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Darling der Woche

Buster Keaton: Der Mann mit dem Pokerface

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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Buster Keaton in "Sherlock Jr."
Buster Keaton in "Sherlock Jr."

Er ist nur sechs Monate alt, als er eine Treppe hinunterfällt. Die Aufregung ist groß, doch als die Eltern den kleinen Jungen aufheben, lacht er. Keinen Kratzer, nicht einmal einen blauen Fleck trägt er davon. „That was a buster“, schmunzelt der große Zauberkünstler Harry Houdini. Und der Vater überlegt: „Das ist ein guter Name! So werden wir ihn nennen.“

Knappe drei Jahrzehnte später ist der Junge von damals einer der größten Stars der Stummfilmära. Seine verspielten, actionreichen Filme und seine schmächtige Erscheinung, stets mit flachem Porkpie-Hut und versteinertem Gesichtsausdruck, während sein Körper die unglaublichsten Verrenkungen ausführt, bringen die Menschen landauf landab zum Lachen. Und selbst heute, 55 Jahre nach seinem Tod, gilt Buster Keaton nach wie vor als einer der wichtigsten Einflüsse auf jeglichen körperlichen Humor.

Bei seiner Geburt — am 4. Oktober 1895 in einer kleinen Gemeinde in Kansas — trug Buster nur seinen bürgerlichen Namen: Joseph Frank Keaton. Auf der Bühne stand er schon im zarten Alter von drei Jahren. Das bleibt wohl nicht aus bei Eltern, die als Vaudeville-Künstler arbeiten. Joseph (Joe) Hallie Keaton und Myra Keaton performten als Sänger und Tänzer, traten gemeinsam mit Houdini auf und lernten schon bald die Tatsache auszunutzen, dass ihr Sohn scheinbar alle Stürze völlig schad- und klaglos überstand. Aus einem intuitiven Körperwissen heraus schien er zu ahnen, welche Muskeln er entspannen und anspannen musste, um keine Verletzungen zu erleiden.

Die "Three Keatons": Buster und seine Eltern 1901; Gemeinfrei
Die „Three Keatons“: Buster und seine Eltern 1901; Gemeinfrei

Irgendwann montierten ihm die Eltern sogar einen Henkel an den Rücken, um den Jungen leichter ins Publikum werfen zu können. Was mit heutigen Sicherheitsbestimmungen sicher nicht mehr in Einklang zu bringen ist, versetzte die Leute damals in Entzücken. Und vor allem eines lernte Buster: Je weniger er tat, je ausdrucksloser er jegliche Gewalt scheinbar über sich ergehen ließ, desto lauter lachten die Menschen.

Diese Wissen kam ihm zugute, als er Jahre später über eine Verkettung von Umständen zum Film stieß. Er hatte einen alten Freund wiedergetroffen, der inzwischen in einem New Yorker Filmstudio arbeitete und ihn auf einen Rundgang einlud. Am Set traf Keaton dort den ehemaligen Vaudeville-Künstler Roscoe „Fatty“ Arbuckle, der ihn spontan auf einen Auftritt in seinem neuen Film einlud: The Butcher Boy (1917) wurde Keatons Leinwanddebüt. Der kamerabegeisterte junge Mann war Feuer und Flamme.

Nur wenige Jahre später war Buster Keaton der Star (und Stuntman) seiner eigenen Langfilme — und sein Wagemut sollte ihm beinahe zum Verhängnis werden. In Sherlock Jr. spielte er 1924 einen Filmvorführer, der ständig neben dem Projektor einschläft und im Traum in die Filme hinein katapultiert wird. Für eine der Actionszenen lief er auf einem fahrenden Zug, sprang von Waggon zu Waggon und hielt sich am Hahn eines riesigen Wassertanks fest, der ihn schließlich wieder auf der Erde absetzen sollte. Doch das hervorschießende Wasser entwickelte einen derartigen Druck, dass es Keaton auf die Schienen schleuderte. Ganz Profi stand er auf, spielte weiter und litt lediglich für ein paar Tage unter Kopfschmerzen.

Erst Jahre später erinnerte ihn ein Arztbesuch erneut an den Vorfall. Wann er sich den Hals gebrochen habe, fragte der Doktor besorgt: Sein Röntgenbild zeigte ganz eindeutig den Bruch eines Nackenwirbels. Buster Keaton hatte das nicht einmal bemerkt.

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Wie wohl jeder Künstler erlebte Buster Keaton in seiner Jahrzehnte währenden Karriere Hochphasen und auch einige Tiefs. Doch im Nachhinein kann seine Bedeutung kaum überschätzt werden. Filmemacher von Orson Welles über Peter Bogdanovich bis zu Jackie Chan, Mel Brooks und Johnny Knoxville zähl(t)en ihn zu ihren großen Vorbildern. Und die vermeintliche Rivalität mit Charlie Chaplin? Nun, der US-Kritiker Walter Kerr schrieb 1975 in seinem Buch The Silent Clown:

„Lasst Chaplin König sein und Keaton Hofnarr. Der König herrscht über alles, der Narr sagt die Wahrheit.“

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