Die ersten Minuten von Sabine Kleist, 7 Jahre… gehören zu den hoffnungslosesten und gnadenlos realistischsten Filmanfängen, die der deutsche Kinderfilm zu bieten hat. Zuerst wird in wenigen Schwarzweißfotos von einem Autounfall und einigen Szenen danach gezeigt, wie Sabine ihre Eltern verloren hat – und dann sieht man ihr dabei zu, wie sie den Abschied von der Erzieherin Edith verkraften soll, die nun hochschwanger das Kinderheim verlässt. Sabine ist verzweifelt, „ich will nicht!“ – und dann zieht sie los, in die Berliner Nacht hinein.

Immer wieder gibt es dann kurze Sequenzen, die Menschen – Edith und ihren Mann, die Polizei – auf der Suche nach Sabine zeigen, vor allem aber folgen wir dem Mädchen auf einer episodischen, fast traumartig anmutenden Reise durch die Stadt. Zuerst mit einem Zirkus, auf dem Rücken eines Pferdes, dann im Gespräch mit einem Musiker auf einem Friedhof. Auf einer Entbindungsstation sucht sie Edith, am Strand spielt sie mit einer Familie, schließlich hilft sie einem Arbeiter, der gerade angetrunken von seiner Abschieds- und Ehrungsfeier zurückkehrt.

Helmut Dziuba macht aus dieser Geschichte kein großes Abenteuer, eher einen stillen Einblick in die DDR-Hauptstadt der frühen 1980er Jahre; kleine Portraits von Menschen sind das: einsam, glücklich, in Gemeinschaft, unzufrieden, unsicher, selbst fragend und suchend. Am Ende kehrt Sabine dann aus freien Stücken ins Heim zurück, und man weiß gar nicht so recht, was sie gefunden hat – womöglich aber dies: Dass sie sich selbst auch schon genug sein kann, dass sie auch alleine stark genug ist, die Welt zu erkunden; dass sie ihr Zuhause wählen kann und nicht unbedingt Edith braucht.

Sabine Kleist, 7 Jahre… ist ein Klassiker des DEFA-Kinderfilms, der vor allem deshalb so beglückt, weil er sich Zeit lässt für alle Begegnungen, fürs Suchen und Finden, und weil er ganz in Ruhe genau hinschaut. Vorsichtig tastend wie seine blasse, traurige kleine Heldin.

FSK 6, empfohlen ab 7 Jahren

Auf dem YouTube-Kanal der DEFA-Stiftung kostenlos verfügbar.