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Frisches vom Cannes Filmfestival 2018 - Tag 4

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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Palais - Cannes 2018
Palais - Cannes 2018

13.05.2018: Ganz Frankreich dämmert im sonntäglichen Müßiggang bei frühsommerlichen Temperaturen vor sich hin. Das ganze Frankreich? Oh nein! Es gibt da noch ein kleines Städtchen, das sich mit Erfolg dem Ennui widersetzt und mitten im Mai Filmmenschen aus der ganzen Welt anzieht. Beatrice Behn, Maria Wiesner und Joachim Kurz haben sich für Kino-Zeit in Cannes eingefunden und berichten natürlich auch sonntags von den spannendsten Filmen des Festivals.

Im dritten Vlog aus Cannes 2018 wird dann auch gleich mal ein Opfer gebracht: man schwitzt gemeinsam für das Weltkino! Diesmal besprechen Beatrice und Joachim vom sonnigen Balkon aus Christophe Honorés Sorry Angel, in dem ein todgeweihter Mann mit einem Jüngeren anbandelt, dem der Lebenssaft aus allen Poren quillt. Vorsichtige Annäherungen gibt es auch in Ali Abbasis Border (Gräns), in dem eine sonderbar entstellte Zollbeamtin eine sehr merkwürdige Fähigkeit hat.

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Maria Wiesner hat sich unterdessen bei der Quinzaine des Réalisateurs herumgetrieben und eine wahre Perle des Genrekinos gefunden. In Teret — The Load transportiert ein wortkarger Mann eine unbekannte Fracht durch den Kosovo-Krieg. Der Thriller beklemmt und polarisiert, denn er weigert sich eindeutig Partei zu ergreifen - der serbische Regisseur Ognjen Glavonic hat schon damit gerechnet. Bei der Premiere in Cannes erklärte er:

„Ich habe mit diesen Reaktionen gerechnet, das ist für mich in Ordnung, lass die Leute ruhig schreien. Filme sind ja nicht da, um sie sich zuhause hübsch ins Regal zu stellen.“

Kriegsähnliche Zustände gibt es auch im südkoreanischen Thriller Gongjak (The Spy Gone North) zu sehen. Beatrice Behn fühlte sich an klassische Spionagethriller à la John le Carré erinnert, macht aber in dem auf wahren Begebenheiten beruhenden Film auch einen besonders explosiven politischen Hintergrund aus:

„Yoon Jong-bin (The Unforgiven) versteckt in diesem Genrewerk einen politischen Film, der mit dem Vehikel Black Venus eigentlich lieber auf die Verwicklungen der Zeit und auf eine Kultur mächtiger Männer blickt, die im Hintergrund die Fäden ziehen — stets mit dem Denken, dass sie genau wissen was das jeweilige Land braucht. Da sind sie alle gleich, im Norden wie im Süden.“

Harter Stoff. Weil heute Sonntag ist, wollen wir es nicht übertreiben und enden mit einer dritten Kritik — diesmal von Joachim Kurz. Er hat außer Konkurrenz Another Day of Life von Raúl de la Fuente und Damian Nenow gesehen. Die ebenfalls wahre Geschichte eines Reporters, der nach Beschluss der angolanischen Unabhängigkeit durch das im Chaos versinkende Land fuhr. Das Besondere: die Regisseure erzählen von den Gräueln wie in einer Graphic Novel.

„Dabei nutzen sie geschickt die Möglichkeiten und Freiheiten, die ihnen das Medium bietet, indem sie beispielsweise immer wieder (alb)traumartige Sequenzen einbinden, in den sich Körper in Auflösung befinden, Menschen die Gestalt wechseln und immer wieder Verstorbene als Wiederkehrer den Verstand Kapuścińskis attackieren.“

 

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