zurück zur Übersicht
Streaming-Tipps

Streaming-Tipp des Tages: Showgirls

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Meinungen
Showgirls
Showgirls

Es gibt wenige Filme, die bis heute derart verkannt sind, wie Showgirls von Paul Verhoeven. Als der Film 1995 in die Kinos kam, wurde er förmlich vernichtet – ja gehasst: Schund, Müll, unerotischer Trash. Die Geschichte vom naiven Landmädchen, das nach Las Vegas kommt, um dort als Nackttänzerin durchzustarten, ist im Grunde die klassische amerikanische Erzählung vom Aufstieg, von der Sehnsucht nach Anerkennung, in einer Gesellschaft, die vom ökonomischen Austausch bestimmt wird. Es ist die schmutzige Variante von A Star is Born, eine Reise in das Herz der kapitalistischen Finsternis, in der ein Krieg geführt wird. Bis heute wird Showgirls als Erotikfilm gelabelt. Auch, weil Verhoeven zuvor mit Basic Instinct einen Klassiker des erotischen Thrillers gedreht hat. Dabei hatte der niederländische Regisseur etwas völlig anderes im Sinn: Showgirls ist eine böse, finstere Satire.

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von YouTube präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

Es handelt sich um eine Splitterbombe, die genussvoll in das Zentrum der amerikanischen Kultur geworfen wird. Wie schon zuvor bei RoboCop oder Total Recall erweist sich Verhoeven als Meister der Form, in der er geschickt Oberfläche und Überreibung mit Trash kurzschließt. Man darf nicht den Fehler machen und eine realistisch erzählte Geschichte erwarten: Der Film selbst ist ein Showgirl, eine Nummer, ein Produkt seines Themas. Das so viel kritisierte, mitunter ekstatisch-gekünstelte Schauspiel von Elizabeth Berkley ist völlig kalkuliert: Nomi Malone ist immer schon eine Rolle, die Schauspielerin spielt eine Spielerin, die sich in ihrer eigenen Oberfläche verliert und jede Szene zerbersten lässt. Wenn sie im Pool mit Kyle MacLachlan schläft, dann reitet sie eine Welle. Das ist obszön, vollkommen überdreht.

Und eben darin, in dieser Übertreibung, zerbricht Verhoeven die Erwartung und dreht den Blick um. All die nackten Brüste werden zu bloßem Fleisch und die männliche Gewalt zum Gegenstück einer Kultur, in der jeder seinen Platz verteidigen muss – einsam und unerbittlich. Nomi ist eine Ware und sie hat diese Existenz angenommen. Man kann Showgirls als Camp feiern, wie es in der queeren Community gerne getan wird. Vielmehr aber sollte man ihn ernst nehmen – als Tragödie: Der ganze Film ist ein Trauerspiel, eine Leere. Vielleicht ist der Hass, der dem Film bis heute entgegenschlägt, ein Zeichen dafür, wie gut und entlarvend Showgirls letztlich ist. 

Den Film gibt es derzeit bei MUBI.

Meinungen