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Schnauft noch recht lebendig: die politische Filmkritik

Ein Beitrag von Rochus Wolff

Wolfgang M. Schmitt meint, die deutschsprachige Filmkritik verschlafe die „neurechte Vulgärideologiekritik“ und übersehe den Autoritarismus im Herzen der Superheld_innenfilme. Eine Replik von Rochus Wolff.

Meinungen
Black Panther - Bild
Black Panther - Bild

Der Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt ist vor allem für die Filmkritiken seines YouTube-Kanals „Filmanalyse“ bekannt, in denen er bewusst distanziert über Filme aller Genres und Qualitätsstufen spricht, immer mit dem Anspruch, Film- mit Ideologiekritik zu verbinden, Filme auch politisch zu verstehen und einzuordnen.

 

Atomstrom ist ein politisches Thema!

Politische Perspektiven aufs Kino möchte man natürlich eher öfter als seltener lesen, denn tatsächlich, da bin ich mit Schmitt völlig d’accord, steckt in jedem Film Politik in irgendeiner Form drin. Schmitt stellt allerdings die Politik sehr weit in den Vordergrund. Zoomania zum Beispiel kann er nur bedingt etwas abgewinnen, weil ihm der Film nicht revolutionär genug ist; dann interessieren ihn aber eben auch nur ideologiekritische Fragen; Ästhetik, Eigenheiten des Krimigenres, all das spielt für seine „Analyse“ keine Rolle.

Wie gesagt: Kann man machen. Schmitts perspektivische Beschränkung kommt nun aber auch in einem Essay zu tragen, den er vor einigen Tagen in der Neues Deutschland veröffentlicht hat. Darin klagt er, die „deutschsprachige Filmkritik [schlafe] seit vielen Jahren den Schlaf der vermeintlich Gerechten“, nachdem spätestens Ende der 1980er Jahre die „ideologiekritische Filmkritik als gestrig desavouiert und abgewickelt worden“ war. Seitdem „umarmte [die Filmkritik] nun ohne schlechtes Gewissen, das einem einst die Frankfurter Schule eingeredet hatte, den kulturindustriellen Mainstream.“ Die Folge: „Der ideologische Gehalt von Filmen blieb unberücksichtigt, Unterhaltung wurde zum entscheidenden Bewertungskriterium.“

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Lassen wir mal beiseite, dass es natürlich auch schon vor den 1980ern Filmkritik gab, die sich primär am Unterhaltungswert der Filme orientierte; aber zu behaupten, dass die deutschsprachige Filmkritik – zumindest solche, die nicht im Schmitt’schen Sinne ideologiekritisch vorgehe – Film generell als „kontextunabhängig“ wahrnehme, keine gesellschaftlichen oder politischen Bezüge herstelle, ist dann doch sehr weit hergeholt. Es ignoriert nicht nur jene Filmkritik, die bewusst ästhetische und politische Fragen zu verbinden versucht (und für die man zahlreiche Beispiele z.B. bei den Kolleg_innen von critic.de und artechock.de oder hier auf kino-zeit.de findet), sondern insbesondere auch feministische und antirassistische Perspektiven. (Dazu später noch mehr – aber ich möchte mir die ironische Spitze nicht verkneifen, dass es sich bei der Unterdrückung der Frauen und Schwarzen natürlich für einen traditionell Linken nur um Nebenwidersprüche handelt, über die man also einfach hinwegzugehen glauben meinen könnte. Naja.)

 

Wir stoppen die Rechten nicht durch Filmkritik

Schmitt hat nun aber den Eindruck, die Lücke, die durch die Abwesenheit einer linken Ideologiekritik entstanden sei, werde durch eine „neurechte Vulgärideologiekritik“ gefüllt. „Denn auch die Neuen Rechten lieben […] Hollywoodfilme. Auch sie wollen unterhalten werden“, nutzen nun solche Filme aber dazu, politische Werte zu vermitteln. Mir persönlich ist nicht ganz klar, wie eine linke Ideologiekritik verhindern sollte, dass die Rechte Filme in ihrem Sinne interpretiert – zumal Schmitts Ideologiekritik ja gerade zeigen soll, dass in vielen Filmen ein reaktionärer Kern stecke, und somit den von ihm zitierten rechten und identitären Publizisten eigentlich eher Recht gibt.

Jedenfalls ist es nicht so, dass die lieben Kritiker_innen nicht wüssten, wes Geistes Kind manche der von ihnen besprochenen Filme sind. Schmitt verweist ausdrücklich auf Zack Snyders reaktionären Schinken 300, der in neurechten Kreisen so äußerst beliebt sei. Lukas Foerster schrieb im März 2007, zum Kinostart des Films, ohne Umschweife auf critic.de: „300 ist offen faschistoid, gewaltverherrlichend und rassistisch.“ Rüdiger Suchsland fand den Film zwar hauptsächlich „unfreiwillig lächerlich“, sah aber zugleich darin eben auch „rassistisches Propagandakino“. Und hier bei Kino-Zeit fielen Joachim Kurz „die Kriegsrhetorik, die permanent dümmliche Klischees über Heldenmut, Opferbereitschaft und Gnadenlosigkeit und weitere pubertäre Plattitüden“ ins Auge: „ein Propagandafilm von George W. Bush zur Fortsetzung seines „war on terror“ hätte nicht schlimmer ausfallen können.“

300; Copyright: Warner Bros.
300; Copyright: Warner Bros.

Soweit sich sagen lässt, hat keine dieser klaren Feststellungen irgendeine_n rechte_n Publizisten oder Publizistin davon abgehalten, 300 gut zu finden. Die Kritiker blickten allerdings noch etwas weiter als auf den explizit sichtbaren politischen Inhalt. Foerster qualifiziert den Film später in seiner Kritik noch als „homophob und […] implizit sexistisch. Und nicht zuletzt frei von jeglicher Ironie. Für die politische Kritik stellt Snyders Film ein gefundenes Fressen dar. Allzu ergiebig ist 300 in dieser Hinsicht dennoch nicht. Schließlich enthält noch fast jede Comicverfilmung der letzten Jahre faschistoide Momente und einem Actionfilm Gewaltverherrlichung vorzuwerfen, ist ein allzu einfaches und meist wenig produktives Unterfangen. Außerdem führt 300 seine eigene politische Ausrichtung – unfreiwillig – mittels gnadenlos pathetischer Übersteigerung ad absurdum.“

Diese Übersteigerung spielt offenbar für die Inanspruchnahme des Films durch rechte Publizist_innen keine Rolle. Wie sie überhaupt sich ästhetisch, aber auch inhaltlich im Zweifel jene Rosinen aus einem Film picken, die ihnen in den Kram passen. So überrascht es eben nicht, dass auch Fight Club „zu den Lieblingsfilmen der Neuen Rechten zählt“, der sich mit natürlich auch als linksrevolutionäre Kritik an Kapitalismus und toxischer Männlichkeit lesen ließe; und sogar Matrix wird vereinnahmt: Wer die „rote Pille“ genommen habe, sehe endlich hinter der Scheinwelt, die angeblich „wahren“ Machtverhältnisse. Dass diese Interpretationen, selektiven Umdeutungen eine gezielte Strategie vor allem der „Identitären“ sind, haben schon vor einiger Zeit Arno Frank in der taz und Till Mischko (ebenfalls in Neues Deutschland) beschrieben.

 

Der Interpretationen ist kein Ende

Und natürlich ist gegen solche Deutungen kein Kraut gewachsen. Jedes Artefakt – um nicht gleich von Kunstwerk zu sprechen –, selbst ein banaler Hollywoodfilm, lässt sich immer in unterschiedlicher Weise interpretieren. Das wird auch der Germanist Wolfgang M. Schmitt wissen, auch wenn er in seinen eigenen Filmanalysen stilistisch eher zu apodiktischen Aussagen neigt.

Das ist manchmal anstrengend und doof, meistens aber wunderbar, weil diese ganzen interessanten Gespräche über Film, Ideologie, Ästhetik und Gedöns sonst gar nicht möglich und darüber hinaus Literatur- und Filmwissenschaft weitgehend arbeitslos wären.

Und natürlich liefert diese Offenheit auch Scheunentore für reaktionäre Kräfte, durch die sie in die Popkultur hineinspazieren und versuchen können, diese für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Bei manchen Filmen geht das leichter – Fight Club zum Beispiel trägt seine Ambivalenzen und politischen Themen sehr dicht subkutan –, bei manchen wird es vermutlich schon schwieriger. Es wäre etwa spannend, ob sich Verhoevens Starship Troopers (dem früher ja der Vorwurf gemacht wurde, einer faschistischen Ästhetik nach dem Munde zu filmen) wirklich für eine neurechte Ideologie vereinnahmen ließe, ohne wesentliche Teile des Films zu ignorieren.

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Im letzten Teil seines Textes greift Schmitt seine Beobachtung auf, dass neurechte Publizist_innen zuletzt sogar Black Panther für sich entdeckt haben und den Film in ihrem Sinne interpretieren wollen. Dabei komme ihnen etwas zupass, was letztlich auf alle Erzählungen von Superheld_innen zutreffe: „Und zu fragen wäre auch, ob nicht die das Mainstreamkino dominierenden Superheldenfilme gut in die Zeit eines neuen Autoritarismus passen. Die Bürger kommen in diesen Werken bloß noch als Claqueure vor, die Geschicke der Welt liegen in den Händen von T’Challa, Thanos, Thor und anderen Übermenschen. Eines nämlich eint die diversen neurechten Strömungen: Sie alle sind antiegalitär.“

D’Oh. Dass Superheld_innenfilme nicht unbedingt egalitär orientiert sind, ist ja nun wirklich keine Überraschung; das ist Teil ihrer Anziehungskraft und Teil ihrer Probleme. Die besseren Exemplare unter ihnen verhandeln dies als Problem, auch wenn sie sich nicht trauen, im Sinne einer Selbstabschaffung die letzten Konsequenzen daraus zu ziehen. Als Gretchenfrage taucht das schon 2004 im Trickfilm Die Unglaublichen auf, wenn Mutter Helen (aka Elastigirl) mit ihrem superschnellen Sohn Dash darüber diskutiert, ob er bei Sportwettbewerben seine Geschwindigkeit einsetzen dürfe: „Right now, honey, the world just wants us to fit in, and to fit in, we gotta be like everyone else.“ – „But Dad always said our powers […] made us special.“ – „Everyone’s special, Dash.“ – „Which is another way of saying no one is.“ Wenn alle gleich sind, ist niemand mehr wirklich herausragend.

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Das Problem ist ein natürlich ein strukturelles – man kann (und muss) genauso dem Gros der Actionfilme vorhalten, dass sie jedes verhandelte Problem, selbst wahnsinnig komplexe weltweite Phänomene wie Kapitalismus, Drogenhandel, oder einfach „nur“ die conditio humana schlechthin auf einen Konflikt (meist) Mann gegen Mann reduzieren, der dann am Ende mit Fäusten und/oder Schusswaffen ausgetragen wird. That‘s Entertainment, mit dem man, in Schmitts Sinne, als Filmkritiker_in nicht unbedingt einverstanden sein sollte; vielleicht genügt es aber auch, mit dem Bewusstsein zu schreiben, dass das Actionkino an und für sich nicht unbedingt ein Hort progressiver politischer Ideen ist.

 

An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen

Indem Schmitt den Begriff des „Übermenschen“ auf „T’Challa, Thanos, Thor“ und andere anwendet (schöne Alliteration übrigens), ordnet er die Superheld_innen natürlich, auf Nietzsche verweisend, schon wie selbstverständlich in eine unbedingt anti-egalitäre Weltsicht ein. Dass er dies ohne einen genaueren analytischen Blick auch auf die Unterschiede nur der drei genannten Figuren macht, wirft die Frage auf, ob er nicht an anderen Stellen ähnliche Verkürzungen in der Argumentation unterbringt.

Fraglich dürfte etwa sein, ob man in Braveheart wirklich wie die Neuen Rechten einen „Freiheitskampf für die schottische Identität“ lesen muss, was für Schmitt immerhin „naheliegt“. Ob es in Mel Gibsons Film aber wirklich um Identität geht, müsste man sich doch etwas ausführlicher ansehen. Von Black Panther hält Schmitt noch weniger: Die „Ideologie von »Black Panther« ist geradezu anti-emanzipatorisch, sie ist identitär und ethnopluralistisch: […] Wakanda ist undemokratisch, lehnt internationale Interventionen kategorisch ab und setzt auf totale Abschottung, um sowohl den Wohlstand als auch die völkische Identität zu bewahren.“

Schmitt verwendet hier völlig unironisch und affirmativ „identitär“ und „ethnopluralistisch“, beides ideologische Kampfbegriffe der Neuen Rechten, und unterstellt Black Panther, der Film verweise auf eine „völkische Identität“. Das ist, um es mal vorsichtig zu sagen, sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Es funktioniert schon nur dann, wenn man sich die (von Schmitt ausführlich zitierten) Perspektive neurechter Publizist_innen zu eigen macht, die in Wakanda eine homogene Einheit sehen – das gibt aber der Film nicht unbedingt her, in dem Wakanda gerade eben eher als melting pot unterschiedlicher afrikanischer Kulturen präsentiert wird. (Dass in der deutschen Synchronisation dabei „our people“ – auch in Bezug auf Schwarze weltweit – öfter als „unser Volk“ übersetzt wird, spielt dabei keine Rolle, weil sich das in diesen Kontexten nicht auf die deutlich engere Bedeutung von „völkisch“ reduzieren lässt.)

Black Panther; Copyright: Disney
Black Panther; Copyright: Disney

Das heißt nicht, siehe oben, dass sich Black Panther unbedingt im Sinne einer politisch progressiven Idee interpretieren lässt; ihn aber so einfach ins Völkische zu wenden, ist dann doch eine sehr steile These. Zumal die Konflikte im Film nicht an politisch so klaren Linien geführt werden: T’Challas Antagonist Killmonger will zwar die Öffnung Wakandas zur Welt erreichen, erweist sich jedoch charakterlich als rücksichtslos und brutal – nicht zuletzt sein Umgang mit Frauen disqualifiziert ihn im Vergleich mit T’Challa deutlich.

Schmitts Ärger richtet sich aber dennoch vor allem gegen die „gegenwärtige Filmkritik, die höchstens noch pseudo-ideologiekritisch denkt“, und falsch liege, „wenn sie die identitätspolitisch korrekte Repräsentation von schwarzen Superhelden beklatscht.“ Schmitt ergänzt hier seine Kritik an der (angeblichen) „Identitätspolitik“ des Films um den rechten Kampfbegriff der „politischen Korrektheit“ – und man weiß nicht ganz genau, was er damit meint. Dass es eine „korrekte“ Repräsentation gibt? Dass es, um im Narrativ der Neuen Rechten zu bleiben, gesellschaftlichen Druck hin zu dieser „korrekten“ Repräsentation gibt? Wo aber sind sie dann, die Massen von Mainstreamfilmen, in denen Schwarze so ausführlich repräsentiert sind? Black Panther kann ja nur deshalb einen so zentralen Platz in dieser Diskussion einnehmen, weil er nicht nur erfolgreich und sichtbar ist, sondern weil er ein Solitär ist, eine völlige Ausnahmeerscheinung. Nur weil Mainstreamfilme mit primär Schwarzem Cast so selten zu sehen sind, kann speziell dieser mit einer solchen Menge politischer Bedeutung aufgeladen werden, die er inhaltlich nicht unbedingt hergibt.

 

Ein Solitär macht noch keine Revolution

Schmitt sieht in Black Panther eine „von Marvel intendierte linksliberale Identitätspolitik“, unter deren Gewand sich allerdings „eine rechte Identitätspolitik“ verberge. „Diese zu entlarven, wäre die Aufgabe von Filmkritikern.“ Leider tut er das dann seinerseits auch nicht wirklich, dabei wäre eine detaillierte Analyse sinnvoll und notwendig; keinesfalls reicht es, sich wie beschrieben auf neurechte Interpretationen und Begrifflichkeiten zu beziehen, die sich die Artefakte aus Hollywood halt so zurecht interpretieren, wie es ihnen passt.

Nicht zuletzt halte ich es für keineswegs ausgemacht, dass Black Panther als Film selbst eine politische Lektüre in dieser Hinsicht zulässt. Er ist stattdessen, so würde ich behaupten, weniger ein politisch bedeutsames Artefakt als ein politisch bedeutsamer Moment. Seine politische Wirksamkeit bezieht der Film dann daraus, dass er der erste Mega-Blockbuster in dieser Größenordnung ist, in dem fast nur Schwarze Schauspieler_innen zu sehen sind, gemacht von Schwarzen, getränkt in afrikanischen wie afro-amerikanischen Kulturen und Traditionen. Es geht also um Repräsentation, um eine Sichtbarkeit, die es bislang noch nicht gab – und die eben auch nur hergestellt werden kann, wenn Black Panther, siehe oben, kein Solitär bleibt.

Wonder Woman; Copyright: Warner Bros.
Wonder Woman; Copyright: Warner Bros.

Hier wiederholt sich unter anderen Vorzeichen eine Debatte, die es auch schon um Patty Jenkins‘ Film Wonder Woman gab, bei dem sich vor allem konservative bis reaktionäre Kritiker_innen mokierten, er sei ja gar nicht so feministisch, wie es allgemein behauptet werde. Dabei ging es auch hier eher um den Moment: Dass erstmals eine Superheldin (nebst vieler weiterer Frauen) im Zentrum einer solchen Großproduktion steht, mit einer Frau als Regisseurin, die es versteht, ihre Protagonistin nicht primär als eye candy zu inszenieren. Um zu verstehen, wie besonders das war und ist, genügt es, sich die Inszenierung von Halle Berry in Catwoman in Erinnerung zu rufen.

Indem Schmitt sich in seiner Kritik allein an den (vermeintlichen) ideologischen Inhalten von Black Panther abarbeitet, übersieht er genau jene Effekte des Films, die in die Gesellschaft abstrahlen, von den konkreten Inhalten des Films allerdings weitgehend abgekoppelt sind; und freilich bleibt aus dieser Perspektive auch kein Blick darauf, wie zum Beispiel Sprache im Film eingesetzt wird, um eine konsequente (phantastische) Vision eines Afrika zu schaffen, wie es ohne die brutale Kolonisierung des Kontinents hätte sein können.

All das ist aber nicht irrelevant; denn in Black Panther erzeugt die Verbindung von Repräsentation und afrikanischen Ästhetiken, erzeugen Anspielungen auf feministische und antirassistische Diskurse, selbst wenn sie sich im erzählten Gesellschaftsbild nur eingeschränkt niederschlagen, erzeugt zudem die Positionierung an einem bestimmten politischen Moment politische Effekte, die über die rein filmimmanente Geschichte hinausgehen. Ob Black Panther deshalb ein toller Film und ein politisch progressives Artefakt ist, können wir gerne noch in den kommenden Jahren diskutieren; aber man wird dem Film nicht gerecht, indem man ihn mit neurechtem Vokabular verkürzt. Und man wird der deutschsprachigen Filmkritik nicht gerecht, wenn man ihr pauschal vorwirft, sie habe kein Auge für politische Aspekte und Zusammenhänge.

Meinungen

Vincent · 02.03.2021

@ FeatureFilms@wordpress: Solltest du diesen Kommentar drei Jahre nach Veröffentlichung dieses wirklich großartigen Artikels (insbesondere die Stelle über "Black Panther" hat mir sehr gut gefallen), könntest du mir sagen, wie der von dir zitierte Aufsatz Eisensteins genau heißt? Das wäre sehr nett.

Abgesehen davon, finde ich, kann auch das Theoriefeld der Cultural Studies einen Beitrag zur politischen Filmkritik leisten, insbesondere im Hinblick auf Machtstrukturen. Es muss also nicht immer die "Frankfurter Schule" sein, wobei diese natürlich auch gute Ansätze für Medienkritik hervorgebracht hat.

Noch mal vielen Dank für diesen Artikel und diesen ihn fantastisch ergänzenden Kommentar. :)

FeatureFilms@wordpress · 18.08.2018

Glückwunsch, Herr Wolff, für diese flammende Gegenrede! Nun war ich nie ein großer Opponent des ursprünglichen Textes von Herrn Schmidt. Jedoch haben Sie hier wunderbar einige offene Wunden erkenntlich gemacht, die ich beim Ursprungstext nicht erkannt hatte. Besonders der Umstand, dass Herr Schmidt die Umstände rund um Black Panther und die Repräsentation der Schwarzen in der Filmbranche ausgeblendet und gar als nichtig abgestempelt hat, ist nun offensichtlich.

Er befindet sich in seiner Filmkritik auf der Ebene der "Totalen" - eine Bezeichnung des großartigen Sergej Eisenstein von einem Aufsatz im Jahr 1945. Auf dieser Ebene wird Film als Medium aufgrund seiner politischen und sozialkritischen Komponenten untersucht. Natürlich gibt es zur Filmbetrachtung laut Eisenstein aber noch andere Ebenen: In der "Halbtotalen" betrachtet man die menschliche und emotionale Kompetente des Filmes, in der "Nah"-Perspektive wird die Filmsprache und somit auch die Techniken untersucht. Herr Schmidts Blickwinkel ist immer auf Total gestellt, also vom eigentlichen Film recht distanziert. Deswegen wirkt sie an einigen Stellen vielleicht auch einmal unnahbar. Hier hat er seine Nische gefunden, und das ist ja auch in Ordnung. Aber wie jeder der sich mit Filmen auseinandersetzt sicherlich weiß, ist es durchaus sinnvoll, sich auch mit den anderen Perspektiven zu beschäftigen. So wie es auch für Filme durchaus wichtig ist, dass die Perspektive wichtig ist. Was nicht bedeutet, dass der Fokus aus eine Perspektive schlecht ist. Aber je mehr wir ausblenden, desto generalisierender werden wir. Und durch solch eine Perspektive wird Black Panther dann schnell zum puren Aushängeschild der neuen Rechten, dem jegliche positive Effekte abgesprochen werden. Und durch solch eine Perspektive - man erlaube mir die schelmische Bemerkung - schauen wir nur, aber wir sehen nicht.