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Der Sexfilmwellen-Report - Was Sittenwächter nicht für möglich halten

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

Anlässlich des Welttags der sexuellen Gesundheit schaut Katrin Doerksen zurück auf die lange deutsche Tradition des Aufklärungsfilms mit seinen zwei Wellen in den 1920er und 1970er Jahren.

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Bild aus "Schulmädchen-Report 11: Probieren geht über Studieren"
Bild aus "Schulmädchen-Report 11: Probieren geht über Studieren"

„Es wäre ein Unding, diesen im Stil der Scheinauthenzität gehaltenen Interview- und Episodenfilm als die gesellschaftskritische Übung zu verstehen, für die er sich ausgibt,“ schrieb G. Bastian einst im Filmdienst über Ernst Hofbauers Schulmädchen-Report: Was Eltern nicht für möglich halten. Es überrascht kaum, dass das Urteil bei allen 13 Teilen dieser kommerziell erfolgreichsten Reihe der deutschen Sexfilmwelle lautete: Wir raten ab. Die ab 1970 vom Düsseldorfer Produzenten Wolf C. Hartwig in die Kinos gebrachten Filme adaptierten das gleichnamige Buch von Günther Hunold, in dem Mädchen und junge Frauen unter selbsternannten aufklärerischen Absichten über ihre Sexualität interviewt wurden.

Der Filmdienst schrieb damals weiter: „Doch wenn ausziehfreudige 15- und 16jährige ihren Sportlehrer zu „Fall“ bringen, einen Schwimmeister mit Gewalt zum Triolenverkehr verleiten, verklemmte Jungs auf der Baustelle in die „Liebe“ einführen oder einen jungen Priester im Beichtstuhl zu verführen trachten, dann hat man doch wohl nur die Klischees des sexualisierten Unterhaltungsfilms vor Augen.“ Wenn Schulmädchen-Report: Was Eltern nicht für möglich halten exemplarisch für das Genre der Reportfilme der 1970er Jahre steht, dann steht die Filmdienst-Kritik wohl exemplarisch für die Rezeption dieser Filme. Die Zeitungen schrieben verklemmt und moralisch urteilend, gleichzeitig aber auch mit kaum verhohlener Lust am echauffiert sein über die Schulmädchen-Reports, gierig auf das Geißeln des Sündhaften in möglichst ausladende Kapriolen schlagenden Formulierungen. Zugleich kursieren bis heute Anekdoten über regelmäßige freitagabendliche Waffenruhe im Jugoslawienkrieg, weil zu dieser Zeit alle die Schulmädchen-Reports im Privatfernsehen schauten.

 

Ein bewährtes Rezept in wirtschaftlich schwierigen Zeiten

Erstmals wurden in der sogenannten „zensurfreien Zeit“ der Weimarer Republik — also Ende 1918 bis 1920 — zahlreiche vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene Aufklärungs-, Kultur- und Sittenfilme, sozialhygienische und oftmals auch eugenische Filme produziert. Als zweite Phase gilt die in den späten 1960er Jahren einsetzende Sexfilmwelle. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Perioden ziemlich gegensätzlich: In der Weimarer Republik ein Kino der paratextuellen Attraktionen, das die Leute mit sensationsheischenden Titeln und Plakaten in die Kinos lockte, um tatsächlich aufklärerische Inhalte zu vermitteln. Dagegen das Kino der 1960er, das sich einen wissenschaftlichen Anstrich gab, um seine Attraktionen gewinnbringend an der FSK vorbeizuschmuggeln. In Interviews betonte der Schulmädchen-Produzent Wolf C. Hartwig, dass er zwar durchaus aufklärerische Absichten verfolgt habe. Doch er gab auch unumwunden zu, mit den Reportfilmen eine Nische gefunden zu haben, in der es noch Umsätze zu erzielen gab. Nicht umsonst gilt die Sexfilmwelle als letzte Phase, in der der deutsche Filmmarkt noch in der Hand heimischer Produzenten war — ab Anfang der 1980er Jahre begannen amerikanische Filme den Markt zu dominieren.

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In der Weimarer Republik war die wirtschaftliche Lage noch viel komplizierter. Zwar hatte man am 12. November 1918 die Zensur aufgehoben, aber eine Ära der großen formalen und inhaltlichen Experimente brach dennoch nicht an. Mit dem gerade erst verlorenen Krieg und einer ungewissen politischen Zukunft waren die Produzenten auf den raschen Rückfluss ihres Kapitals angewiesen und setzten daher auf ein altbewährtes Rezept — fleischliche Sensationen -, verpackt in ein noch relativ junges Medium. Aufklärungs- und Sittenfilme waren vergleichsweise billig in der Produktion und versprachen zuverlässige Einnahmen. Aus der heutigen Perspektive lassen sie sich weniger als gesellschaftliche Befreiung als vielmehr als Medienhype verstehen.

Die wenigsten der schätzungsweise um die 500 sozialhygienischen, sexualerzieherischen und eugenischen Filme dieser Jahre sind erhalten geblieben. Teils, weil die Nazis in den 1930er Jahren alles aus dem Verkehr zogen, was das Potential hatte, Unruhe im Volk auszulösen, weil es das Leben als gefährdet darstellte. Zuvor jedoch wurden diese Filme in Kinos und Wanderkinos, auf Fortbildungen oder im Rahmen von Hygieneausstellungen gezeigt. Gelegentlich sollten sie die Bevölkerung auch auf die Einführung neuer Gesetze vorbereiten — zum Beispiel der 1927er Der Fluch der Vererbung — Die Nicht Mütter Werden Dürfen von Adolf Trotz, der mithilfe abschreckender Beispiele für die zwangsweise Sterilisierung „Erbkranker“ plädierte. Andere Filme thematisierten die sexuellen Sensationen des Großstadtlebens (Hyänen der Großstadt, Berlins drittes Geschlecht). Beliebt waren aber auch true crime stories, Filme über Mädchenhandel zum Beispiel, eine Art frühes Reportagekino, Milieuschilderungen oder die sogenannten Thesenfilme. 

"Der Fluch der Vererbung. Die nicht Mutter werden dürfen"; Copyright: Filmhaus Bruckmann
„Der Fluch der Vererbung. Die nicht Mutter werden dürfen“; Copyright: Filmhaus Bruckmann

 

Mit Thesenfilmen gegen Paragraphen

Als einer der bekanntesten Thesenfilme der Weimarer Republik gilt Cyankali von Hans Tintner. Die 1930er Verfilmung nach einem Bühnenstück von Friedrich Wolf, eine dramatisch gipfelnde Mischung aus Stumm- und Tonfilm, wandte sich gegen den § 218 — den Abtreibungsparagraphen. Er erzählt die Geschichte der jungen Hete, die mit Zyankali versucht einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen, weil ihr arbeitsloser Freund keine Familie ernähren kann. Gemäß Wolfs Credo „Kunst ist Waffe“ entlarvt er ein System fundamentaler Ungleichheit, in der Verhütung, Gesundheitsvorsorge und Selbstbestimmung ein Klassenprivileg sind (tatsächlich stammten 90% der nach § 218 Verurteilten aus Kleinbürgertum und Proletariat). In Berlin wurde Cyankali bei seiner Uraufführung als Kampfstück gefeiert, doch es dauerte nicht lange, bis vielerorts behördlich gegen Aufführungen vorgegangen wurde. In Bayern kam der Film so gut wie gar nicht auf die Leinwand und bei einer Vorführung in Basel landeten Stinkbomben auf der Bühne.

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Dabei entsprach der Film durchaus den Richtlinien des 1930 bereits etablierten „Lichtspielgesetzes“. So musste in Nachdrehs beispielsweise die weiße Schürze einer „weisen Dame“ durch eine schmutzig graue ersetzt werden, um nicht für illegale Abtreibungen zu werben. Die Aufregung um Cyankali steigerte letztlich nur das Interesse und vielerorts setzte er geradezu eine Mobilisierung gegen den § 218 in Gang. Mit Demonstrationen, Hungerstreiks und Kampagnen solidarisierte man sich mit Ärzten und Patientinnen, denen auf Grundlage des Paragraphen der Prozess gemacht wurde. Auch andere Filme thematisierten illegale Abtreibungen: Franz Hofers 1929er Madame Lu, die Frau für diskrete Beratung oder das 1926er Kammerspiel Kreuzzug des Weibes, der die soziale Ordnung eines typischen Berliner Wohnhauses illustrierte und unter dem Titel Unwelcome Children auch in den USA lief.

Eine andere gesellschaftliche Debatte befeuerte Wilhelm Dieterles 1928er Tendenzfilm Geschlecht in Fesseln. Der Film handelt von Sexualität im Gefängnis, für das es in den späten 1920er Jahren weder einen einheitlichen Strafvollzug, noch Resozialisierungsmaßnahmen gab. Das Thema diente ihm nicht als Vorwand, um schlüpfrige Szenen zu zeigen — Dieterle wollte mit seinem Film in den gesellschaftlichen Diskurs eingreifen.

"Geschlecht in Fesseln"; Copyright: Vereinigte Star-Film GmbH
„Geschlecht in Fesseln“; Copyright: Vereinigte Star-Film GmbH

 

Wir und „die Anderen“

Das wollten auch der Regisseur Richard Oswald und der renommierte Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld. Anders als die Andern feierte seine Premiere am 31. Mai 1919 im Berliner Prinzeß-Theater und erzählte die tragische Geschichte eines homosexuellen Violinvirtuosen, der von einem Stricher erpresst wird — begleitet von einem flammenden Plädoyer Hirschfelds für gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Homosexuellen. Der Film richtete sich klar gegen den § 175, der noch bis 1994 sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte. Kritik gegen Anders als die Andern richtete sich jedoch nicht nur gegen die Inhalte des Films — sondern auch gegen die Religion seiner Macher. Zahlreiche schriftliche Reaktionen weisen unmissverständlich darauf hin, dass es nicht erst eines Adolf Hitler bedurfte, um den Antisemitismus aus den Deutschen hervorbrechen zu lassen: „Grauenvoller Zügellosigkeit, widerlich gemeinem Verbrechertum soll auch in deutschen Landen Tür und Tor geöffnet werden — weil Juda es will, weil man sich unter dem Druck dieses Gesetzes in Ausführung seiner päderastischen Triebe beengt fühlt, denn sie, unsere lieben Juden, sind die „andern als die andern“! Die Päderastie ist eine spezifisch jüdische Erscheinung; man bezeichnet sie ja auch als „sodomitische Krankheit“.“ (1)

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Deutsche Kopien von Anders als die Andern existieren nicht mehr — sie wurden wohl samt und sonders in der NS-Zeit beschlagnahmt und zerstört. Erhalten ist lediglich ein Fragment, das in einer stark sinnentstellten Fassung in der Sowjetunion gezeigt wurde. Glücklicherweise gibt es wenigstens einige schriftliche Zeugnisse, die auch von positiven Effekten des Films künden. Eine Mutter zweier homosexueller Söhne reagierte verärgert auf eine negative Besprechung in der Berliner Allgemeinen Zeitung:

„…musste wieder feststellen, dass es weniger die Homosexualität ist, woran der Homosexuelle leidet, als das Nichtverstehen der Anderen.“

Die Wortwahl erinnert an den Jahrzehnte später unter der Regie von Rosa von Praunheim entstandenen Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, der homosexuelle Männer dazu aufrief, solidarisch und kämpferisch offen mit ihrer Sexualität umzugehen und somit zu einem Auslöser der modernen deutschen Schwulenbewegung wurde. Mit der Wortwahl enden die Parallelen nicht. Der Film ließ sich zwar nicht mehr verbieten, dafür ließ sich die in der ARD geplante Erstausstrahlung am Abend des 31. Januar 1972 kurzfristig absetzen. Lediglich der WDR Köln zeigte Nicht der Homosexuelle ist pervers… mit einer anschließenden Diskussion am späten Abend.

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Das vorläufige Ende der Freizügigkeit

In den Köpfen schien sich seit den letzten Zügen der Weimarer Republik nicht allzu viel verändert zu haben. In Anders als die Andern schien man 1920 den Sündenbock für die Wiedereinführung der Zensur gefunden zu haben, wogegen sich Richard Oswald mit Händen, Füßen und manchmal auch mit gerichtlichen Mitteln wehrte. In einem offenen Brief im Film-Kurier zählte er 45 andere Aufklärungsfilme auf, die in den zurückliegenden Monaten in die Kinos gekommen waren und schrieb, es gäbe in seinem Film

„…weder nackte Weiber, noch nicht einmal dekolletierte.“

Es half nichts, am 12. Mai 1920 wurde das sogenannte „Lichtspielgesetz“ unterzeichnet. Ein purer Euphemismus — es handelte sich zweifelsfrei um ein reines Zensurgesetz. Zentrale Filmprüfstellen prüften ab sofort sämtliche in Deutschland zur Aufführung kommenden Filme und dazugehörige Werbematerialien nach polizeilichen Gesichtspunkten. Eine ideale Vorlage für die Verschärfung des Gesetzes im Jahr 1934, als nicht nur der Katalog der Verbotsgründe erweitert, sondern sogar eine Vorzensur eingeführt wurde, die Drehbücher noch vor der Produktion einstampfen konnte. Für die Aufklärungsfilme bedeutete das vorerst das Ende. Noch 1951 sorgte sogar Willi Forsts Die Sünderin für Tumulte, weil darin kurz Hildegard Knefs nackter Rücken zu sehen war.

Hildegard Knef in "Die Sünderin"; Copyright: Kinowelt Home Entertainment
Hildegard Knef in „Die Sünderin“; Copyright: Kinowelt Home Entertainment

 

Die Sexfilmwelle erfasst Deutschland

Erst in den späten 1960er Jahren entdeckte man im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen — der Kinsey-Report, die Einführung der Pille, Studentenproteste, Strafrechtsreformen — langsam die Aufklärung als Verkaufsargument wieder. Als Vorreiter dieser Welle gilt Helga — Vom Werden des menschlichen Lebens, 1967, von Erich F. Bender, der mit Ruth Gassmann in der Hauptrolle die Schwanger- und Mutterschaft einer jungen Frau nachvollzieht. Der im Auftrag der Gesundheitsministerin entstandene Film wurde zum kommerziellen Hit, ließ das Interesse an Aufklärungsfilmen sprunghaft ansteigen und zog natürlich Vergleiche mit den Werken der 1920er Jahre nach sich. Tatsächlich waren die Genreformeln der späten 1960er Jahre denen ihrer Vorgänger nicht unähnlich: es ging zunächst um Sexualität in gesellschaftlich randständigen Bereichen (…und noch nicht 16, 1968, Peter Baumgartner) und immer wieder auch um thematische Anliegen. Horst Manfred Adloffs 1968er Die Goldene Pille zum Beispiel setzt sich für die Abgabe der Pille auch an junge, unverheiratete Menschen ein.

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Später orientierte man sich an etablierten Genres wie dem Lustspiel oder Heimatfilm, entdeckte Kombinationen mit der Komödie (Graf Porno und seine Mädchen, 1969, Günter Hendel), mit dem Märchen (Grimms Märchen vom lüsternen Pärchen, 1969, Rolf Thiele) oder dem Lederhosenfilm (Pudelnackt in Oberbayern, 1969, Hans Albin und Hans Billian). Von 782 zwischen 1967 und 1980 in der BRD aufgeführten abendfüllenden Spielfilmen deutscher Produktion gehörten 313 im weitesten Sinne zum Sexfilm — etwa 40% des Produktionsvolumens.

 

Ein direktes Abbild der Wirklichkeit?

Ihren kommerziellen Höhepunkt erreichte die Sexfilmwelle jedoch 1970 mit der Einführung eines neuen Subgenres: des Reportfilms, der sich als direktes Abbild der Wirklichkeit verkaufte. In rascher Abfolge entstanden Intim-Report, Hausfrauen-Report — Unglaublich, aber wahr, Urlaubs-Report — Worüber Reiseleiter nicht sprechen dürfen, Seitensprung-Report, Der neue heiße Report — Was Männer nicht für möglich halten, Jungfrauen-Report, Verführerinnen-Report, Mädchen beim Frauenarzt, Wer einmal in das Posthorn stößt — Ein Briefträger-Report, Bademeister-Report, Mädchen auf Stellungssuche — Der Hostessen-Sexreport, Tanzstunden-Report… Die Liste ist lang und viele Filme gaben sich den Report-Zusatz im Titel nur, um auf den kommerziellen Trendzug aufzuspringen. Nur an den Erfolg der Schulmädchen reichte niemand heran.

Aufklärungswillen kann man den 13 Teilen der Reihe vielleicht nur eingeschränkt zugestehen — dazu sparen sie viel zu viele Themen aus: es gibt in den Schulmädchen-Reports keine Homosexualität, keine SM-Praktiken oder Analverkehr, kaum einmal wird über Verhütungsmethoden oder Schwangerschaften gesprochen. Männer sind den Konsequenzen und der Verantwortung ihres sexuellen Handelns fast vollständig entbunden — und nackt zu sehen sind sie ebenfalls kaum. Andererseits macht die Kreativität der Filme auch ihren Reiz aus — sie mussten schließlich so weit wie möglich die Grenzen der FSK ausreizen. Im entscheidenden Moment wird da oftmals gestört, die Action humoristisch gebrochen oder durch einen bürgerlich moralisierenden Off-Kommentar verfremdet. 

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Für Sittenwächter wurde die Einteilung in gute und böse Filme schon bald wieder einfacher, eindeutiger. Ab 1974 hatte die Sexfilmwelle ihren Zenit überschritten. Das neue Sexualstrafrecht erlaubte es nicht mehr „schwer jugendgefährdende“ Filme in Spielplänen und Schaukästen zu bewerben. Stattdessen wurde im Januar 1975 die Pornografie bedingt freigegeben und verdrängte den Sexfilm bald nahezu vollständig. Deutsche Produktionen florierten, dazu kamen Importe aus den USA und ab den 1980er Jahren griff man für entsprechende Gelüste sowieso auf das neue Medium Video zurück. 

Was bleibt, ist trotzdem weit mehr als die Erinnerung an zwei Produktionszeiträume voller obskurer Entdeckungen. Die erhaltenen (und leider oft vom Verfall bedrohten) Filme sind Zeugnisse der deutschen Mentalitätsgeschichte. Und nicht nur die Filme, gerade auch die entsprechenden Zensurgeschichten, die Kritiken und Briefe an die Filmemacher. Sie fördern oft Abstoßendes zutage, manchmal aber auch zart Berührendes. So schloss ein Zeitungsredakteur seinen Brief an Magnus Hirschfeld nach der Sichtung von Anders als die Andern: „Gleichzeitig mit diesem Briefe geht ein anderer an meine Eltern ab. In ihm will ich sie auf Ihr Werk aufmerksam machen. Sie sollen es sehen, und dann will ich ihnen auch das Letzte von mir sagen.“

 

 

(1) Diese und nachfolgende schriftliche Reaktionen auf Anders als die Andern sind dem Buch „Anders als die Andern. Ein Film und seine Geschichte“ von James Steakley entnommen.

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