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Streaming-Tipp des Tages für Kinder: Fannys Reise

Ein Beitrag von Rochus Wolff

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Fannys Reise
Fannys Reise

Fanny ist 13 Jahre alt und lebt mit ihren zwei jüngeren Schwestern in einem Waisenhaus. Allerdings sind ihre Eltern nicht tot – ihre Mutter schickt jeden Tag einen Brief. Aber es ist das Jahr 1943, und in diesem Heim irgendwo in Frankreich sind die jüdischen Kinder vor dem Zugriff der Deutschen sicher. Als der Unterschlupf verraten wird, müssen sie überstürzt in den Süden Frankreichs aufbrechen – mit der Hoffnung, vielleicht in die Schweiz fliehen zu können. Natürlich geht nicht alles glatt, und statt mit Madame Forman, die sie auf die Reise schickt, gemeinsam weiterzufahren, muss Fanny auf einmal die Gruppe von Kindern unter ihre Fittiche nehmen – nur sie könne das, sagt Forman, die anderen seien zu ängstlich oder zu klein, aber du, Fanny, „du bist dickköpfig“.

Lola Doillons Film Fannys Reise beruht auf dem gleichnamigen Roman von Fanny Ben-Ami, die – es gibt also so etwas wie ein gutes Ende – auf diese Weise den Holocaust überlebt hat. Es ist eine Geschichte, die sich konsequent auf Augenhöhe der Kinder bewegt und aus dieser Perspektive gnadenlos auf die Erwachsenen blickt: die Mutigen, die Verzweifelten, die Ängstlichen, die Aufschneider. Nur dass es hier wortwörtlich um Leben und Tod geht und so einige Situationen gibt, in denen der Ausgang ungewiss ist – ob wirklich alle aus der Gruppe die Reise überleben werden?

Direkte Gewaltdarstellungen gibt es dabei nicht zu sehen, das Geschehen ist auch so aufwühlend und mitreißend genug. Doillon führt ihr großartiges Kinderensemble elegant durch den Film, man muss sich schon wundern, dass Fannys Reise nie einen deutschen Kinostart hatte. Vielleicht weil sich hier, anders als zum Beispiel in der jüngsten Verfilmung von Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, kein Vertreibungsidyll zeigen lässt, kein Familienglück im Unglück. Stattdessen sind hier Kinder, die zwar durch grüne Wiesen gen Grenze tollen, aber ein paar hundert Meter weiter laufen Männer in Stahlhelmen herum, die nicht zögern würden, sie in die Gaskammern zu schicken.

Deshalb lässt sich nur sagen: Diesen Film unbedingt gemeinsam mit den Kindern anschauen, am besten mit Kindern, die schon eine ungefähre Vorstellung davon haben, was der Holocaust bedeutet, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist. Und anschließend noch einmal darüber sprechen, was im Film passiert – und darüber, warum erwachsene Menschen glauben können, es sei eine gute Sache, Kinder wegen ihrer Herkunft zu ermorden.

FSK 6, empfohlen ab 10 Jahren

Auf zahlreichen Plattformen als VoD verfügbar.

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