zurück zur Übersicht
Features

Advent, Advent: Andreas Köhnemann über "It Follows"

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

…, der ihn vorübergehend zum Paranoiker machte.

Meinungen

Ich mag Gruselfilme. Insbesondere die, bei denen sich der Grusel nicht (nur) auf der Leinwand, sondern ganz hinterlistig in meinem Kopf entfaltet – im Idealfall weit über die Sichtung des Films hinaus. Was das über mich aussagt, werde ich vielleicht einmal in einem anderen Text ergründen. Hier will ich nun über It Follows schreiben, der für mich ein mustergültiger Lieferant für hübsch-gemeines Kopfkino-Material ist.

Die Story von It Follows klingt gewiss ein bisschen absonderlich. Es geht um die 19-jährige Jay aus Detroit, die einen Jungen kennenlernt und mit diesem ihr erstes Mal erlebt. Danach erklärt ihr der junge Mann, dass er etwas auf sie übertragen hat: „Es“ werde sie nun so lange verfolgen und zu ermorden versuchen, bis sie „es“ an eine andere Person weitergegeben habe (und falls diese Person sterbe, kehre „es“ wieder zu ihr zurück). Dabei könne „es“ die Gestalt eines jeden Menschen annehmen – sowohl fremd als auch vertraut. Und so geschieht es: Alsbald heften sich apathisch-derangierte Leute an Jays Fersen und greifen sie an.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

(Trailer zu It Follows von David Robert Mitchell)

Bis zu meiner It Follows-Erfahrung war Der weiße Hai Verursacher meines größten Film-Traumas. Allerdings konnte ich der Angst vor dem fiesen Fisch seinerzeit deutlich leichter entkommen – weil ich mich lediglich von Wasser fernhalten musste (wobei ich dazusagen sollte, dass ich die Gefahr einer plötzlichen Haiattacke damals – vor vielen, vielen Jahren – nicht nur im Meer, sondern auch im Schwimmbad als extrem hoch ansah). It Follows ist wesentlich perfider in seiner Erzeugung von nachwirkender Furcht, denn in jeder Stadt finden sich zahllose zombie- und smombiehaft umherlaufende Gestalten, bei denen man nie weiß, ob man gerade von ihnen gestalkt wird oder sie einem rein zufällig folgen. Auf meinem Rückweg nach dem Kinobesuch habe ich mich jedenfalls sehr oft umgedreht. Hätte sich an diesem Abend eine kurios anmutende Person verdächtig auf mich zubewegt, wäre ich womöglich schreiend davongelaufen (und ich will nicht wissen, welches Kopfkino ich dadurch ausgelöst hätte).

Auch in den folgenden Tagen (oder Wochen?) war ich auf der Hut – bis ich dazu überging, etwas mehr über die anderen Qualitäten von It Follows nachzudenken: die talentierten Jungstars (wunderbar: Maika Monroe und Keir Gilchrist), die interessanten Bezüge (etwa zu T.S. Eliot, Dostojewski oder zum Fotokünstler Todd Hido) – und nicht zuletzt die Tatsache, dass seit den Peanuts nicht mehr derart treffend gezeigt wurde, wie sehr die Welt der Teenager von der ihrer Eltern und Autoritätspersonen getrennt ist. Inzwischen bin ich wieder mehr ein Film-Nerd und weniger ein Paranoiker. Sollte ich also tatsächlich die Hauptfigur eines It Follows-Sequels (mit erstaunlich clever konstruierter Metaebene) sein, wär’s bisher ein ziemlich zäher Film. Vielleicht ist „es“ aber auch noch auf dem Weg von Detroit nach Mannheim – und kommt näher, Schritt für Schritt … oje, es geht schon wieder los.

(Andreas Köhnemann ist als leitender Redakteur bei kino-zeit.de tätig; er schreibt u.a. für spielfilm.de, critic.de sowie das „Deadline“-Magazin und hält sich oft in dunklen Kinosälen auf, wo „es“ ihn hoffentlich niemals finden wird.)

Meinungen