älteren Kindern zeigen sollte, weil es mit wesentlich mehr Action und Bedrohungsgefühl daherkommt. Aber das lohnt sich allein wegen der kleinen Szene mit Elle Fanning am Bahnhof, kurz vor dem Zugunglück …

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Man kann sich so, wenn man das möchte, mit interessierten Kindern doch ganz gut mit geeigneten Monstern durch die Lebensjahre hangeln — beginnend mit den leichtfüßigeren Komödien, bevor man sich schließlich im sicheren heimischen Wohnzimmer langsam an die Monsterfilme der 1930er Jahre heranwagt. Und dann gäbe es eben noch einen schönen kleinen Film von 1987, der viel zu wenig bekannt ist, aber doch noch einmal wie ein Metakommentar zum Monsterbild funktioniert.

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Trailer zu The Monster Squad

 

Monster Busters (im Original The Monster Squad) von Fred Dekker findet auch in einem sehr Spielberg’schem Setting statt: eine eingeschworene Gruppe von Freunden, alles nerd-artige Außenseiter, ein, zwei Mädchen als Sidekicks dazu (der Geschlechteraspekt wäre hier einen eigenen Text wert). Graf Dracula kommt in die amerikanische Kleinstadt, weil ein Amulett es ihm ermöglichen könnte, gemeinsam mit Frankensteins Monster, der Mumie, dem Kiemenmenschen und einem Werwolf die Herrschaft über die Welt an sich zu reißen. Den jungen Freunden fällt das Tagebuch von Abraham Van Helsing in die Hände, und gemeinsam machen sie sich daran, Draculas Plan zu verhindern — das Militär, das muss sein, kommt am Schluss auch noch dazu.

Das erinnert in Ton und Gestus alles sehr an Die Goonies; die Monster sind natürlich nicht ironisch, sondern wirklich bedrohlich (auch wenn, mit Verlaub, die deutsche Jugendfreigabe ab 16 sehr übertrieben ist), aber der Ton ist durch das ganze Abenteuer hindurch nie ganz ernst, woran auch der großartige Shane Black als Co-Autor seinen Anteil haben dürfte.

Und auch wenn Gut und Böse klar verteilt zu sein scheint, so gibt es doch einiges zu lernen: Nicht alle Monstren sind böse, und auch den Menschen sieht man nicht unbedingt an, was sie umtreibt und bewegt. So ist Monster Busters ein perfekter kleiner Film für etwas ältere Kinder, die vor den Monstren selbst nur so viel Angst haben, dass es bei der Vorstellung, im Schrank könnte wirklich eine Mumie sitzen, nur ein wenig im Bauch kitzelt.

Die wirklichen Schrecken deuten sich dann auch nur an. Denn die Jungs vom „Monster Squad“ brauchen für das auf Deutsch geschriebene Tagebuch von Van Helsing die Hilfe eines Einwanderers, den alle nur „Scary German Guy“ nennen. Dieser stellt sich als ziemlich freundlicher alter Herr heraus, den wenig schreckt. Er habe, sagt er, gewisse Erfahrungen mit Monstern sammeln können.

Auf seinem Arm ist eine Nummer tätowiert. Von den wahren Schrecken dieser Welt schweigt Monster Busters. In meiner nächsten Kolumne wird die Rede sein von Kinderfilmen, die versuchen, genau darüber zu sprechen.

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