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Die ewige Highschool-Königin

Ein Beitrag von Maria Wiesner

Molly Ringwald wurde mit den Teenager-Filmen von John Hughes berühmt. Dann endete ihre vielversprechende Karriere abrupt. Das hatte auch mit Sexismus in Hollywood zu tun.

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Molly Ringwald in THE BREAKFAST CLUB
Molly Ringwald in THE BREAKFAST CLUB

Eigentlich müsste jemand, dessen seine Karriere so steil gestartet ist wie Molly Ringwalds, heute zur A-Liste der Hollywood-Schauspieler gehören. Das darf man nur als Erwachsener, The Breakfast Club und Pretty in Pink machten sie zur Königin der Highschool-Filme. Im Jahr 1986 blickte sie zu der Frage „Ain’t she sweet?“ vom Cover des Time-Magazins. Fünf Seiten widmete man ihr im Heft. Doch danach wurde es sehr schnell sehr still um sie. Warum eigentlich?

Ihren frühen Erfolg hatte sie ohne Zweifel dem Regisseur John Hughes zu verdanken. Der schrieb das Drehbuch zu Das darf man nur als Erwachsener quasi in einem Rutsch mit ihrem Foto über seinem Schreibtisch. Molly, damals gerade einmal 15 Jahre alt, sollte die Hauptrolle der Samantha Baker spielen. Die will eigentlich ihren 16 Geburtstag feiern, aber die schrecklich beschäftigten Eltern haben das über den Hochzeitsvorbereitungen für die ältere Schwester vergessen. Obendrein ist Samantha natürlich in einen hübschen Jungen (Michael Schoeffling) aus dem höheren Jahrgang verknallt – und bekommt ungewollte Avancen vom nerdigen Farmer Ted (Anthony Michael Hall). Hughes war von der Zusammenarbeit mit der jungen Schauspielerin so begeistert, dass er sie für die nächsten Filme zu seiner Muse erklärte. „Molly ist eine Klasse für sich“, schwärmte Hughes 1986. Zukünftig gehe man ins Kino um „Molly-Ringwald-Filme“ zu sehen. In The Breakfast Club sticht sie ebenso heraus wie in Pretty in Pink. Niemand konnte die schnell wechselnden Emotionen eines verliebten Teenagers so gut herausarbeiten wie sie.

 

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Hughes war einzigartig unter den Regisseuren seiner Zeit. Er vertraute auf seine jungen Schauspieler und sie vertrauten ihm. Er ließ sie zum Teil ganze Szenen improvisieren, änderte Stellen im Drehbuch, wenn sie damit nicht einverstanden waren oder sich unwohl fühlten. In einem Fernsehinterview Jahre später erzählt Ringwald, dass sie die berühmte Tanzszene in The Breakfast Club ursprünglich allein drehen sollte. Sie traute sich nicht, war zu schüchtern. Hughes machte daraus kurzerhand eine Tanzszene für alle – eine Nacktszene strich Hughes übrigens, nachdem die Schauspieler Einspruch erhoben hatten.

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Dass Ringwald sich so einfach in ihre Rollen werfen konnte, hatte auch einiges mit dem Regisseur zu tun, der sie respektierte, und mit ihrem Talent, das sie an seinen Sets frei entfalten konnte. In Pretty in Pink gibt es eine Szene, in der ihr reicher Schwarm darauf besteht, sie nach Hause zu fahren und sie dies mehrmals ablehnt. Er versteht nicht, warum. Und ihr, gerade noch leicht wütend, schießen vor Scham und Trauer die Tränen in die Augen, als sie gestehen muss: „Ich will nicht, dass du siehst, wo ich wohne.“ Dann im Auto zwingt sie sich Sekunden später zu einem „Ist-schon-in-Ordnung“-Lächeln, all das ohne Schnitt und mit solcher Intensität, dass man ihn anschreien möchte, er solle sie doch nun endlich in den Arm nehmen und küssen für so viel Offenheit.

 

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Von allen drei Filmen mit Hughes hatte dieser den größten Erfolg an der Kinokasse. „Sie ist ein echter Star“, schrieb die Washington Post in einer Kritik 1986 über Molly Ringwald. Dann setzte das Time-Cover noch einen drauf und eigentlich hätte sie damit heute so bekannt sein sollen wie Julia Roberts oder Reese Witherspoon. Doch es kam anders.

Ringwald war es nach drei Filmen mit Hughes leid, immer auf die Teenager-Rolle festgelegt zu werden, die auf ein Date für den Abschlussball hofft. Sie wollte erwachsenere Rollen spielen. Das sagte sie auch John Hughes, als der ihr die Hauptrolle für Ist sie nicht wunderbar? anbot, einem Teenagerfilm nach bewährtem Muster. Hughes war gekränkt und nahm die Ablehnung persönlich. Mehr als 20 Jahre sollten die beiden kein Wort miteinander reden.

Mit 18 Jahren schon einen Vertrag in der Tasche

Doch Ringwald wollte sich vom einstigen Mentor emanzipieren. Und es sah zunächst ganz gut für sie aus: Sie war 18 Jahre alt und stand schon unter Vertrag bei United Artists. Dort drehte sie 1987 Jack der Aufreißer. Produziert wurde der Film von Warren Beatty, der sich von der jungen Schauspielerin sehr fasziniert zeigte. Im Time-Porträt ein Jahr zuvor sagte er über sie, er sei beeindruckt gewesen von „ihrem Level an Intelligenz und Spontaneität, den Mangel an Affektiertheit in ihrem Schauspiel. Und natürlich von ihrer Schönheit.“ Eine solche Lobpreisung musste Gerüchte nach sich ziehen, immerhin fand all das im Hollywood der 1980er Jahre statt. Ringwald antwortete einmal äußerst sarkastisch auf die Frage, was denn nun eigentlich ihre Beziehung zum gut 30 Jahre älteren Beatty sei: „Natürlich erwarte ich ein Kind von ihm!“ Man möge bedenken, sie war damals 18.

Es war nicht das erste Mal, dass sie mit Sexismus in Hollywood in Berührung kam. Doch dazu äußerte sie sich erst im Zuge des Weinstein-Skandals öffentlich. Und was sie im Oktober 2017 im New Yorker unter dem Titel All the other Harvey Weinsteins publizierte, liefert auch eine kleine indirekte Erklärung zu der Frage, warum ihre Karriere trotz all der Loblieder in den 1980ern bereits wenig später so abrupt einbrach und in den 1990ern mit Nebenrollen und kleineren Fernsehfilmen versandete.

Weinstein hat nur indirekt damit zu tun. Sie lernte ihn in den Anfängen der Miramax-Studios kennen, als sie in Frankreich Liebesroulette drehte, einen Film, den die Weinstein-Brüder produzierten. Sie musste keinen gemeinsamen Taxifahrten ausweichen oder Massagen ablehnen. „Ich hatte Glück“, schrieb Ringwald, vermutete dann aber, dass es zu der Zeit auch einfach daran gelegen haben kann, dass sie am längeren Hebel saß. Sie war die erfolgreiche Schauspielerin, er der Produzent, der sich etablieren musste. Wenn man jedoch der Beschreibung Ringwalds folgt, legte er schon damals die Grundzüge jenes Verhaltens an den Tag, unter dem später viele Filmschaffende leiden sollten: despotisch, volatil, leicht zu kränken, nachtragend. Ihre Begegnung mit Weinstein endete damit, dass sie ihn verklagen musste, weil ihre Anteile nicht ausgezahlt wurden.

Sexuelle Übergriffe im Filmgeschäft

Obwohl Ringwald selbst sagt, dass Weinstein keinen Einfluss auf das vorläufige Ende ihrer Karriere in Hollywood hatte, kann man in ihrem Gastbeitrag im New Yorker zwischen den Zeilen lesen, dass sie irgendwann den Sexismus – am Set und bei Castings – satthatte. Was sie schreibt, ist nur ein Puzzlestein im großen Bild des sexuellen Missbrauchs, das man sich in den vergangenen Monaten von der Filmbranche machen konnte, doch auch ihre Einzelgeschichte ist wie immer nicht weniger verstörend.

Ringwald war bereits als Kind begeistert von der Bühne. Mit drei Jahren sang sie gemeinsam mit ihrem Vater, einem blinden Jazz-Pianisten. Mit fünf stand sie auf der Bühne des örtlichen Theaters, dann folgten kleine Filmrollen. Und mit dem Einstieg ins Filmgeschäft kamen auch die ersten Übergriffe. Da ist die Erinnerung, wie ihr ein 50 Jahre alter Mitarbeiter am Set „Tanzunterricht“ geben wollte und dabei seine Erektion an ihr rieb (sie war 13). Wie ihr ein verheirateter Filmregisseur am Set seine Zunge in den Hals steckte (sie war 14). „Zu einer Zeit, als ich versuchte, herauszufinden, was es bedeutete, eine junge Frau mit eigener Sexualität zu sein, kam immer irgendwoher ein älterer Typ, der mir helfen wollte, den Prozess zu beschleunigen.“

All das geschah, obwohl sie sehr liebevolle und fürsorgliche Eltern hatte, die ihre Tochter weder am Set noch beim Casting allein ließen. In mehreren Artikeln aus den 1980ern wird ihre Mutter Adele erwähnt, die immer an der Seite der Tochter zu finden war. „Ich schrecke bei dem Gedanken zusammen, was wohl passiert wäre, wenn ich meine Eltern nicht dabeigehabt hätte“, schreibt Ringwald im New Yorker.

Das letzte und verstörendste Erlebnis hatte sie jedoch, als sie schon volljährig war und zu einem Casting geladen wurde: „Ich wurde vom Regisseur gefragt – in einer Art, die die Frage als rhetorisch kennzeichnete – ob der Hauptdarsteller mir ein Hundehalsband anlegen könne. Das war keine Anweisung, die auch nur ansatzweise in den Seiten stand, die ich vorab eingeübt hatte; ich konnte kein bisschen nachvollziehen, wie das zur Story beitragen sollte. Der Schauspieler war ein Freund von mir und ich sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Er schaute zurück mit einem „Es tut mir sehr leid“-Blick und fasste nach meinem Nacken.“ Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, was danach geschehen sei. Ob sie einfach wortlos gegangen sei oder irgendwie mit Hundehalsband versucht habe, ihre Zeilen zu stottern. Ringwald bezeichnet die Episode als „außerkörperliche“ Erfahrung (das gleiche Wort benutzte übrigens auch Salma Hayek, als sie beschrieb, wie Harvey Weinstein sie gezwungen hatte, nackt eine lesbische Liebesszene zu spielen.)  Auf dem Parkplatz brach sie schluchzend zusammen. Als sie dann ihrem Agenten von dem Vorfall erzählte, lachte der nur und sagte: „Na, das ist dann also eine dieser Erinnerungen …“ Ringwald zog ihre Konsequenz daraus: „Ich habe ihn gefeuert und bin wenig später nach Paris gezogen.“

Aufstehen und andere Talente nutzen

Mit Hollywood, so schien es, hatte sie abgeschlossen. Oder hatte vielleicht auch Hollywood mit ihr abgeschlossen? Einer Schauspielerin, die nicht sexuellen Avancen nachgab, die ihren Agenten dafür feuerte, dass er sie auslachte, statt sie vor Übergriffen zu schützten. In ihrem Artikel schreibt Ringwald, sie habe in Frankreich die Schauspielerei hintanstellte. Zwei vielversprechende Drehbücher lehnte sie ab oder wurde nicht fürs engere Casting vorgesehen: Pretty Woman und Ghost — Nachricht von Sam. Die Filme sollten Türöffner für zwei andere Schauspielerinnen werden: Julia Roberts und Demi Moore. Reine Spekulation bleibt, was aus Ringwald geworden wäre, hätte sie einen der Parts bekommen. Würde man sie heute zur A-Liga Hollywoods zählen?

Stattdessen konzentrierte sich Ringwald tatsächlich zunächst auf die Familie – sie ist in zweiter Ehe Mutter von drei Kindern – und tat das, was Frauen tun, wenn sie auf einem Gebiet scheitern: aufstehen und ihre anderen Talente nutzen. Molly Ringwald schrieb eine Beraterkolumne für den Guardian und verfasste mehrere Bücher (darunter eines darüber, wie man mit Würde altert). Sie gab Konzerte als Jazz-Sängerin und spielte seit 2004 in mehreren Broadway-Musicals und -Theaterstücken mit. Ihr Auftritt 2016 im Stück Zeit der Zärtlichkeit brachte ihr hervorragende Kritiken. Sie spielt darin Aurora Greenway, die Großmutter. Dass sie die Rolle mit 48 Jahren angeboten bekam, nimmt sie mit Humor. „Shirley MacLaine war auch nur 50, als sie 1984 den Oscar dafür bekam“, sagte sie der New York Times in Referenz auf den gleichnamigen Film. Und am 18. Februar wird Molly Ringwald nun selbst 50 Jahre alt.

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