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Die Unvollendeten: Über Alejandro Jodorowskys „Dune“

Ein Beitrag von Joachim Kurz

In unserer Reihe über unvollendete Werke der Filmgeschichte widmen wir uns heute einem Film, der fast zu einem veritablen Kulthit geworden wäre — und der es dann noch in anderer Form auf die Leinwand schaffte.

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Jodorowsky’s Dune von Frank Pavich
Jodorowsky’s Dune von Frank Pavich

Allein die Besetzung las sich wie ein illustrer Reigen irgendwo zwischen Film-Establishment und Repräsentanten der Pop- und Gegenkultur jener Jahre. Orson Welles fand sich ebenso auf der Liste wie David Carradine, Amanda Lear, Udo Kier, Gloria Swanson, Mick Jagger und Salvador Dalí. Für die Ausstattung sollten Moebius (alias Jean Giraud) und HR Giger sorgen, die Musik von Pink Floyd und der französischen Progrock-Combo Magma stammen — letztere hatten für ihre bombastischen Kompositionen sogar ein eigenes Genre („Zeuhl“) begründet und sangen ihre Texte stets in der von ihnen ersonnenen Kunstsprache Kobaïanisch.

Hinzu kam die Vorlage selbst: Frank Herberts Science-Fiction-Reihe Dune (Der Wüstenplanet) aus dem Jahr 1965 galt als einer der größten Klassiker des Genres und bewegte sich für Experten auf einer Stufe mit den Werken des großen Isaac Asimov. In der ersten Trilogie, die Herbert als einheitliches Gesamtwerk konzipierte und schrieb, geht es um ein feudalistisches Imperium unter einem Padishah-Imperator und einer ganzen Reihen von planetarischen Fürsten in verschiedenen Planetensystemen. In diesem weit verzweigten Reich kommt den Navigatoren der Raumfahrergilde eine ganz besondere Bedeutung zu, denn sie stellen sicher, dass die Nachrichten- und Transportwege zwischen den Planeten funktionieren. Hinzu kommen verschiedene Gruppen auf unterschiedlichen Planeten, die allesamt machtvolle Positionen innehaben. Im Wettstreit um die Droge Melange oder Spice, die ausschließlich auf dem Wüstenplaneten Arrakis gedeiht, verschärfen sich schließlich die brodelnden Konflikte, denn nur dank der Wirkung von Melange kann der interstellare Raumverkehr aufrechterhalten werden. 

Und natürlich war da noch der Regisseur selbst: Der 1929 in Chile geborene Alejandro Jodorowsky genoss damals nach Fando und Lis (1967) und seinen beiden psychedelischen Midnight Movies El Topo (1970) sowie Montana Sacra — Der heilige Berg (1973) einen legendären Ruf als Filmmagier mit Hang zum Spinnerten und Größeren. 1973 hatte der französische Filmproduzent Michel Seydoux die Rechte an Frank Herberts Buchreihe erworben, nachdem eine frühere Option auf das Buch verfallen war. Mit Feuereifer machte er sich gemeinsam mit Jodorowsky und Moebius an ein detailliertes Drehbuch und Storyboard, um anschließend bei verschiedenen Hollywood-Produzenten vorzusprechen. Doch die lehnten allesamt ab, was wohl vor allem an der Exzentrik von Jodorowskys bisherigem Schaffen, der epischen Länge des Films (geplant war eine Laufzeit von 10 Stunden) und Details wie einer angeblichen 100.000-Dollar-Gage für Salvador Dalì (pro Minute wohlgemerkt) lag. Und so blieben außer einigen Entwürfen für Möbel durch HR Giger, die dieser später in den Giger-Bars verwendete — und natürlich die bereits erstellten rund 3.000 Storyboards für den Film.

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Es sollte fast zehn Jahre dauern, bis sich David Lynch im Jahre 1984 des gigantischen Stoffes annahm und diesen auf die Leinwand brachte, nachdem zuvor Ridley Scott das Handtuch geworfen hatte. Im Gegensatz zu Jodorowskys epischer Länge brachte es Der Wüstenplanet in der Fassung von David Lynch „nur“ auf rund 3,5 Stunden Laufzeit, die aber von den Produzenten noch einmal drastisch auf rund 137 Minute heruntergekürzt wurde — ein Eingriff, der dem Gesamteindruck nicht unbedingt guttat.

Auch wenn Jodorowskys Film niemals fertiggestellt wurde, hat er sich doch innerhalb der Filmgeschichte und vor allem jenem Teil der sagenumwobenen Beinahe-Meisterwerke einen ganz besonderen Ruf eingehandelt. Das ist vor allem zu spüren und zu sehen, wenn man sich Frank Pavichs Dokumentarfilm Jodorowsky’s Dune aus dem Jahre 2013 anschaut, in dem der Regisseur die wilde Vorgeschichte zu diesem Beinahe-Kultfilm minutiös und mittels zahlreicher Gespräche aufdröselt und so eine Ahnung davon gibt, was man da beinahe auf der Leinwand hätte sehen können.

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