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Edward G. Robinson – Der Einzelgänger

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

Er sah sich selbst als Außenseiter und wurde durch eine Gangsterrolle zum Superstar des jungen Tonfilms. Im Rahmen unserer Reihe „Wiederentdeckt“ blicken wir auf Edward G. Robinson, der am 12.12.2018 seinen 125. Geburtstag feiern würde.

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Edward G. Robinson in "Straße der Versuchung"
Edward G. Robinson in "Straße der Versuchung"

Manchmal ist eine gehörige Portion Chuzpe vonnöten, um etwas zu erreichen. Das hatte wohl auch Edward G. Robinson verinnerlicht, als er Anfang der 1930er Jahre einen Nebenpart in der Warner-Bros.-Produktion „Der kleine Caesar“ ablehnte und stattdessen die Hauptrolle des Gangsterbosses Rico einforderte. Er tat dies vor allem deshalb, weil er eine deutliche Parallele zwischen sich und Rico erkannte: Sowohl er selbst als auch der Protagonist des Films waren Einzelgänger. Zwar gab ihm der Produzent Hal B. Wallis nach dieser kühnen Forderung zu verstehen, dass er als vergleichsweise unbekannter Mime nun wirklich nicht in der Position sei, um zu verhandeln – doch letztlich bekam Robinson den Job, durch den er zu einem der gefragtesten Gesichter der Studio-Ära Hollywoods avancieren sollte.

Einige Faktoren machten Robinson durchaus zu einer naheliegenden Besetzungswahl. „Mit seinem breiten Mund und dem gedrungenen Kopf ähnelte er ein wenig einer Bulldogge“, schreibt Jörn Hetebrügge in einem Mini-Porträt über den Schauspieler im Sammelband Filme der 40er. Somit brachte er äußerlich die gebotene Aggressivität mit, um einen Mann zu verkörpern, der sich durch kaltblütiges Vorgehen vom Kleinganoven zum Anführer einer Unterwelt-Gang in Chicago entwickelt. Seinen titelgebenden Spitznamen erhält Rico im Laufe der Geschichte wegen seiner kleinen Statur und seines Cäsar-Komplexes – des krankhaft übersteigerten Triebes zur despotischen Alleinherrschaft. Robinson vermochte diesen Charakterzug durch sein hartes Spiel zu beglaubigen; in vielerlei Hinsicht war er allerdings geradezu das Gegenteil des Gangsters, den er auf der Leinwand gab. Er verabscheute Waffen (angeblich mussten seine Augenlider bei den Dreharbeiten festgeklebt werden, da sie jedes Mal zuckten, wenn seine Fake-Waffe abgefeuert wurde) – und er galt abseits der Kamera als einfühlsamer, ruhiger Mensch, der die Kunst liebte. Es gibt etliche schöne Zitate, in denen der passionierte Sammler Dinge sagt wie: „Ich habe niemals ein Kunstwerk besessen. Sie haben mich besessen.“

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Gewalt und Nuancen

Während er in seiner Paraderolle und in zahlreichen Auftritten, die sich an Der kleine Caesar (1931) anschlossen, derjenige war, der Gewalt ausübte, war es zuvor in seinem echten Leben die Gewalt anderer, die den Werdegang des 1893 als Emanuel Goldenberg in Bukarest geborenen Robinson beeinflusste: Nachdem einer von Robinsons Brüdern von einem antisemitischen Mob schwer verletzt wurde, fassten seine Jiddisch sprechenden Eltern den Entschluss, Rumänien zu verlassen und in die USA auszuwandern. So wuchs Robinson ab 1903 in der Lower East Side in New York City auf und landete später durch ein Stipendium auf der American Academy of Dramatic Arts. Es folgten Engagements am Broadway und an jiddischen Theatern sowie kleine Rollen in Stumm- und Tonfilmen, ehe ihm mit Mervyn LeRoys Gangsterfilm der große Durchbruch gelang.

Die Profi-Kriminellen und die üblen Unternehmer, die Robinson in den 1930er Jahren vorwiegend verkörperte, waren indes selten durch und durch böse. So lässt Rico etwa bei aller Skrupellosigkeit seinen Freund Joe am Leben, obwohl dieser ihn bei der Polizei verrät und damit seinen Untergang einläutet. Werke wie Tiger-Hai (1932), in welchem Robinson einen von Eifersucht getriebenen Fischer spielte, oder Paul Ehrlich – Ein Leben für die Forschung (1940) ermöglichten ihm überdies eine darstellerische Nuancierung, die er in den 1940er Jahren weiter ausbauen konnte. Als das Hollywood-Kino in dieser Dekade eine Hinwendung zu verhängnisvoll-dunklen Plots vollzog, hätte Robinson vermutlich einfach weiterhin den Schurken geben und somit als ewiger Gangster in die Filmhistorie eingehen können. Stattdessen bewies er aber seine Wandlungsfähigkeit und seinen Mut zu Neuem, indem er insbesondere im Film noir in völlig anderen Rollen in Erscheinung trat.

Edward G. Robinson (mit Richard Arlen, Vince Barnett, Leila Bennett und Toshia Mori) in Tiger-Hai; Copyright: Warner Bros.
Edward G. Robinson (mit Richard Arlen, Vince Barnett, Leila Bennett und Toshia Mori) in „Tiger-Hai“; Copyright: Warner Bros.

 

Bruch mit dem Image

In Billy Wilders Frau ohne Gewissen (1944) – laut Frankfurter Rundschau „der unverschämteste, verstörendste, düsterste Hollywood-Film“ dieser Zeit – war es deshalb nicht Robinson, der für die Unverschämtheit, die Verstörung und die Düsternis zuständig war; vielmehr war er nun für die Gegenseite im Einsatz: Als Versicherungsdetektiv Barton Keyes kommt er jedem Betrug auf die Schliche und ist zugleich der Vorgesetzte sowie väterliche Freund des Protagonisten, der aus Liebe zu einer Femme fatale einen Mord begeht. In Fritz Langs Gefährliche Begegnung (1944) spielte Robinson wiederum selbst einen Mann, der durch eine verführerische Frau unvermittelt schuldig und dadurch von einem mitwissenden, brutalen Gangster erpresst wird.

Den größten Imagebruch beging er indes wohl mit seiner Darstellung des grundehrlichen, scheuen Kassierers Chris Cross in Straße der Versuchung (1945, ebenfalls von Fritz Lang): Während er als Der kleine Caesar nach Macht strebte und sich dabei (fast) immer fest entschlossen zeigte, fand er sich hier in einer Sequenz zu Füßen einer dominant auftretenden Frau wieder, der er als biederer Kleinbürger auf dem Weg ins Verderben unterwürfig die Fußnägel lackiert. Auch in John Farrows Die Nacht hat tausend Augen (1948) entfernte sich Robinson als zutiefst verängstigter und verwirrter Varieté-Wahrsager, der plötzlich über tatsächlich zutreffende Zukunftsvisionen verfügt, denkbar weit von dem tough guy Rico. Zwar griff er – etwa in John Hustons Gangster in Key Largo (1948) – sein altes Image gelegentlich wieder auf; dennoch bestand an seiner schauspielerischen Bandbreite fortan gewiss keinerlei Zweifel mehr.

Edward G. Robinson (mit Roman Bohnen, Douglas Spencer, Onslow Stevens und Richard Webb) in "Die Nacht hat tausend Augen"; Copyright: Paramount Pictures / Koch Media
Edward G. Robinson (mit Roman Bohnen, Douglas Spencer, Onslow Stevens und Richard Webb) in „Die Nacht hat tausend Augen“; Copyright: Paramount Pictures / Koch Media

 

Kämpfe jenseits der Leinwand

Dass Robinson trotz all dieser Erfolge heute weniger als strahlender Stern am Himmel der Traumfabrik in Erinnerung geblieben ist, wie es Zeitgenossen wie zum Beispiel Gary Cooper sind, mag daran liegen, dass er äußerlich weniger dem klassischen leading man entsprach. Es ist aber womöglich vor allem darauf zurückzuführen, wie es mit Robinsons Karriere in den 1950er Jahren weiterging – und welche Entscheidung der politisch lange Zeit überaus aktive Schauspieler angesichts der von Angst und Hass vergifteten Atmosphäre während der McCarthy-Ära in Hollywood traf.

In den 1930er Jahren engagierte sich Robinson gegen Faschismus und Nationalsozialismus: „Die Welt sieht sich mit der Bedrohung von Gangstern konfrontiert, die viel gefährlicher sind als alle, die wir jemals kannten“, äußerte er gegenüber der Presse. Mit anderen Leuten aus der Branche versuchte er, den US-Kongress zu einem Boykott gegen die Nazis zu bewegen. Zudem half er etwa dabei, Emigrant_innen wie Thomas Mann nach Los Angeles zu bringen. Seine Aktivitäten führten indes dazu, dass er vom FBI beobachtet und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beschuldigt wurde, ein Kommunist zu sein, weshalb er vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe aussagen musste und kaum noch Rollenangebote bekam. Das wirtschaftliche, politische und geistige Klima, das aus ganz Hollywood einen Ort der Paranoia machte, veranlasste Robinson im Jahre 1952 schließlich dazu, einen Artikel mit dem Titel How the Reds Made a Sucker of Me im American Legion Magazine zu veröffentlichen, in welchem er sich – in der Hoffnung, dass ihm dadurch wieder ein Comeback in Hollywood gelingen würde – als Opfer einer kommunistischen Verschwörung darstellte.

Eine solche Verzweiflungstat passt natürlich nicht in eine sinnstiftende Helden-Erzählung über eine Kinolegende – zumal der Artikel zunächst weitgehend wirkungslos blieb, da Robinson auch im Anschluss erst einmal keine größeren Parts in bedeutenderen Filmen angeboten bekam. Erst als er eine Rolle in der aufwendigen Bibeladaption Die zehn Gebote (1956) – inszeniert von Cecil B. DeMille, der als „Anti-Kommunist“ galt – erhielt, konnte er in Hollywood wieder Fuß fassen. Seinen letzten Leinwandauftritt hatte Robinson im Science-Fiction-Werk … Jahr 2022 … die überleben wollen (1973) von Richard Fleischer; zwei Wochen nach dem Ende der Dreharbeiten, am 26. Januar 1973, starb der Schauspieler mit 79 Jahren an seiner Krebserkrankung und hinterließ seine zweite Ehefrau Jane Bodenheimer und seinen Sohn aus erster Ehe Edward G. Robinson Jr., der im Jahr darauf im Alter von 40 einem Herzinfarkt erlag. Kurz nach seinem Tod wurde Robinson der Ehren-Oscar verliehen.

 

Ein Verräter in der Fiktion

In Trumbo (2015) – Jay Roachs Biopic über den Drehbuchautor Dalton Trumbo, der eng mit Robinson befreundet und von dessen Verhalten während der McCarthy-Ära enttäuscht war – wird Robinson von Michael Stuhlbarg verkörpert. Im Film verrät Robinson Trumbo vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe, indem er ihn als Kommunisten bloßstellt; in der Realität sagte Robinson zwar mehrmals vor besagtem Komitee aus, bezeichnete seinen Freund dabei allerdings nie als Kommunisten. Als antagonistische Kraft, als klarer Gegenentwurf zum kämpferischen Titelhelden schien Robinson dem Skript von John McNamara wohl einfach dienlicher, statt sich intensiver mit Robinsons Zerrissenheit zu jener Zeit zu befassen.

Michael Stuhlbarg als Edward G. Robinson in Trumbo; Copyright: Universal Pictures
Michael Stuhlbarg als Edward G. Robinson in „Trumbo“; Copyright: Universal Pictures

 

Wir sollten kein Lebenskapitel ausblenden, wenn wir uns an einen Menschen, an einen Künstler erinnern. Robinsons mutige Rollenwahl, sein Talent und sein langjähriges politisches Engagement sollten jedoch nicht in Vergessenheit geraten. Der Schauspieler prägte das Bild des Leinwand-Gangsters, er hauchte tragischen (Film-noir-)Figuren Leben ein – und er erkannte früher als viele andere in seinem Umfeld die Gefahren des Faschismus. Allein letzteres ist auch heute, 125 Jahre nach Robinsons Geburt, eine Eigenschaft, die sich gar nicht genug wertschätzen lässt.

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