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Trash und trojanische Pferde – Wie Crowdfunding dem Kino helfen kann

Ein Beitrag von Lucas Barwenczik

Kung Fu-Polizisten, aggressive Spielautomaten und Wikinger, Laser-Velociraptoren, Hitler auf Zeitreisen, der Donnergott Thor und sogar David Hasselhoff — was klingt wie der wüste Fiebertraum eines Trash-Enthusiasten, ist in Wahrheit „Kung Fury“, eine Martial Arts-Parodie des schwedischen Regisseurs David Sandberg.

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Filmplakat von "Kung Fury"
Filmplakat von "Kung Fury"

Mehr als 10 Millionen Mal wurde der absurde Kurzfilm seit seiner Veröffentlichung am vergangenen Freitag auf YouTube angesehen. Zuvor wurde er in der Sektion „Quinzaine des Réalisateurs“ bei Filmfestspielen in Cannes gezeigt. Doch die Hommage an die Action- und Polizei-Filme der achtziger Jahre wurde nicht von einem klassischen Studio finanziert, sondern über die Crowdfunding-Seite Kickstarter. Über siebzehntausend Fans, die nicht länger in einer Welt ohne Dinosaurier-Cops und den „Kung Führer“ leben wollten, trugen stattliche 630.000 Dollar zusammen.

Es ist nur einer von vielen Filmen, dessen Produktion erst durch Geldgeber auf öffentlichen Internet-Plattformen möglich geworden ist. Für den Film zur populären US-Serie Veronica Mars wurden fast 6 Millionen Dollar gespendet. Selbst etablierte Regisseure wie Spike Lee (Da Sweet Blood of Jesus), Alejandro Jodorowsky (Endless Poetry), Charlie Kaufman (Anomalisa), Paul Schrader (The Canyons) oder Zach Braff (Wish I Was Here) haben das Geld für ihre letzten Projekte von der Schwarmintelligenz des Internets zusammentragen lassen. Aktuell versuchen sich auch etwa Uwe Boll oder Abel Ferrara daran. Was sie alle ausgerechnet ins Internet treibt, ist zumindest vordergründig schnell erklärt: Den meisten geht es um kreative Unabhängigkeit. Darum, etwas zu realisieren, für das der offensichtliche Markt fehlt. (Die Ausnahme ist Uwe Boll, der mittlerweile einfach verzweifelt nach jedem Strohhalm greift, der ihn im Filmgeschäft halten könnte.) Nicht länger sollen Produzenten ihnen ins Handwerk pfuschen, die immer eine große Masse, aber selten nur eine Nische ansprechen wollen. Wie mit jeder neuen technologischen Entwicklung ist auch mit Kickstarter eine große Hoffnung verbunden. „Hell, there are no rules here — we’re trying to accomplish something.“ zitiert Zach Braff den Erfinder Thomas Edison auf seiner Kickstarter-Seite. 

Doch sieht man sich die meistfinanzierten Projekte in den Videobereichen der Seiten an, merkt man schnell, dass dort durchaus Regeln herrschen — nur eben andere, als bei klassischen Produktionsmodellen. Das Korsett bleibt, es nimmt nur eine andere Form an. In gewisser Weise wird es sogar enger und schrumpft mit der Zielgruppe. Mit seiner Affinität zu Popkultur und der nostalgischen Ausrichtung steht Kung Fury stellvertretend für die Art Film, die auf den Crowdfunding-Plattformen besonderen Erfolg feiern. Der Eindruck wird erweckt, ein Logarithmus hätte Reddit, Tumblr und diverse Meme-Seiten analysiert, populäre Versatzstücke ausgewählt und ein in GIFs und Catchphrases zerlegbares Green Screen-Chaos daraus kreiert. Alles ein bisschen bemüht, vielleicht für seine 30 Minuten noch ganz spaßig, aber mehr leider auch nicht. Was auf den ersten Blick überschäumend kreativ und verrückt wirkt, ist bei näherem Betrachten leicht als äußerst kalkuliert erkennbar. 

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Der Kurzfilm Kung Fury

 

Müsste man die Regeln für Crowdfunding im Videobereich formulieren, sie würden ungefähr so lauten:

1. Du sollst bereits im Vorfeld einen bekannten Namen und/oder eine große Fanbasis für deine Idee haben. Denn nur so wird dir die nötige Medienaufmerksamkeit zuteil, um auch größere Unternehmungen stemmen zu können.

2. Du sollst deine Ästhetik mit jener des diffusen Konglomerats „Netzgemeinde“ gemein machen, denn sie sind deine neuen Finanziers. Erfolg hat, was in den Foren und auf Twitter ankommt; was sich gut Zusammenfassen und viral verbreiten lässt. Nazis mit einem Bindestrich versehen ist schon einmal ein guter Anfang: Mond-Nazis (Iron Sky), Zombie-Nazis (Sky Sharks), zeitreisende Kung-Fu-Nazis (Kung Fury). Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, vorausgesetzt, Hitler macht wirklich abgedrehte DingeTM.

3. Du sollst nostalgisch sein. Was früher einmal gut war, kann heute doch nicht schlecht (oder gar unprofitabel) sein.

4. Du sollst bereits Millionär sein; Geld ist nur bei denen gut aufgehoben, die schon reich sind.

Bislang sind die Erfolge der Schwarmfinanzierung überschaubar, in vielen Fällen sind sie zweifelhaft. Die zentrale Währung sind hier (neben Geld natürlich) Vertrauen und Idealismus. Crowdfunding gibt das Gefühl, an etwas Größerem teilzuhaben. Es wird in gleichem Maße finanziell wie emotional investiert. Plötzlich ist man nicht mehr neutraler Zuschauer, sondern Mitwirkender. Vielleicht findet sich sogar der eigene Name im Abspann wieder, wenn auch unter tausenden anderen. Immerhin eine Fußnote in der Filmgeschichte ist gesichert. Die Belohnungen, die man etwa bei Kickstarter oder Indiegogo stufenweise, je nach der Höhe des gespendeten Geldbetrags erhält, sind in der Regel zu vernachlässigen. Von Postkarten über Soundtracks bis hin zu Abendessen mit den Stars wird allerlei Nettes, aber eher Nebensächliches angeboten. Eine digitale Version des jeweiligen Films wird meist ab 20 Dollar geboten — ein Preis, den man für eine reguläre DVD oder Blu-ray in der Regel wohl nicht zahlen würde. Die fehlenden 25-40% des Preises darf man sich als eine Art Trinkgeld vorstellen. 

Die Frage nach der obligatorischen Spende wird von Kritikern oft als „betteln“ bezeichnet. „Hollywood lässt den Klingelbeutel kreisen“, titelt die Zeit. „Alles nur geschnorrt“, behauptet die Süddeutsche Zeitung. Als das Phänomen Crowdfunding erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, hagelte es Kritik, die vor allem auf zwei Kernfragen abzielte: Könnten Millionäre wie Zach Braff oder Spike Lee so kleine Projekte nicht einfach selbst finanzieren, statt sich von ihren Fans bezahlen zu lassen? Wäre das Geld nicht besser aufgehoben bei jungen, frischen Talenten — immerhin sind die Plattformen mit ihrem gegenwärtigen Bekanntheitsgrad auch keine unerschöpflichen Geldquellen, sondern eine begrenzte, möglicherweise nicht regenerative Geldquelle.

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Trailer zu Wish I Was Here

 

Und: Was, wenn Studios den Idealismus der Fans ausnutzen, um ihnen Tickets und DVDs lediglich zu überteuerten Preisen zu verkaufen — mit der Illusion, ihrem Star unter die Arme gegriffen zu haben? Denn oft ist das kollektive Almosen sammeln nicht das einzige Standbein einer Produktion, manchmal macht es gerade einmal einen Bruchteil der Gesamtkosten aus. Der DIY-Gedanke des Crowdfundings wurde schon oft verraten. Schraders The Canyons etwa wurde großzügig von Bekleidungshersteller American Apparel unterstützt, der nicht nur sämtliche Kostüme beisteuerte, sondern die Produktion auch anderweitig als Werbefläche benutzte. Wish I Was Here holte zusätzlich zu den Fangeldern noch die Produktionsfirma Worldview Entertainment (zuletzt verantwortlich für z.B. Birdman oder The Outsider) ins Boot. Der Film zur Pro7-Serie Stromberg bezog weniger als ein Drittel seines Budgets aus Crowdfunding — der Rest stammt von der Produktionsfirma Brainpool und aus Filmfördermitteln. Immerhin: Einen Teil ihrer Investition erhielten die Fans in diesem Fall sogar in Form von Renditen zurück — das ist jedoch eher unüblich beim Crowdfunding, wo der Ertrag meist nur aus einem guten Gefühl besteht. Wirklich reinreden lassen wollen die Firmen sich nicht. „Natürlich besteht dann immer die Gefahr, dass alle Crowd-Funder mitreden wollen — und das wird spaßig“, fasst Martin Moszkowicz von Constantin Film zusammen, was wohl viele Studios über das Konzept denken.

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Trailer zu Stromberg — Der Film

 

Tatsächlich zehrt jeder Fall, in dem es nur darum geht, der Zielgruppe das Geld aus der Tasche zu ziehen, an dem Vertrauens-Kapital. Außerhalb der Filmfinanzierung gab es genug Fälle von Crowdfunding, in denen trotz großer Geldsummen nie ein fertiges Produkt entstanden ist, andere blieben hinter den Erwartungen zurück.

Und trotz all dieser Risiken kann die Schwarmfinanzierung ein großer Hoffnungsträger für jeden Cineasten sein. Neben der Filmförderung kann sie, gerade im Indie- und Arthouse-Bereich, eine Möglichkeit werden, frische, originelle, und mutige Ideen zu ermöglichen, die im Studiokontext keinen Platz finden. Natürlich gilt hier immer noch das Gesetz von Angebot und Nachfrage, aber durch die internationale Vernetzung von Partikularinteressen entstehen neue Möglichkeiten, die zuvor nicht gegeben waren.

Doch damit das wirklich passiert, muss sich die Filmfan-Gemeinde im Netz der oben aufgezählten Regeln entledigen. Jeder soll für das bezahlen, für das er bezahlen will. Aber manchmal sollte man sich auch kritisch überlegen, ob das, was man sich wünscht, wirklich über diesen Kanal entstehen muss. Oder kann.

Kung Fury, die Iron Sky-Filme oder Sky Sharks sind gute Beispiele für Ideen, die nur scheitern können. Sie alle bedienen sich der heut so populären Ästhetik des Neo-Trash. Es sind Filme, die mit dem vollen Bewusstsein gedreht wurden, dass das Ergebnis mies wird. Das Problem: So schlecht, dass sie beim Zuschauen wieder Spaß machen, werden Filme nur, wenn es wirklich „Passion Projects“ waren. Troll 2, The Room oder Plan 9 aus dem Weltall zeigen: Jeder kann scheitern, aber für ein Desaster bedarf es echter Leidenschaft. Kinofans dürfen sich nicht von den berechnenden Nostalgikern ködern lassen, die ihnen die Droge Vergangenheit verkaufen.

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Trailer zu Iron Sky

 

Große Namen sollten für ein gesundes Misstrauen sorgen, genau wie bekannte Marken und Serien: Ist der Spender hier blauäugiger Erfüllungsgehilfe oder trägt er wirklich zu etwas Neuem bei? Dabei kommt der Filmberichterstattung eine besondere Bedeutung zu: Sie muss kleine, innovative Projekte besprechen und hervorheben, ohne sich zu sehr mit einer Sache gemein zu machen. Recherche ist nötig: Ist Indie drin, wo Indie draufsteht? Statt allein auf die Sogkraft großer Namen zu setzen, sollte guten Ideen ein angemessener Raum gegeben werden. Wenn auch nur jede fünfte Superhelden-News oder jedes zehnte Casting-Gerücht der Berichterstattung über ein tolles Crowdfunding-Projekt weicht, ist schon viel gewonnen.

Natürlich geht es in vielen Fällen um Spekulation, jede Investition ist mit einem Risiko verbunden: Aber eine Wette auf die mögliche Zukunft des Indie-Kinos ist besser angelegtes Geld als die x-te Kinokarte für einen formelhaften Tentpole-Blockbuster. Vielleicht ist, was die Online-Schwärme hervorbringen werden, genau so langweilig und gleichförmig wie das, was Produzenten in grauen Büroräumen bewilligen. 

Lassen wir es doch einfach mal drauf ankommen.

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