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Darling der Woche

Die Auferstehung des New York Ninja

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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John Liu in "New York Ninja"
John Liu in "New York Ninja"

Wer in den Achtziger Jahren Actionfilme schaute, ist höchstwahrscheinlich nicht am Ninja-Craze vorbeigekommen. Chuck Norris räumte 1980 in Octagon in einem geheimen Ninja-Trainingscamp auf, 1981 wurde Franco Nero in Ninja, die Killer-Maschine als Vietnamkriegsveteran in den Rang eines Ninja erhoben und danach gab es kein Halten mehr. Die Ninja, ursprünglich Schattenkämpfer aus dem japanischen Feudalreich, zogen sich als Konstante durch das US-amerikanische Actionkino der 1980er und -90er Jahre, öffneten das Genre weiter gegenüber den asiatischen Kampfkünsten und launchten die Karrieren von Stars wie Jean-Claude Van Damme oder Steven Seagal.

1984 kündigte sich dann der nächste große Aufschlag an: „WHEN YOU BACK A TIGER INTO A CORNER HE COMES OUT FIGHTING!“ versprach die Werbung in den Branchenblättern, darunter der vielversprechende Schriftzug: „Coming Soon“. Beworben wurde damit New York Ninja, eine Low-Budget-Produktion, wie gemacht für ihre Zeit. Der Plot: Der Tontechniker eines Nachrichtenmagazins wird zum Selbstjustiz-Ninja, nachdem seine schwangere Ehefrau im damaligen Kriminalitäts-Hotspot N.Y.C. einem Mord zum Opfer fällt. In der Hauptrolle: Der taiwanesische Kung-Fu-Künstler John Liu (um auf den damaligen Bruce-Lee-Hypetrain aufzuspringen, in den Werbematerialien konsequent als Lee betitelt). 

New York Ninja versprach den absoluten Wahnsinn: Einen Bösewicht namens Plutonium Killer mit schmelzendem Gesicht. Rudy Ray Moore, Dolemite höchstpersönlich, als Detective. Kung-Fu-Kämpfe auf Rollschuhen. Und natürlich reichlich Ninja-Action.

John Liu in "New York Ninja" © Vinegar Syndrome Pictures
John Liu in „New York Ninja“ © Vinegar Syndrome Pictures

Schnitt. Wir schreiben das Jahr 2021. Kürzlich war New York Ninja erstmals auf dem Beyond Film Fest auf einer großen Leinwand zu sehen. Was ist passiert?

Nun, in der Kurzfassung: Das was häufig passiert, wenn eine Filmfirma pleite geht. Mitte der 1980er Jahre musste die zuständige Produktions- und Verleihfirma 21st Century Film Corporation (nicht zu verwechseln mit der 21st Century Fox), die auf Low-Budget-Genrefilme spezialisiert war, Bankrott anmelden. New York Ninja war zwar abgedreht, doch niemand hatte mehr das Geld um irgendetwas mit dem Material anzufangen. Jahrzehnte später landete das unbearbeitete Kameranegativ im Archiv eines kleinen Verleihers mit einem Herz für apokryphe Archivarbeit. Ohne dazugehöriges Audio. Ohne Credits, ohne Storyboard oder auch nur ein Drehbuch. Für Vinegar Syndrome gab es darauf nur eine mögliche Antwort: Challenge accepted!

Über zwei Jahre gaben sich die Macher Zeit, um den New York Ninja wieder zum Leben zu erwecken. Die Expertise war da. Vinegar Syndrome hatte etwa 2013 drei verschollene Sexploitation-Filme von Herschell Gordon Lewis als Box-Set herausgebracht. Also wurde ein sogenannter Re-Director engagiert, Kurtis M. Spieler, der das Material sichtete, schnitt und ein dazu passendes neues Drehbuch verfasste. Weil es nicht gelang John Liu selbst zu kontaktieren, verpflichtete Vinegar Syndrome eine Reihe B-Movie-Größen die Darsteller zu synchronisieren, darunter etwa Scream Queen Linnea Quigley (The Return of the Living Dead). Die Detroiter Band Voyag3r steuerte einen vor Synthesizern schweren Soundtrack bei.

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Nur ein Mitglied der damaligen Crew gelang es aufzutreiben: Special-Effects-Artist Carl Morano, der damals sein etwa 100 US-Dollar umfassendes Budget vorrangig für den schmelzenden Kopf des Plutonium Killers ausgab. Im Gespräch mit der New York Times berichtet er von improvisiert wirkenden Drehtagen, Ressourcenmangel. Rudy Ray Moore habe das Projekt längst verlassen, berichtet er, sei im Script jedoch nach wie vor als Mr. Dolemite geführt worden.

Das Ergebnis hält Morano letztlich trotzdem für etwas Besonderes: „Sehr anders als die meisten Ninjafilme dieser Zeit.“ Lius Figur verschwinde häufig von seinem Arbeitsplatz, um als Ninja ausgerüstet zuzuschlagen und sich kurz darauf wieder unauffällig in den Alltag einzugliedern. „Ähnlich wie in Superheldenfilmen, wie Clark Kent.“

Es wäre wahrscheinlich einfach gewesen den New York Ninja einfach zum Abschuss freizugeben. Die Low-Budget-Ästhetik, der Camp-Faktor, ein klarer Fall von so bad they’re good? Doch zum Glück ging Vinegar Syndrome sensibler mit dem Material um. Dazu Spieler: „Wir wussten, dass es campy und albern und over the top ist. Aber wir wussten auch, dass man den Film aus heutiger Sicht auf eine andere Weise wertschätzen kann.“

 

New York Ninja ist bei Vinegar Syndrome auf BluRay erschienen. In den USA ist ein Kinostart für Anfang 2022 geplant.

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