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Darling der Woche

Those awful Hats!

Ein Beitrag von Bianka-Isabell Scharmann

Meinungen
Audrey Hepburn als Holly Golightly in Frühstück bei Tiffany
Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany @ Public Domain

Man kann ihnen durch alle Dekaden der Filmgeschichte folgen: den Fedoras, den Zylindern, Melonen, und Peppinas, den Boatern und Trilbies, den Glockenhüten, Kappen und Sonnenhüten. Es ist keine Chronologie, die sich aufspannt, wenn man den Hüten und Kopfbedeckungen Aufmerksamkeit schenkt. Sondern es ergibt sich ein komplexes Geflecht aus sozialen und filmischen Codes, Stardom, modischen Trends und politischen Komponenten, die sich eben auch in den Entscheidungen der Kostümdesigner*innen niederschlagen. Anlässlich des nationalen Hat-Days in den USA am 15.01., schauen wir auf die gut behüteten Köpfe der Filmgeschichte.

Heute fast aus dem alltäglichen Straßenbild verschwunden, waren Hüte lange Zeit unabdingbarer Teil der Garderobe – Dresscodes galten auf der Straße und auf der Leinwand. Man kann anhand der 60er Jahre zwei Faktoren identifizieren, warum Hüte nach und nach verschwanden: zum einen das Haar selbst und die Erfindung des Haarsprays, die das „Haar als Hut“ kreierten; zum anderen hängt die Verdrängung des Hutes mit der zunehmenden Demokratisierung – auch der Mode – zusammen, sodass Hut nicht mehr gleichzusetzen war mit Status. Hüte, je nach Jahrzehnt, in dem der Film produziert wurde, senden verschiedene, filmische Botschaften, die wir als Zuschauer*innen zu interpretieren haben.

 

Stars, Hüte und Ikonen

Die Stars des klassischen Hollywood-Kinos: perfekt ausgelichtet und ausgestattet. Es waren vor allem die Diven, die Schauspielerinnen, die Hut trugen und deren Kopfbedeckungen für Aufsehen sorgten. Was wäre Marlene Dietrich ohne die verschiedenen traumhaften und oftmals schwierig zu tragenden Hutkreationen, wie etwa der spanische Kamm mit Fransen aus Der Teufel ist eine Frau (1935), gewesen? Ihr Gesicht wird von Federn gerahmt – wie in Sehnsucht (1936) –, von Gaze verschleiert oder aber durch einen starken Schattenwurf einseitig in Dunkelheit getaucht: reinste Dramatik.

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Als Teil des Kostüms helfen Hüte den Schauspieler*innen, sich in die Rolle einzufühlen und mit diesen zusammen den Charakter und dessen Wirkung zu bilden. „Und Givenchys Hüte! Sie ließen das Gesicht in der Großaufnahme stets wie ein wundervoll gerahmtes Bild erscheinen“, sagte Audrey Hepburn über ihre Zusammenarbeit mit dem Designer Hubert de Givenchy. Man denke nur an ihre Geste des Herunterziehens der Sonnenbrille in Frühstück bei Tiffany (1961). Und Audrey Hepburns Look in Ein süßer Fratz (Funny Face) (1957) löste einen regelrechten Hut-Hype aus. 

Auf der anderen Seite haben Hüte auch männliche Ikonen geschaffen: was wären die Blues Brothers (1980) ohne ihre Trilbies? Oder der Cowboy ohne seinen Hut, der Detektiv ohne die ins Gesicht gezogene Krempe? Die Fedora machte Indiana Jones Outfit erst perfekt und Alex aus Uhrwerk Orange (1972) spielt mit gesellschaftlichen Codes durch das Tragen einer Melone.

 

Das Eigenleben der Hüte

Hüte können auch verborgene Fähigkeiten besitzen, wie etwa in James Bond 007 – Goldfinger, wenn Oddjobs (Harold Sakata) Melone sich in eine rasiermesserscharfe Waffe verwandelt und eine Statue köpft. Ein, oftmals modisches, aber meist konventionelles Stück der Garderobe, welches die Person gut behüten soll, also vor Umwelteinflüssen schützen, wird zur Gefahr für genau den Teil des Körpers, den es zu zieren und zu beschützen erdacht wurde.

Mit Hüten kann auch getanzt werden. Gene Kelly macht das meisterhaft vor in einer Tanzszene des Musicals An American in Paris: die Sequenz beginnt mit fünf sich schnell bewegenden Hüten, die von Händen hochgehalten werden, welche man gerade so sehen kann. Nach und nach schieben sich dann die Körper der fünf Tänzer ins Bild. Strohhüte allesamt, mit verschiedenen Bändern, sind Teil der Performance – und nicht nur schönes Beiwerk des Kostüms.

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Moderner Mainstream

Was also symbolisieren Hüte nach 1960, wenn sie denn dann auftauchen? Interessanterweise werden Hüte im Film, gerade im Mainstream-Kino, oft benutzt, um Klassenzugehörigkeit aufzuzeigen. Man denke an ein augenfälliges Beispiel: Pretty Woman (1990). Vivian (Julia Roberts) wird auf Shoppingtour geschickt. „Are you looking for something in particular?“ „Something conservative…“ „Yeah…” Bezeichnenderweise steht ein Mannequin in der Mitte des Shops – mit Hut. Nachdem ersten, missglückten Versuch sehen wir Vivian erfolgreich transformiert auf der Straße: in weißem Kostüm und mit Hut. Vivian wird nun als zugehörig zur Klasse anerkannt. Bezeichnend ist dann auch ihr Auftritt beim Polospiel: in Kleid und eben mit passendem Hut fügt sie sich bestens in ihre ‚neue‘ Umgebung ein.

 

Hut in Serie

Ein weiteres aktuelles Beispiel, gerade in Bezug auf die Bedeutung des Huts für die Frau, ist die schon ikonisch gewordene Kopfbedeckung aus The Handmaid’s Tale (2017 bis heute). In einer dystopischen Zukunft tragen die einzig fruchtbaren Frauen weiße Hauben mit großen Flügeln, die sie vor den Blicken von anderen – vor allem Männern – abschirmen sollen. Das Spannende daran: die Idee ist keine neue, sondern eine sehr alte. Als der Damenhut sich im 18. Jahrhundert durch setzte geschah dies nicht als modisches Accessoire – sondern verheiratete Frauen mussten alle eine Haube tragen. Sie waren buchstäblich „unter die Haube gekommen“. Haar gehörte verdeckt, es war zu aufreizend und hätte anderen Männern den Kopf verdrehen können.

Ein Wissen um Hüte und ihre Historie, ihre gesellschaftlichen und filmischen Codes, kann helfen, die teilweise unbewusst wahrgenommenen Botschaften leichter zu entschlüsseln.

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Elisabeth Moss in The Handmaid’s Tale @Hulu

 

Zurück zu den Anfängen

Ein Film läuft auf der Leinwand, die Zuschauer*innen schauen gebannt auf die Bilder. Es kommen nach und nach immer wieder neue Personen in den Saal, auf der Suche nach einem Sitzplatz. Es bricht Unruhe aus und die Neuankömmlinge werden zunehmend attackiert – bis eine Frau zum Schluss sogar per Kran aus den Reihen gehoben wird. Der Grund für den Ärger: Es sind Hüte! Große, ausladende, dekorierte, die anderen Köpfe überragende Modelle. Those Awful Hats von D.W. Griffith aus 1909 ist ein Kurzfilm der Stummfilmzeit, der die Damen darum bittet, im Kinosaal doch bitte ihre Hüte zu entfernen. Dies hat sicherlich für reichlich Unmut gesorgt! Eine Frau ohne ihren Hut, in der Öffentlichkeit? Unvorstellbar!

Wenn Hut heute getragen wird, dann meist als modisches Statement. Frauen müssen nicht mehr gut behütet sein, um aus dem Haus gehen zu können. Nur schade, dass wir voreinander nun nicht mehr tatsächlich den Hut ziehen können.

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