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Nordische Filmtage 2021: Doppelauszeichnung für "The Gravedigger's Wife"

Ein Beitrag von Sarah Stutte

Die Nordischen Filmtage Lübeck, die vom 3. bis zum 7. November stattfanden, sind erfolgreich zu Ende gegangen. Mehr als 130 Filme wurden während dieser fünf Tage in den Lübecker Spielstätten gezeigt, eine Auswahl davon auch als Stream auf der VoD-Plattform des Festivals.

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Filmstill zu The Gravedigger's Wife (2021) von Khadar Ayderus Ahmed
The Gravedigger's Wife (2021) von Khadar Ayderus Ahmed

Die insgesamt zehn Filmpreise der 63. Nordischen Filmtage Lübeck im Wert von 58.000 Euro wurden am Abend des 6. November im Theater Lübeck verliehen. Neu waren in diesem Jahr die Trophäen: Alle Preisträger:innen durften sich über einen historischen Backstein aus dem Herzen der UNESCO-Welterbestadt freuen. Gleich zwei davon sicherte sich ein strahlender Khadar Ayderus Ahmed für seinen Film „The Gravedigger’s Wife“. Die finnisch-französisch-deutsche Koproduktion gewann den NDR-Spielfilmpreis sowie den Kirchlichen Filmpreis INTERFILM. 

Eine doppelte Ehrung erhielt außerdem The Blind Man Who Did Not Want To See Titanic von Teemu Nikki. Für diesen nahm Produzent Jani Pösö den Baltischen Filmpreis entgegen. Der Dokumentarfilmpreis des DGB Bezirk Nord ging an Arica von William Johansson Kalén und Lars Edman. Das Publikum entschied sich für den opulenten Historienfilm Königin des Nordens von Charlotte Sieling. Daneben ging der Preis des Freundeskreises für das Beste Spielfilmdebüt an den isländischen Eröffnungsfilm Cop Secret von Hannes Þór Halldórsson, der zur Gala anwesend war. Den Preis der Jugendjury holte sich Ninjababy von Yngvild Sve Flikke. 

Ein Highlight war darüber hinaus die Verleihung des Ehrenpreises anlässlich der Eröffnungsfeier. Die Auszeichnung für das Lebenswerk ging in diesem Jahr an die dänische Sängerin, Theater- und Filmschauspielerin sowie Regisseurin Trine Dyrholm. Die Hommage dazu hielt die dänische Regisseurin Annette K. Olesen, die zwei Filme mit Dyrholm gedreht hatte. Einer davon, das bewegende Drama Little Soldier (2008) über eine Soldatin, die eine Prostituierte von Freier zu Freier fährt, wurde auch im Rahmen der Hommage an Dyrholm gezeigt.

In ihrer Laudatio sagte Olesen, dass Trine Dyrholm „jeden Arbeitsraum füllt, sei es in der Vorbereitung oder während der Dreharbeiten, mit einer fast unmöglichen Mischung aus Leichtigkeit und tief verwurzeltem Ernst“. Sie bezeichnete Dyrholm als Teamplayerin, die mehr als einmal mitten in der Nacht bei unerträglichem Wetter herumgealbert hätte und Minuten später eine kraftvolle Performance ablieferte. 

 

Fokus auf Dyrholm

Die ihr gewidmete Hommage präsentierte weitere vier Meilensteine ihres Schaffens, unter anderem Love Is All You Need (2012). In diesem Film von Susanne Bier spielt Trine Dyrholm die Frisörin Ida, die nach erfolgreicher Brustkrebsbehandlung alleine an die Hochzeit ihrer Tochter nach Italien reist, da sie ihren Mann zuvor in flagranti mit seiner Kollegin zu Hause erwischt hat. Gezeigt wurde auch Queen of Hearts (2019), in dem sie als Ehefrau und Mutter eine Beziehung mit ihrem 17-jährigen Stiefsohn beginnt.

Im belgischen Film Nico (2017) interpretiert Trine Dyrholm die titelgebende deutsche Sängerin, die in den 1950er-Jahren zu den erfolgreichsten internationalen Models gehörte und als Mitglied von The Velvet Underground sowie als Solomusikerin wegweisend war für die Rolle von Frauen in der Rockmusik. Im Dogma-95-Film A Soap (2006) von Pernille Fischer Christensen spielt sie die androgyne Charlotte, die sich in ihren transsexuellen Nachbarn verliebt. 

Bei allen Filmen stand Trine Dyrholm für Gespräche bei den Vorstellungen zur Verfügung. So auch für ihren jüngsten Film Königin des Nordens. Im angeregten Publikumsgespräch, zusammen mit Regisseurin Charlotte Sieling und Produzent Lars Bjørn Hansen, berichtete sie über die aufwendigen Dreharbeiten. Unter anderem habe sie dabei erst ihre Angst vor Pferden verlieren und danach auch noch das Reiten lernen müssen.

 

Musikalische Retrospektive

Die Retrospektive der diesjährigen Festivalausgabe stand mit dem Motto „Sing a Song!“ ganz unter dem musikalischen Stern. Die Auswahl der Filme, die sich der Popmusik und Musicals im nordischen und baltischen Raum widmeten, war breit. Sie reichte über ABBA — The Movie bis zum litauischen Rock-Musical The Devil’s Bride – Arūnas Žebriūnas „diabolische“ Antwort auf Andrew Lloyd Webbers Jesus Christ Superstar – und The Saimaa Gesture, dem Regiedebüt von Aki und Mika Kaurismäki von 1981. Die Brüder dokumentieren darin eine Tournee drei ihrer Lieblingsbands um den finnischen Saimaa-See, darunter befanden sich spätere Mitglieder der Leningrad Cowboys. 

„Hinter uns liegen aufregende Festivaltage mit inspirierenden Filmen und wunderbaren Gästen,“ meinte der Künstlerische Leiter Thomas Hailer abschließend. Für ein Fazit sei es zwar noch zu früh, da die Besucherzahlen noch ausgewertet werden müssten. Doch unter den gegebenen Umständen und sogar mit einem Festivaltag weniger befand er die diesjährigen Nordischen Filmtage als großen Erfolg. 

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