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Licht und Dämmerung - Hollywood im Hollywood-Film

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

Mit der Satire Hail, Caesar! und dem Biopic Trumbo liefen 2016 gleich zwei Filme an, die einen Blick hinter die Kulissen Hollywoods werfen. Beide befassen sich mit der schwierigen Vergangenheit der ‚Traumfabrik‘.

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Szene aus "Trumbo"
Szene aus "Trumbo"

Es sind Werke, die aufgrund des zeitlichen Abstands trotz ihrer Dekonstruktion der schönen Illusion wohl niemandem wehtun dürften. Absurdität und Ausgrenzung, Xenophobie und Sexismus sind jedoch auch heute noch ein fester Bestandteil der Filmindustrie.

In Trumbo schildern Regisseur Jay Roach und Drehbuchautor John McNamara – auf Basis der gleichnamigen, von Bruce Cook verfassten Dalton-Trumbo-Biografie – das wirtschaftliche, politische und geistige Klima während der McCarthy-Ära in Hollywood. Eine „kommunistische Bedrohung“ der USA wurde damals befürchtet, was alsbald zu einer Hexenjagd führte: Filmschaffende wie das Skript-Talent Trumbo (verkörpert von Bryan Cranston) mussten sich vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe zu ihrer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei äußern, wurden später für mehrere Monate inhaftiert und landeten auf der Schwarzen Liste, wodurch eine Arbeit unter richtigem Namen unmöglich gemacht wurde.

Trumbo operiert überwiegend mit Vereinfachungen, welche beinahe glauben lassen, dass die von Angst und Hass vergiftete Atmosphäre in erster Linie das Werk der Gesellschaftskolumnistin und Hutfetischistin Hedda Hopper (Helen Mirren) war, die mithilfe populärer Mitstreiter wie John Wayne (David James Elliott) und schwacher Filmstudioleiter wie Louis B. Mayer (Richard Portnow) offenbar ganz Hollywood in einen Ort der Paranoia verwandeln konnte. Dies wird der Komplexität der Ereignisse natürlich mitnichten gerecht. Zudem erlaubt Roachs Adaption der Trumbo-Biografie durch ihren unterhaltsam-heiteren Anstrich bei aller Tragik auch ein gewisses Maß an Nostalgie: Die 1940er und 1950er Jahre werden als eine Zeit eingefangen, in der das Kino (noch) Relevanz besaß und die Qualität eines Drehbuchs bei der Entstehung eines Films tatsächlich als wichtiges Erfolgskriterium galt.

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Trailer zu Trumbo

 

Ebenso ist Hail, Caesar! von Joel und Ethan Coen nicht nur eine Verspottung, sondern zugleich – vielleicht sogar vor allem – eine Feier der kalifornischen Filmunterhaltungsbranche der Fifties. George Clooney als Bibelschinken-Held, Scarlett Johansson als Bathing-Beauty-Verschnitt oder Alden Ehrenreich als Cowboy-Darsteller mögen recht albern agieren – fiese Persiflagen sind diese Figuren aber nicht. Vor 25 Jahren demonstrierten die Coen-Brüder die Mechanismen Hollywoods in Barton Fink (1991) mit deutlich mehr Bitter- und Bösartigkeit; einen doppelbödigen Charakter wie den Studioboss Jack Lipnick (Michael Lerner), in dessen Gebaren sich (Über-)Freundlichkeit und Skrupellosigkeit scheinbar widerspruchslos vereinen, sucht man in der aktuellen Schöpfung des Duos leider vergebens.

Was Hail, Caesar! wiederum zeigt, ist die Tatsache, dass ein Star (ob weiblich oder männlich) etwas ‚Gemachtes‘, Künstliches ist – wie es hier nicht zuletzt durch das unermüdliche, auf Schadensbegrenzung gerichtete Tun des ‚Fixers‘ Eddie Mannix (Josh Brolin) sichtbar gemacht wird. Doch selbst in diesem Punkt ist der Film eher harmlos-amüsant und gewiss keine gnadenlose Entlarvung.

Hail, Caesar!
Bild aus Hail, Caesar! von Joel und Ethan Coen; Copyright: Universal Pictures International Germany GmbH

 

Entschieden radikaler ging bereits 1950 Billy Wilder in Boulevard der Dämmerung zu Werke, etwa wenn der aufwendig-strapaziöse Prozess der Körperbearbeitung festgehalten wird, dem sich der 50-jährige Ex-Stummfilmstar Norma Desmond (Gloria Swanson) unterzieht – im irrtümlichen Glauben, bald wieder vor der Kamera stehen zu können. Der Part der tragisch-weltentrückten Diva mag heute ziemlich überholt erscheinen; dennoch ist die Altersdiskriminierung in Hollywood noch lange nicht überwunden: „There are still great parts in Hollywood for Meryl Streeps over 60“, scherzte die Komödiantin Tina Fey bei der Golden-Globe-Verleihung 2014 – und brachte damit sehr treffend zum Ausdruck, dass gute (Leinwand-)Rollen ab einem gewissen Alter, insbesondere für Frauen, immer rarer werden.

In der Darstellung des verblassten künstlerischen Ruhms ist Boulevard der Dämmerung ein gelungener Film, beispielsweise in der Passage, in welcher Norma andere Ex-Stars zur Bridgepartie einlädt und die traurig blickende Slapstick-Ikone Buster Keaton nur das mehrdeutige Wort „Passe!“ von sich gibt. Zugleich weist Billy Wilders Werk aber auch diverse Symptome der Hollywood-Krankheit auf, mit der es eigentlich abzurechnen gedenkt: etwa wenn die Tatsache, dass Norma sich in den jüngeren Protagonisten Joe Gillis (William Holden) verliebt hat, als unzumutbare Pervertierung von Liebe präsentiert wird – womöglich weil sie den rules of attraction des Mainstream-Kinos zuwiderläuft, nach denen der Mann üblicherweise älter als die Frau ist. Als adäquate Partnerin für Joe wird indes die 20-jährige Studiomitarbeiterin Betty Schaefer (Nancy Olson) eingeführt, die sich laut eigener Aussage „in ein Mauseloch verkriechen möchte“, als sie an einer Stelle aus Versehen unverblümt ihre Meinung äußert.

Boulevard der Dämmerung
Bild aus Boulevard der Dämmerung von Billy Wilder; Copyright: Paramount Pictures

 

Eine weitere Hollywood-Innenansicht, die weit weniger liebevoll als Hail, Caesar! daherkommt, ist The Player (1992) von Robert Altman, nach einem Drehbuch von Michael Tolkin, der seinen eigenen Roman adaptierte. Das Meta-Werk erzählt davon, wie sich sogar die größten Idealisten korrumpieren lassen; aus den Credos „No stars!“ und „No Hollywood ending!“ des britischen Schreibers Tom Oakley (Richard E. Grant) wird so zum Beispiel im Endeffekt ein Film, in welchem ein heroischer Bruce Willis eine still leidende Julia Roberts in allerletzter Minute vor der Todesstrafe bewahrt. Den herrlichsten Auftritt in The Player hat zweifelsohne Whoopi Goldberg als Polizistin Susan Avery. Als der Produzent Griffin Mill (Tim Robbins) zu ihr meint, in einem seiner Projekte spiele Scott Glenn gerade „a detective much like yourself“, entgegnet Susan trocken: „Is he a black woman?“ Dass people of color für viele Rollen in Hollywood-Produktionen gar nicht erst in Betracht gezogen werden, ist bis heute ein beschämender Fakt.

The Player
Bild aus The Player von Robert Altman; Copyright: Highlight

 

Auch die Geringschätzung der eigenen ‚Produkte‘ im Hollywood-Betrieb vermögen Altman und Tolkin zu vermitteln. Den ‚Entscheider_innen‘ fehlt die Hingabe – man ist schlichtweg „too busy“, um tatsächlich selbst mal ins Kino zu gehen; es mangelt ihnen an der Bereitschaft, kreativ und mutig zu sein: „Maybe we’ll do a remake of this!“ ist das Einzige, was Griffin nach der ungeplanten Sichtung der letzten Minuten von Vittorio de Sicas Neorealismus-Klassiker Fahrraddiebe einfällt. An einer Stelle von The Player wird gar darüber nachgedacht, bei der Entwicklung von Filmen einfach auf Drehbuchautoren zu verzichten.

Eine ähnliche Schonungslosigkeit gelang wohl erst wieder dem Duo Paul Schrader (Regie) und Bret Easton Ellis (Skript) in ihrer zu Unrecht verrissenen kalifornischen Psycho-Soap The Canyons (2013), in welcher nur noch aus Langeweile und Machthunger Filme produziert werden. In der pointiertesten Passage des Werks fragt das gestrauchelte Model Tara (Lindsay Lohan), das sich an der Entstehung eines Films beteiligt hat, ihr in der Film-PR-Branche tätiges Gegenüber (Amanda Brooks): „Do you really like movies? [] When was the last time you went to see a movie in a theater?“

Über weite Strecken der Inszenierung verschwindet die Tara-Darstellerin Lindsay Lohan hinter absurden Mascara-Schichten oder überdimensionalen Sonnenbrillen; in diesem melancholischen Moment von The Canyons blitzt jedoch die Frau auf, die der New-Hollywood-Star Faye Dunaway einmal als „die talentierteste Schauspielerin ihrer Generation“ bezeichnete. Eine zufriedenstellende Antwort auf ihre Frage erhält Tara nicht; die Bilder leer stehender, zerfallender Lichtspielhäuser, mit denen Schrader uns konfrontiert, sprechen allerdings für sich.

The Canyons
Bild aus The Canyons von Paul Schrader; Copyright: AD PR / NewKSM

 

Wovon könnten Filme über Hollywood, die sich nicht der Vergangenheit zuwenden wollen, erzählen? Beispielsweise von einer Frau wie America Ferrera (Eine für 4, End of Watch), die sich beim Casting habe sagen lassen müssen, dass ihre Hautfarbe nicht das sei, wonach man suche – und die bei ihrem allerersten Vorsprechen als Jugendliche (für einen Werbespot) von der Besetzungschefin gefragt worden sei: „Can you do it again but sound more Latino?“ (Beide Statements stammen aus dem lesenswerten New-York-Times-Artikel What It’s Really Like to Work in Hollywood) Oder von einer Transfrau wie Anohni, die für ihren Song Manta Ray in diesem Jahr zwar für einen Oscar nominiert war, aber nicht – wie ihre Mitnominierten Lady Gaga, Sam Smith und The Weeknd – dazu eingeladen wurde, am Abend der Verleihung auf der Bühne zu performen. Oder von einer Newcomerin wie Brie Larson (Raum), die – wie Der Spiegel (10/5.3.2016) berichtet – zu Beginn ihrer Karriere während Castings oft dazu aufgefordert worden sei, „sich sexy anzuziehen“.

Genau darum sollte es in Filmen über Hollywood viel häufiger gehen: nicht um die Verklärung (oder Simplifizierung) der Vergangenheit, sondern um das Hier und Jetzt – das nicht immer so strahlend schön ist, wie es zu sein vorgibt.

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