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"Der Obercineast der Republik" - Zum Tode von Enno Patalas

Ein Beitrag von Joachim Kurz

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09.08.2017 — Bereits am Dienstag, den 07.08 2018 ist der Filmhistoriker und Filmkritiker Enno Patalas im Alter von 88 Jahren in München gestorben, wie das Filmmuseum München bekannt gab. Dessen Geschicke leitete Patalas von 1973 bis 1994 als Direktor.

Zunächst hatte Patalas, 1929 in Quakenbrück geboren, eigentlich Politikjournalist werden wollen. Zwischen 1949 und 1954 studierte er Publizistik und Germanistik in Münster und kam dort mit dem Neorealismus in Berührung, der ihn stark prägte und seine Liebe zum Kino entfachte. Gemeinsam gründete er mit Benno Klapp und Theodor Kotulla den Filmclub an der Universität Münster und begann erste Filmkritiken zu veröffentlichen. 

Einige Jahre später, im Jahre 1957, gründete Patalas gemeinsam mit Wilfried Berghahn die Zeitschrift Filmkritik, bis heute eines der wichtigsten und einflussreichsten Organe der Bundesrepublik, das sich bewusst gegen die altväterliche Art und Weise der Filmkritik wandte, die bis dato im Mief der Nachkriegszeit gedieh.

Filmkritik orientierte sich an Autoren wie Lotte Eisner und Siegfried Kracauer, suchte den Kontakt zu den Cahiers du cinéma, von denen teilweise Beiträge übernommen und ins Deutsche übersetzt wurden. Für Filmkritik schrieben unter anderem Hartmut Bitomsky, Harun Farocki, Frieda Grafe, Ulrich Gregor, Dietrich Kuhlbrodt, Wim Wenders und viele andere mehr. Und auch heute noch lohnt die Auseinandersetzung mit der Zeitschrift, die bis 1984 erschien, sehr und ist selbst heutzutage noch mehr als anregend.

Ebenso einflussreich war Patalas als Direktor des Münchner Filmmuseums , für das er nicht nur zahlreiche Retrospektiven durchführte, sondern vor allem auch als Konservator und Bewahrer des Filmerbes in Erscheinung trat und ein großes Filmarchiv aufbaute, das sich vor allem auf Filmklassiker konzentrierte., aber auch auf Stummfilme, den Neuen Deutschen Film und das Werk von Karl Valentin. 

Gemeinsam mit Ulrich Gregor verfasste er 1963 eine Geschichte des Films, die jedem Interessierten schell zum Standardwerk wurde. Zudem schrieb er Filmkritiken für Die Zeit und wirkte bei Monographien zu Fritz Lang, Ernst Lubitsch, und Friedrich Wilhelm Murnau mit, zudem schuf er filmische Essays für den WDR über die beiden letztgenannten und über Jean Vigo, Jean Renoir und Josef von Sternberg. 

Patalas war von 1962 bis zu deren Tod 2002 mit der Filmkritikerin Frieda Grafe verheiratet, die für zahlreiche Kritiker bis heute ein unerreichtes Vorbild ist. 

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