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Dennis Hopper Now

Ein Beitrag von Elisabeth Hergt

Er war Schauspieler, Regisseur, Fotograf, Maler und ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Dennis Hopper hat sich in seinem Leben nie geschont. Was ist uns von dem unbändigen Künstler geblieben?

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Dennis Hopper in "Giganten"
Dennis Hopper in "Giganten"

Am 15. Juli kommt Francis Ford Coppolas Kriegsfilm Apocalypse Now von 1979 aufwendig restauriert als 4K-Final Cut auf die große Leinwand zurück. Dennis Hopper spielt darin auf kongeniale Art und Weise einen amerikanischen Fotojournalisten, der komplett in seiner Manie aufgeht und das Geschehen in Vietnam so in seinem unendlichen Wahnsinn ein Stück weit greifbarer macht. Der Zeitpunkt ist gut, um einen Blick auf den Mann zu werfen, der die Filmgeschichte als Bösewicht, Antiheld und Outlaw in seiner Konsequenz vielleicht wie kein anderer geprägt hat und auch heute noch unsere Wahrnehmung schärft.

Der junge Dennis Lee Hopper aus Kansas, geboren 1936 in Dodge City, hätte in den 1950ern der neue Golden Boy in Hollywood werden können. Sein feines Gesicht, das verschmitzte Lächeln und dazu dieser intensive Blick in die Kamera. Seine markante Ausstrahlung hätte jeden Blockbuster bereichert, jedenfalls wenn es nach Columbia-Boss Harry Cohn gegangen wäre. Der wollte dem Jungschauspieler, der sich später am Actors Studio in New York unter Lee Strasberg ausbilden ließ, allerdings erst mal seine Ernsthaftigkeit und Vorliebe für Shakespeare austreiben und ihn medienwirksam für seine kommerziellen Studioproduktionen als neuen Star inszenieren.

„Go fuck yourself“, bekam er als Antwort und Dennis Hopper ging zu Warner und drehte dort an der Seite von James Dean in Rebel Without a Cause / … denn sie wissen nicht, was sie tun (1955) und Giant / Giganten (1956). Hopper, der sich eigentlich selbst schon für den besten Schauspieler seiner Zeit hielt, fand in James Dean sein Idol und einen Vertrauten, dessen Tod ihn erschütterte. Die Arte-Dokumentation Dennis Hopper — Create (or Die) / Spiel (oder Stirb) (2003) von Henning Lohner und Ariane Riecker beschreibt diese Momente treffend. Überhaupt wird hier das Bild eines Mannes gezeichnet, der sich unweigerlich als Kreativer verstand, als Getriebener, der seine eigentlich introvertierte Natur durch Kontrollverluste kompensierte. 

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Der Gesetzlose

Schon mit Henry Hathaway stritt sich Hopper am Set von From Hell to Texas / Schieß zurück, Cowboy (1958) über die Gestaltung der Szenen. Generell neigte er fortan immer mehr dazu, sich gegen das vorherrschende System aufzulehnen. Deshalb wurde es erst mal ruhiger um ihn. Er widmete sich dem Method Acting, fotografierte, mischte sich unter die New Yorker Kunstszene und wirkte in einigen Fernsehproduktionen mit. Nebenbei schmiss er Drogen ein und trank exzessiv. Seine erste Hauptrolle spielte er 1961 in dem stimmungsvollen Thriller Night Tide, bevor er 1965 und 1969 sogar wieder mit Henry Hathaway an den Western-Filmen The Sons of Katie Elder / Die vier Söhne der Katie Elder und True Grit / Der Marshal arbeitete und an der Seite von John Wayne zu sehen war.

Dennis Hopper spielte uns das Image des Outlaws nicht nur vor, er verinnerlichte ein Lebensgefühl, das ihn zunehmend an den Rand der Gesellschaft trieb, dorthin, wo das Gesetz nicht mehr greift und sich eine unkalkulierbare Freiheit manifestiert. Es folgte ein Paukenschlag der Filmgeschichte: Easy Rider. 1968 tat sich Hopper mit Peter Fonda, Terry Southern und Jack Nicholson zusammen. Mit einem Budget von gerade mal 375.000 Dollar entwickelten sie eine Geschichte um zwei Biker namens Wyatt (Fonda) und Billy (Hopper), die auf ihren Motorrädern von Kalifornien nach Florida fahren. Drogenkonsum, Sex und die Hippiekultur werden gnadenlos offen und ungeniert gezeigt. Die Straße wird zum Sehnsuchtsort, der Roadtrip durch ein Land voller Widersprüche zu einer bewusstseinserweiternden Erfahrung.

Produktion und Dreh glichen ebenfalls einem Rausch und immer wieder kam es zu kreativen Machtkämpfen zwischen Hopper und Fonda. Methodisch wurde viel improvisiert, mit wenig Dialog, dafür mit viel Spiel und eindringlicher Rockmusik gearbeitet. Gedreht wurde nicht im Studio, sondern an realen Schauplätzen mit überwiegend natürlichem Licht. Hopper schnitt den Film über 22 Wochen auf gut 165 Minuten. Gegen seinen Willen wurde er dann noch mal auf 95 Minuten gekürzt. Actionkino, Zeitgeist, New Hollywood: der Film spielte als Independent weltweit beeindruckende 60 Millionen ein und Hopper wurde in Cannes für seine erste Regiearbeit ausgezeichnet. Oscar-Nominierungen für das Drehbuch und Jack Nicholson folgten.

Dennis Hopper hatte mit seinem Regiedebüt einen authentischen, konterkulturellen Aufschrei gegen die Konventionen des prüden Amerikas geliefert; ein Land, das sich bis heute mit stolzer Flagge an eine idealisierte Symbolik der Selbstbestimmung klammert, dabei gleichzeitig aber auch Einheimische, Individualisten und Grenzgänger nur solange frei agieren lässt, bis diese der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und unbequem werden. Geprägt durch den Kultfaktor, den der Film auch heute noch ausstrahlt, entwickelte eine neue Generation von Filmmachern neue Techniken und alternative Filmbilder.

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Gegen den Strich

Hopper verkörperte dieses Unbequeme weniger als Rebellion gegen etwas, sondern als Dekonstruktion, um etwas Neues zu schaffen. 1970 drehte er in Peru den Film The Last Movie über den Stunt-Koordinator Kansas, der nach dem Tod eines Darstellers einfach bleibt, sich in eine Frau im Dorf verliebt und das Western-Projekt mit den Indigenen eigenmächtig weiterdreht. Es entsteht ein surreales Chaos auf der Metaebene. Eigentlich hätte dieses Werk Hoppers Debüt werden sollen, aber kein Studio wollte den Film vor dem Erfolg von Easy Rider finanzieren. Universal stieg schließlich ein und hoffte auf den nächsten Hit. Hopper kaufte sich im Anschluss an den Dreh ein Haus in Taos, New Mexico, schottete sich ab und legte schließlich eine so experimentelle Schnittfassung vor, dass der Film durch seine unzugängliche Machart an den Kinokassen floppte. Hopper gewann den Kritikerpreis in Venedig, wurde aber in Hollywood nicht mehr gefördert.

Dennis Hopper in "The Last Movie"; Rapid Eye Movies
Dennis Hopper in „The Last Movie“; Rapid Eye Movies

Steven Spielberg, George Lucas und Francis Ford Coppola entwickelten sich vor seinen Augen zu innovativen Filmemachern. Er aber verlor sich immer mehr im Alkohol- und Drogenkonsum und seine zweite Ehe scheitert. Insgesamt heiratete er fünf Mal, zeugte vier Kinder. Erst in den 1980ern schafft er es clean zu werden und seinen Fokus auf neue Arbeiten zu richten.

Zunächst verschlug es Hopper aber erst mal nach Europa, wo er unter anderem 1977 in Wim Wenders Kriminalfilm The American Friend / Der amerikanische Freund an der Seite von Bruno Ganz den skrupellosen amerikanischen Kunsthändler Tom Ripley spielte. Hopper selbst liebte die Kunst, malte abstrakte und impressionistische Bilder, auch mit Bezügen zu seinen Filmen. Er bewunderte die Pop Art von Roy Lichtenstein und Andy Warhol und besaß zahlreiche Bilder von bekannten Künstlern, wie beispielweise von Julian Schnabel, der ihn auch portraitierte und später seinen Film Basquiat (1996) mit Hopper drehte. 1988 wurde Dennis Hopper: Photographs, 1961-1967 veröffentlicht, eine Sammlung seiner Fotografien.

 

Ikone des Bösen

1979 kam Coppolas visuell eindrucksvoller und stilistisch verstörender Film Apocalypse Now in die Kinos. Ein psychedelischer Ausnahmezustand. Beim Dreh auf den Philippinen kam es dauernd zu Verzögerungen. Immer war jemand betrunken, stoned, nahm LSD oder Speed. Hopper hatte sich nicht gewaschen, um sich in seine Rolle einzufühlen und wandelte wie benommen umher. Improvisationen ersetzten die Texte, an die man sich nicht mehr erinnern konnte. Alle waren irgendwie verrückt geworden, aber dem Ensemble um Martin Sheen, Robert Duvall, Harrison Ford und Marlon Brando gelang es trotzdem ein prägnantes Filmwerk abzuliefern, das man jetzt wieder im Kino bestaunen kann.

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Mit dem kanadischen Coming-of-Age-Film Out of the Blue legte Dennis Hopper nach langer Auszeit 1980 erstmals wieder ein eigenes Regiewerk vor, gefolgt 1988 von der Milieustudie Colors – Farben der Gewalt mit Sean Penn und Robert Duvall. Dabei fällt vor allem auf, dass Hopper eine ganz eigene Sensibilität für Randfiguren hatte, Charaktere, die mit ihrem Schicksal hadern, sich Obsessionen hingeben oder gegen eine Welt aufbegehren müssen, die sie nicht wahrnimmt. Er selbst war ein Mann, der sich lange vom Exzess beherrschen ließ und dadurch vielleicht sein Potential nicht in allen Facetten ausspielen konnte. Er hat deutlich über die Stränge geschlagen, konnte sich dadurch aber in seiner Arbeit auch Außenseitern authentisch annähern und die von ihm verkörperten Filmschurken in ihren Extremen wirkungsvoll ausgestalten.

Dennis Hopper hat so einen genreübergreifenden Typus geschaffen und unsere Aufmerksamkeit auf finstere und gebrochene Nebenrollen gerichtet, auf Freaks wie Frank Booth in Blue Velvet (1986) von David Lynch, Shooter Flatch in Hoosiers / Freiwurf (1986), Clifford Worley in True Romance — Wahre Liebe (1993), Deacon in Waterworld (1995) oder den Terroristen Howard Payne im Actionfilm Speed, der vor genau 25 Jahren in die Kinos kam.

Dennis Hopper in "Speed"; 20th Century Fox Home Entertainment
Dennis Hopper in „Speed“; 20th Century Fox Home Entertainment

Eine ganze Bandbreite anderer Schauspielprojekte folgte über die Jahre. Durchaus mit qualitativen Schwankungen, aber er musste einfach arbeiten. Dann wurde er krank. Dennis Hopper starb am 29. Mai 2010 mit 74 Jahren in Los Angeles. Filmemachern wie Quentin Tarantino, Martin Scorsese, David Fincher oder den Coen-Brüdern ebnete er ein Stück weit den Weg. Schauspieler wie Robert de Niro, Anthony Hopkins, Christian Bale, Jake Gyllenhaal oder Christoph Waltz agieren ähnlich physisch und komplex. In der modernen Filmlandschaft würde man sich noch mehr Mut zur Kontroverse wünschen, eine detaillierte Hingabe zu brüchigeren Figuren und Rissen im Fundament. Es fehlt sein ambivalenter Blick und die Unberechenbarkeit seines Spiels in den Bildern von heute. Seine unerschöpfliche Spielwut ist aber allgegenwärtig in den Filmen, die Dennis Hopper hinterlassen hat. Das Böse bleibt ja schließlich immer irgendwie verlockend und aktuell.

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