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Darling der Woche

Kinderfrei und Glücklich in Hollywood? Gibt's Nicht.

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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"Gefühlt Mitte Zwanzig" von Noah Baumbach
"Gefühlt Mitte Zwanzig" von Noah Baumbach

Mutterschaft ist im Kino ein schier unerschöpfliches Thema. Man denke nur an eine Handvoll Neuerscheinungen diesen Jahres: Cannes wurde gerade erst von Annette eröffnet, einem Musical über die besonders talentierte Zweijährige eines Künstlerpaares. Venedig zieht im September mit Parallel Mothers von Pedro Almodóvar nach, einem Regisseur, in dessen Werk es vor Müttern nur so wimmelt. Und die neue A24-Horrorkomödie False Positive erzählt von einer Frau, die sich in der Schwangerschaft von ihrem Fruchtbarkeitsexperten verfolgt fühlt.

Überhaupt: Rosemarys Baby, Mother, Hereditary, Der Babadook? Wenn man sich die vielen Horrorfilme so anschaut, in denen Frauen eine Hauptrolle spielen, könnte man meinen, dass die Mutterschaft sie regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Nur… Keine Kinder zu haben, scheint, wenn man Hollywood glauben mag, ebenfalls der erste Schritt in die Unzurechnungsfähigkeit.

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Es gibt sie ja, die kinderlosen Frauen im Film. Nur sind sie nicht selten absolute nutjobs. Da wären zum Beispiel zwei der drei Frauenfiguren aus The Girl on the Train, denen die Mutterschaft verwehrt bleibt und die daher völlig am Rad drehen. Jason Reitmans Young Adult, in der eine Frau versucht das Familienleben ihres Exfreundes zu zerstören. Später kommt heraus, dass sie eine Fehlgeburt hatte. In Raising Arizona von den Coen-Brüdern erfährt die Protagonistin, dass sie keine Kinder bekommen kann und stiftet daraufhin ihren Mann an ein Baby zu stehlen. In Noah Baumbachs Gefühlt Mitte Zwanzig macht sich ein kinderloses Paar lächerlich, weil es sich „nicht altersgemäß“ verhält.

Die Liste ist endlos und an dieser Stelle spürt man eventuell den Impuls sich auf die vielen großen Blockbuster herauszureden, die alles, nur nicht realistisches, alltägliches Leben abbilden. Frauen in Uniformen und mit übermenschlichen Fähigkeiten werden doch wohl keine Mutter-Issues haben, oder? Oder? Auftritt The Huntsman and the Ice Queen, in dem sich die Eiskönigin in eine Furie verwandelt, nachdem ihr Baby von ihrer verrückten Schwester umgebracht wurde. Der Film buchstabiert es sogar konkret aus, wenn die Erzählerstimme aus dem Off erklärt: „Sie konnte kein Baby aufziehen, also zog sie eine Armee heran.“ Nicht einmal Black Widow ist vor solchen Problemen gefeit. In Avengers: Age of Ultron gesteht sie Bruce Banner, dass sie während ihrer Ausbildung sterilisiert wurde und fragt ihn dann allen Ernstes: „Glaubst du jetzt immer noch, du bist das einzige Monster im Team?“

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Die übrigen kinderfreien Frauen im Film sind entweder so jung, dass das Kinderkriegen erst der nächste gesellschaftlich akzeptierte Schritt für sie wäre (man denke etwa an Frances Ha oder die vielen RomComs, die Frauenfiguren den Männern zuführen, mit denen sie schließlich ihren Kinderwunsch erfüllen können), oder sie übernehmen eine mutterähnliche Rolle (wie im Drama Summerland) — oder sie sind schlicht keine relevante Hauptfigur.

Dabei entscheiden sich immer mehr Frauen bewusst für ein kinderfreies Leben. Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 9,66 Millionen Ehepaare ohne Kinder, Tendenz steigend. Jede fünfte Frau in Deutschland ist kinderlos oder kinderfrei, die Zahlen in anderen westlichen Ländern sprechen eine ähnliche Sprache. Und das aus guten Gründen: Steigende Lebenshaltungskosten und eine unsichere Zukunft, die Klimakrise oder — guess what — einfach die Abwesenheit jeglichen persönlichen Bedürfnisses nach einem Menschen, der auf Jahre hinaus 24/7 von einem abhängig ist. Trotzdem läuft es in der Regel so: Wer offen darüber spricht keine Kinder zu wollen, muss sich erklären, wird angegriffen oder schlicht nicht ernst genommen. Ach, wenn erst der Richtige kommt… In ein paar Jahren wirst du die Uhr schon ticken hören…

Kein Wunder, dass Filme, die kinderfreie Frauen positiv darstellen, rar gesät sind. Jackie Brown fällt einem ein, oder der in vielerlei anderer Hinsicht ziemlich furchtbare Eat Pray Love. Die einzige große Ausnahme bildet der Dokumentarfilm To Kid Or Not To Kid von Maxine Trump, in dem die Filmemacherin gewissermaßen laut darüber nachdenkt, ob sie Kinder bekommen will oder nicht. Dabei trifft sie zahlreiche Paare, die sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, Frauen, die darum kämpfen sich sterilisieren lassen zu dürfen, die dafür mit zügellosem Hass überschüttet werden. Ehrlich gesagt wirkt der Film sogar recht unkonzentriert, weil er regelrecht gehetzt von Person zu Person springt, unzählige Argumente und Sichtweisen versucht mit einzubeziehen. Allein das schon ein Hinweis darauf, wie viel mehr es über kinderfreie Frauen zu erzählen gäbe. Liebe Drehbuchautor*Innen, jetzt seid ihr an der Reihe.

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