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Darling der Woche

"Jewcy Movies": Das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg 2022

Ein Beitrag von Teresa Vena

Meinungen
Hauptmotiv des Jüdischen Filmfestivals Berlin Brandenburg 2022

Vom 14. bis 19. Juni 2022 findet die 28. Ausgabe des Jüdischen Filmfestivals in Berlin und Potsdam statt. Eine knappe Woche lang gibt es ein umfangreiches Programm an Dokumentar- und Spielfilmen. Insgesamt bietet das Festival eine Auswahl von 43 Filmen und sogar zwei Serien. Vertreten sind dabei verschiedene Genres vom Drama über die Komödie bis zum Historienfilm sowie kleinere und größere Produktionen. Zum Tragen kommen vielseitige Blickwinkel, die das Jüdischsein und die Realität für Personen jüdischen Glaubens widerspiegeln. In einigen Beiträgen steht dies im Zentrum, in anderen gehört das jüdische Element ganz einfach zur Vielfalt der jeweiligen Gesellschaft mit dazu.

Eingeteilt sind die Filme in zwei Wettbewerbe, jeweils einen für Spielfilm und einen für Dokumentarfilm, zudem gibt es die Sondersektion „Kino Fermished“, in der verschiedene Genres und Filmlängen vermischt außer Konkurrenz sind. Als Ergänzung dazu widmet das Festival Jeanine Meerapfel, Regisseurin, Autorin und Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, eine Hommage. Einige ihrer Werke werden mit thematisch passenden Titeln in Relation gestellt. Das Gesamtprogramm ist auf www.jfbb.info einsehbar. Wir haben uns darin umgesehen und einige Empfehlungen zusammengestellt. 

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Wir könnten genauso gut tot sein“ von Natalia Sinelnikova

Die Welt ist ein bedrohlicher Ort. Eine Gruppe von Menschen hat sich in einem großen Wohnhaus mit enger Umzäunung verbarrikadiert. Hier darf nur einziehen, wer einen peniblen Bewerbungsprozess überstanden hat. Die Bewohner haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis, für das Anna innerhalb der Gemeinschaft als Sicherheitsbeauftragte verantwortlich ist. Lange läuft alles wie immer, doch dann beginnen sich, skurrile Ereignisse – oder besser gesagt Nicht-Ereignisse – zu häufen. Und die Stimmung kippt. Mit viel Scharfsinn evoziert Natalia Sinelnikova in ihrem Regiedebüt eine Atmosphäre der Paranoia, die, traurigerweise, perfekt in unsere Zeit zu passen scheint. Sie inszeniert den Stoff kompromisslos, was einen herausfordert. Sie findet aber auch immer wieder zu humorvollen Szenen und Bildern, die schon fast Kultcharakterpotential haben.

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„Rose“ von Aurélie Saada

Rose ist 78 Jahre alt. Ihr Mann ist gerade gestorben. Nach einer kurzen depressiven Phase, in der sich ihre erwachsenen Kinder um sie Sorgen machen und gerne die Wohltäterrolle sehen, übernehmen, findet Rose zu neuer Lebensfreude. Sie schminkt sich, lernt Wodkatrinken zu genießen, fährt nach 40 Jahren das erste Mal wieder Auto und verliebt sich. Ihre Kinder waren glücklicher, als sie sich gehen ließ. Es kann ja nicht sein, dass ihre Mutter gelassener mit dem Leben und der Liebe umgeht als sie selbst. Trotz seiner plakativen, in Teilen recht kitschigen Seite bringt einem der Film nicht nur einige jüdische Bräuche näher, sondern zeichnet ein liebevolles Porträt seiner Protagonistin und ihrer gar nicht so ungewöhnlichen Familie. Humor gepaart mit mitreißender, sorgfältig ausgewählter Musik machen „Rose“ zum anrührenden, lebensbejahenden Film. 

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„Der Passfläscher“ von Maggie Peren

Cioma Schönhaus lebt alleine in einer großen Berliner Wohnung. Es ist 1942, seine Eltern, Juden, wurden in den Osten deportiert. Gemeinsam mit seinem Freund versucht er alles, um genug Essensmarken zu sammeln. Cioma ist ein Stehaufmännchen, das es schafft, sich mit einer gewissen Portion an Selbstvertrauen und auch Selbstüberschätzung von den vielen Rückschlägen, die der einstecken muss, nicht unterkriegen zu lassen. Als Juden dürfen sie nämlich nicht den öffentlichen Verkehr benutzen, ins Restaurant gehen oder sonst am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Dafür bräuchten sie einen gültigen Ausweis. Doch woher nehmen, wenn nicht fälschen? Das Historiendrama lebt von recht differenziert gezeichneten Figuren, die von einem souveränen Schauspielensemble verkörpert werden. Für die Schwere des Stoffes, der nach der Lebensgeschichte des echten Cioma (und wohl vieler anderer) entwickelt wurde, wirkt die Inszenierung geradezu leichtfüßig. 

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„Concerned Citizen“ von Idan Haguel

Ben und Raz sind ein mittelständiges homosexuelles Paar, das sich in einem bisher noch unbeliebten Stadtteil von Tel Aviv eine Eigentumswohnung gekauft hat. Hier sind die Preise tief, weil es viele Ausländer, Einwanderer aus dem arabischen Raum und Schwarze gibt. Doch in wenigen Jahren wird sich das ändern, denken sie sich. Und bis dahin üben sie sich in Toleranz und sehen sich als Vorreiter in einer multikulturellen Gesellschaft. Ben hat einen Baum vor dem Haus bepflanzt, der ihm sehr wichtig ist. Eines Nachts lehnen sich zwei junge Afrikaner daran. Aus Angst, dass er unter ihrem Gewicht abknicken könnte, bittet Ben sie, damit aufzuhören. Als sie nicht hören, ruft er die Polizei, die einen der Männer derart schlagen, dass er stirbt – was Ben von seinem Fenster aus mitbekommt. Eindrücklich fängt der Film die Schuldgefühle ein, die Ben fortan nicht mehr loslassen. 

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„The Red Star“ von Gabriel Matías Lichtmann

Ein Regisseur findet im Nachlass seines Großvaters Fotos und Unterlagen zu einer gewissen Laila Salama. War sie eine Spionin, die als Jüdin für den britischen Geheimdienst gearbeitet hat und an der Verhaftung von Adolf Eichmann beteiligt war? Der Mythos ist groß, doch weder die Geschichtsbücher noch die Experten, die der Regisseur befragt, können Aufschluss darüber geben. Das Mockumentary nutzt die Schnitzeljagd um einen fiktive Figur, um anhand von umfangreichem Archivmaterial die Verbindung Argentiniens zu den Nationalsozialisten aufzuarbeiten. Mit viel Humor, einer dynamischen Inszenierung, die sich durch schnelle Schnitte und spielerischem Bildaufbau auszeichnet, setzt sich der Film mit seinem ernsten Stoffe auseinander. 

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„Summer Nights“ von Ohad Milstein

Der Film beschäftigt sich mit Vater-Sohn-Beziehungen über drei Generationen hinweg. Der Regisseur reflektiert sein Verhältnis zu seinem Vater und gleichzeitig, was dieses für den Umgang mit seinem eigenen Sohn bedeutet. Ohne viele Worte berühren die suggestiv eingefangenen Bilder. Zum Protagonisten wird der kleine Junge, der altklug einen tiefgründigen Spruch nach dem anderen formuliert. 

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„A Tree of Life“ von Trish Adlesic 

2018 wurde in der „A Tree of Life“-Synagoge im US-amerikanischen Pittsburgh ein Attentat verfügt, bei dem elf Menschen ermordet wurden. Der Dokumentarfilm lässt die Hinterbliebenen und Überlebenden zu Wort kommen und trägt Aufnahmen zusammen, die vom Gottesdienst gemacht wurden, bevor es zur Gewalttat kam. A Tree of Life zeigt ebenfalls, welchen Einfluss der Vorfall auf das gesellschaftliche Zusammenleben im Ort hatte, und zeichnet im Endeffekt ein hoffnungsvolles Bild von Solidarität, Anteilnahme und Versöhnung.

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„Babi Yar. Context“ von Sergei Loznitsa

Auf die neue Aktualität, die Loznitsas Dokumentarfilme mit dem Krieg in der Ukraine bekommen haben, hätte man gerne verzichtet. Für Babi Yar. Context hat er Originalmaterial verschiedener Archive gesammelt, das die Vernichtungsaktionen nationalsozialistischer Einsatztruppen in der Ukraine 1941 in ihren historischen Kontext setzt. Dabei kamen über 33.000 Juden um. Der Film zeigt Bilder des Einmarsches der Truppen in die Ukraine, von wahlloser, massiver Zerstörung, von Flucht, von der Besetzung Kiews und der Wirkung der Propaganda. Zu den eindrücklichsten Szenen gehören die Prozesse am Ende, in denen verschiedene Zeugen auftreten – darunter ein deutscher Soldat mit dem Befehl zu töten. 

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„Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch

Eine Theatertruppe in Warschau bereitet ein satirisches Stück über Hitler vor. Es ist 1939, und bevor sie Premiere feiern können, holen sie die Ereignisse ein. Das Stück müssen sie absetzen, stattdessen spielen sie Hamlet, in der Hauptrolle Joseph Tura. Seine Frau Maria hat einen Verehrer, einen Kampfpiloten, der durch Zufall von der drohenden Entlarvung eines Oppositionellenrings erfährt. Um die Katastrophe zu verhindern, muss die Theatergruppe aktiv werden und wahrlich ihr schauspielerisches Talent unter Beweis stellen. Diese Tragikomödie von Ernst Lubitsch ist 1942 in den USA, wohin der Regisseur aus Deutschland geflohen war, entstanden. Es bevölkert sie ein ähnlicher Geist wie Chaplins Der große Diktator. Man sollte die Gelegenheit nicht versäumen, dieses Filmmeisterwerk, das einen nach (jedem) Ansehen tief ins Herz trifft, auf der großen Leinwand zu sehen.

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