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Darling der Woche

Setjetting auf 270 Seiten: "Szene für Szene die Welt endecken" von Andrea David

Ein Beitrag von Christian Neffe

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Andrea David am Drehort der Tanzszene von "La La Land".
Andrea David am Drehort der Tanzszene von "La La Land".

Auf unserem Island-Roadtrip vor einigen Jahren stießen meine Gefährten und ich im Norden — dank üblicher Recherche nach sehenswürdigen Plätzen bei Google-Maps — auf die Höhle, in der wohl die große erste Liebesszene zwischen Jon Snow und Igrid in Game of Thrones gedreht wurde. Vorfreudig nahmen wir die Kilometer in Kauf, nur um dann in einer viel zu dunklen, engen und ganz und gar unspektakulären Nische mit ein wenig Wasser zu landen. Was für eine Enttäuschung — die wir durch etliche andere tolle Drehort-Entdeckungen hätten wegmachen können, hätten wir nur Andrea Davids Szene für Szene die Welt entdecken dabeigehabt.

Andrea David ist leidenschaftliche Filmtouristin, oder auch etwas spezieller: eine Setjetterin. Deutschlands bekannteste sogar, geht man von ihrer Social-Media-Präsenz aus. Seit 2007 reist sie um die Welt, um alle nur erdenklichen Drehorte auf Bild zu bannen. Nun ist ihr erstes Buch erschienen: Auf 270 Seiten hat sie Reiseberichte, Filmanekdoten und vor allem Fotos versammelt. Letztere mit einem besonderen Kniff: David hält Szenenbilder aus den entsprechenden Filmen passgenau vor die fotografierten Hintergründe, sodass Film und Realität verschmelzen. Ein großer Aufwand, der mit viel Recherche und dem Mitführen dutzender bis hunderter Bilder bei ihren Reisen verbunden ist.

 

Gut 200 solcher Aufnahmen haben es ins Buch geschafft, dazu gibt es Hintergründe zu den Reisen, zu den Besuchen der Drehorte, Geschichten über Begegnungen mit Menschen, die vor Ort leben und sich entweder hilfsbereit oder überrascht zeigten, dass in ihrer Straße einst etwa Zurück in die Zukunft oder Edward mit den Scherenhänden gedreht wurde. Ihre Reisen führten die Filmtouristin dabei natürlich vor allem in US-amerikanische Klein- und Großstädte — L.A., New York, Philly — sowie in rurale Gebiete, aber auch in die karge Schönheit Islands, die grünen Felder Irlands, die trockenen Weiten Spaniens oder nach Schottland. Just dort machte David vor gut 20 Jahren auch ihre ersten Erfahrungen als Filmtouristin, griff das Thema in ihrer Diplomarbeit auf und startete 2007 schließlich ihren Blog. Inzwischen ist sie vor allem durch ihre Instagram-Seite bekannt.

Szene für Szene die Welt entdecken ist hochwertig gedruckt, die Kapitel sind nur wenige Seiten lang, die Texte sind knackig-kurz und im lockeren, persönlichen Stil gehalten. Das Ergebnis ist ein wunderbar kurzweiliges Schmökerwerk für alle, die sich für die Entstehungshintergründe von Filmen interessieren, für die Nachwirkungen, die sie an ihren Drehorten hinterlassen (die Kleinstadt etwa, in der Grüne Tomaten entstand, existiert nur noch dank des Films, der die Menschen dorthin zurückbrachte), und für das Thema Filmtourismus selbst: Das Buch liefert Inspiration sowie allgemeine und spezielle Tipps für erste eigene Setjet-Trips durch Europa oder die USA. Denn David nimmt zwar einzelne Filme als Ausgangpunkte für ihre Reisen und Berichte, besucht in jeder Gegend aber stets die Drehorte mehrerer Filme und gibt Auskunft darüber, wie man sie erreicht. Am Lake Powell in Utah etwa geht es von Planet der Affen über Gravity und John Carter bis zu Gefährliche Brandung.

 

So werden Fantasy- und Science-Fiction-Schauplätze wieder auf den Boden der realen Welt zurückgeholt. Auch wenn damit die dezente Gefahr einer Entzauberung besteht: Die Lektüre von Szene für Szene die Welt entdecken macht neugierig darauf, wie Location-Scouts und Filmteams arbeiten — und wie Filme und Serien aus einfachen Orten ganz besondere Plätze machen, die sich auf ewig in unsere Erinnerungen einbrennen.

Die Jon-Snow-und-Igrid-Höhle, die wir in Island besuchten, hat es übrigens nicht ins Buch geschafft — da hat die Filmcrew wohl etwas zu viel getrickst, das Original ist nicht ansatzweise fotogen. Dafür aber ein Wasserfall im Süden des Landes, vor dem sich der Held der Serie und eine gewisse Drachenreiterin schließlich nahekommen, und vor dem ich damals ebenfalls stand, ohne ihn aber erkannt zu haben. Umso schöner ist es, jetzt im Buch darauf gestoßen zu sein.

(c) Andrea David, Filmtourismus.de / Forrest Gump / Paramount Pictures

„Szene für Szene die Welt entdecken“ ist im Conbook Verlag erschienen. 278 Seiten, 19,95 Euro. Weitere Infos und Leseprobe: www.conbook-verlag.de/buecher/szene-fuer-szene-die-welt-entdecken/

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