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Die besten Dokumentarfilme 2017

Ein Beitrag von Beatrice Behn

Meinungen

Das Jahr 2017 steht vor allem auch im Zeichen großer politischer Spannungen und Umwälzungen. Und das Kino spiegelt diese ebenfalls wider. Besonders das Dokumentarfilmkino, welches oft als erstes gesellschaftspolitische Themen auslotet, hat dieses Jahr starke Werke hervorgebracht, die uns oft überrascht und gepackt haben und uns bis heute nicht losließen. Wir haben all unsere AutorInnen gefragt, welches ihre fünf wichtigsten und besten Dokumentarfilme des Jahrgangs 2017 waren. Hier sind ihre Antworten:

Platz 5: 66 Kinos – Auf Besuch beim Homo Cinemaensis

So manchen unserer Autoren hat Philipp Hartmanns 66 Kinos so berührt, dass er gleich ein Poem dazu verfassen musste. Doch alle von uns, die das Kino als Ort und Institution lieben, haben mit 66 Kinos einen Film vor sich, der viel über den Zustand der deutschen Kinolandschaft zu sagen hat. Doch besonders ist dieser Film auch aus anderen Gründen. Joachim Kurz schreibt dazu: „Dank der sehr natürlichen und ganz und gar unprätentiösen Art des Filmemachers entstehen während der Reise viele kleine und kostbare Momente. Obwohl bei den Gesprächen oftmals die Probleme von Kinobetreibern in der heutigen Zeit gesplitteter Aufmerksamkeit im Mittelpunkt stehen, schafft es Philipp Hartmann häufig, die Augen seiner Gesprächspartner zum Leuchten zu bringen: Wenn sie vom Beginn ihrer Leidenschaft für das Kino erzählen oder wie in einem Fall während einer Autofahrt Dinge von sich geben, bei denen man aufhorcht: Bei solch einer Gelegenheit sagt ein Kinobetreiber aus Magdeburg, dass es ihm so vorkäme, als sei er kein Kinomacher, sondern ein Filmretter. Denn wenn er und seine Kollegen nicht dazu bereit wären, die Filme (vor allem die kleineren und künstlerisch anspruchsvolleren) zu zeigen, dann würden sie unbeachtet in der Flut der großen Produktionen untergehen und keinerlei Beachtung finden.


(Trailer zu 66 Kinos)

Ihr könnt 66 Kinos hier sehen: Der Film ist gerade auf Kinotour durch eben diese 66 Kinos.

 

Platz 4: Untitled – Der Film ohne Namen – Ein Abschiedswerk

„Nicht warten, sondern weiter fahren“, formulierte Michael Glawogger 2013 seinen Impetus für ein neues, gänzlich anderes Dokumentarfilmprojekt von ihm. „Denn nur in der größtmöglichen Bewegung kommen die Geschichten auf einen zu.“ Und diese Bewegung behielt Michael Galwogger bei, bis ihn eine besonders schwere Form der Malaria mitten beim Filmen aus dem Leben riss. Die Überbleibsel seines Werkes sind nun zusammengefasst in Untitled – Der Film ohne Namen, ein Werk, das nicht durch seine Umstände nur eine Ausnahme ist, sondern das selbst in seiner rudimentären Form erfassen lässt, was für ein großer, wichtiger Künstler uns genommen wurde.


(Trailer zu Untitled – Der Film ohne Namen)

Ihr könnt Untitled – Der Film ohne Namen hier sehen: DVD (ab 27. April 2018)

 

Platz 3: Aus einem Jahr der Nichtereignisse – Das wunderbare Sein im Nichts

Ganz nebenbei entwickelte Aus einem Jahr der Nichtereignisse einen Sog, als er im Flüsterton auf der Berlinale immer wieder angepriesen wurde. Dabei passiert in diesem Dokumentarfilm von Ann Carolin Renninger und René Frölke eigentlich nicht viel. Katrin Doerksen schreibt: „In den ersten Minuten des Films liegt Schnee, es fällt dem Mann schwer, den Rollator über die eisverkrusteten Sandwege zu hieven. Im Frühjahr wird sein Geburtstag gefeiert, Freunde kommen zusammen, Rollstühle, Hörgeräte. Bei Marzipantorte redet man über gestiegene Preise, über Pläne für die eigene Beerdigung.Aus einem Jahr der Nichtereignisse beobachtet einen sehr alten Bauern auf seinem Hof. Alles scheint aus der Zeit gefallen, selbst der Film an sich, der auf 16mm gedreht wurde und damit selbst in gewisser Weise zeitfremd geworden ist. Doch genau das macht das Werk so faszinierend, dass man sich unmöglich abwenden kann.


(Trailer zu Aus einem Jahr der Nichtereignisse)

Ihr könnt Aus einem Jahr der Nichtereignisse hier sehen: Der Film steht zur Zeit nicht zur Verfügung.

 

Platz 2: Mrs. Fang – Dem Tod zusehen

Wang Bings Werk Mrs. Fang gewann in Locarno dieses Jahr den Goldenen Löwen. Ins Kino wird er es hierzulande wahrscheinlich nicht schaffen, ein großer Jammer, wie Patrick Holzapfel in seinem Text über die besten Filme 2017, die noch keinen Verleih haben, schreibt: „Locarno zählt zweifelsfrei zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt. Es ist eben schon bedenklich, wenn Sieger von dort der breiteren Kinoöffentlichkeit gänzlich unbekannt bleiben. Es bleibt die alte Erkenntnis, dass Relevanz im Kino nicht gleich Relevanz bedeutet.


(Trailer zu Mrs. Fang)

Ihr könnt Mrs. Fang hier sehen: Der Film steht zur Zeit nicht zur Verfügung.

 

Platz 1: I am not your Negro – Mahnendes Manifest

Schon in seiner Kritik, die wir auf der Berlinale dieses Jahr verfassten, wo I am not your Negro in einer Nebensektion lief, konstatierten wir, dass man diesen Film gesehen haben muss. Wieso das so ist, erklärt Sonja Hartl: „Es ist das große Anliegen dieses Films zu zeigen, dass es immer mehr als eine Geschichte gibt, aber schwarze Geschichtsschreibung im Mainstream keinen Platz hat. Stattdessen dominiert die Geschichte der Sieger, der Mächtigen, die immer die Weißen sind. Alles andere wird als Fußnote behandelt. Aber diese Geschichten sind genauso wichtig, sie müssen bekannt sein. Dabei erweisen sich Baldwins Analysen der 1960er Jahre noch heute als ungemein aktuell, was diesen Film schmerzhaft werden lässt. Es hat sich in den letzten fünfzig, sechzig Jahren wenig bis gar nichts geändert: Weiterhin wird in westlichen Gesellschaften nach Herkunft, Sexualität und Klasse unterschieden, das zeigen die aktuellen Bilder dieses Films, aus Ferguson, von jungen schwarzen Amerikanern, die erschossen wurden, von der #BlackLivesMatter-Bewegung.


(Trailer zu I am not your Negro)

Ihr könnt I am not your Negro hier sehen: DVD/Blu-ray, Amazon Video

 

Welche Spielfilme als die besten des Jahrgangs bei Kino-Zeit gelten, lest ihr hier.

Und hier sind unsere schlechtesten Filme, die wir dieses Jahr durchlitten haben.

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