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Darling der Woche

Empathie im Reality-TV: "Queer Eye"

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

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Die Fab Five aus "Queer Eye"
Die Fab Five aus "Queer Eye"

Bei Reality TV denkt man an Hohn und Spott, an eine billige und böswillige Vorführung der Leute, die hier angeblich ganz „echt“ gezeigt werden. Besonders zynisch ist dies bei Formaten, die vorgeben, den präsentierten Menschen helfen zu wollen — sei es auf der Suche nach Liebe oder bei der Veränderung ihrer äußeren Erscheinung und/oder ihrer Lebensräume.

Queer Eye — das Netflix-Reboot einer Reality-Sendung, die zwischen 2003 und 2007 lief — hätte all das gewiss ebenfalls sein können: Es geht um 5 schwule Männer, die sich pro Episode einer Person widmen, um diese in den Bereichen Mode, Körperpflege, Ernährung, Innenausstattung und Kultur zu beraten. Hier könnten nun sowohl die queeren Berater als auch die Kandidat_innen als Klischeefiguren bzw. als „hoffnungslose Fälle“ als Vorlage für dumme, schnelle Witze dienen.

Das geschieht aber nicht. Statt sich lustig zu machen, porträtiert die Serie 5 kluge, witzige und einfühlsame Männer, die das, was sie tun, lieben — und (so kitschig das jetzt auch klingen mag) ebenso ihrem Gegenüber, das beraten werden soll, mit Liebe und aufrichtigem Interesse begegnen. Dabei handelt es sich zudem um 5 Menschen mit einem Background, der immer wieder bedeutsam ist. Wir mögen nicht mehr in den konservativ-homophoben 1950er Jahren leben — aber dennoch hat dieses Quintett konfliktreiche Geschichten hinter sich, die nicht ausgeblendet, jedoch auch nie ausgeschlachtet werden.

Hinzu kommt, dass das Format von seinem ursprünglichen Konzept abgerückt ist: Während es im Original in erster Line darum ging, dass ein Hetero-Mann von den Tipps der queeren Fab 5 profitiert (und dabei natürlich etliche Klischees doch eher bestätigt statt gebrochen wurden), geht es nun um Hilfe gegenüber allen Menschen. In einer Folge ist es eine ältere woman of color, die sich für ihre Gemeinde ins Zeug legt — und ihre eigenen Bedürfnisse darüber völlig vergessen hat; in einer anderen Episoden wird ein Trans*-Mann kurz nach seiner Brust-OP begleitet.

Queer Eye ist kein Fernseh-Voyeurismus, keine Show, in der Menschen degradiert und bloßgestellt werden, sondern die mit sehr viel Emotion und Empathie davon erzählt, dass man sich auch mal helfen lassen kann — und dass es Spaß macht, anderen zu helfen. Das genügt wohl, um zu unserem Darling der Woche erklärt zu werden!

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