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Quinzaine programmiert Netflix-Film und riskiert Bruch mit Cannes

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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Bild zu Wounds von Babak Anvari
Wounds von Babak Anvari - Filmbild 1

24.04.2019: In einer offiziellen Pressekonferenz hat die Quinzaine des Réalisateurs gestern ihr diesjähriges Programm bekanntgegeben — darunter auch ein von Netflix vertriebener Film. Die Entscheidung steht quer zur Haltung des Filmfestival von Cannes, das bereits seit zwei Jahren keine Filme des Streaming-Giganten mehr programmiert.

Wounds heißt der Horrorfilm des britisch-iranischen Regisseurs Babak Anvari (Under the Shadow), der mit Zazie Beetz, Dakota Johnson und Armie Hammer in den Hauptrollen von den Dingen erzählt, die einem Barkeeper aus New Orleans zustoßen, nachdem er ein hinter dem Tresen gefundenes Mobiltelefon an sich nimmt. Produziert wurde Wounds unter anderem von Annapurna Pictures und feierte seine Weltpremiere im vergangenen Januar auf dem Sundance Film Festival.

Cannes hatte sich entschieden Netflixproduktionen aus dem offiziellen Programm zu nehmen, nachdem französische Verleiher über die Netflix-Praxis Beschwerden geäußert hatten: In Frankreich müssen in Cannes gezeigte Filme einen Kinostart bekommen und dürfen erst 36 Monate danach auch auf Streamingplattformen landen. Der Streaminganbieter hatte diese Regeln wiederholt nicht respektiert.

Die öffentlich geführte Auseinandersetzung zwischen Cannes und Netflix hatte vor allem im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Aktuell steht aber der Umgang der Branche mit neuen Vertriebswegen auch an anderer Stelle zur Diskussion. So hatte erst Anfang März Steven Spielbergs Äußerungen, Netflix-Filme sollten sich statt für die Oscars eher für Emmys qualifizieren, Staub aufgewirbelt.

In einer Mail an die New York Times relativierte Spielberg nun seine Aussagen. Er akzeptiere jede Form der Mediendistribution, sorge sich aber nun einmal um die Kinoerfahrung: „Big screen, small screen — what really matters to me is a great story and everyone should have access to great stories. However, I feel people need to have the opportunity to leave the safe and familiar of their lives and go to a place where they can sit in the company of others and have a shared experience […] I want to see the survival of movie theaters. I want the theatrical experience to remain relevant in our culture.“

Einer Quelle der Times zufolge war Steven Spielberg bei dem gestrigen Treffen der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, das jährlich die Regeln der Preisvergabe festlegt, nicht dabei. Er sei in New York City mit der Arbeit an seinem Remake von West Side Story beschäftigt.

Die Quinzaine des Réalisateurs findet als von der französischen Regisseursgilde kuratierte Reihe seit 1969 im Rahmen der Filmfestspiele von Cannes statt, ist jedoch in der Auswahl seiner Filme unabhängig vom A-Festival.

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