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Alfonso Cuaróns "Roma" aus Cannes 2018 zurückgezogen

Ein Beitrag von Katrin Doerksen

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Alfonso Cuarón - Portrait
Alfonso Cuarón - Portrait

09.04.2018: Im Streit zwischen den Filmfestspielen von Cannes und dem Streamingdienst Netflix spitzt sich die Lage weiter zu. Spannungen gibt es, seit vor einigen Monaten Festivalleiter Thierry Frémaux verkündete, Netflixproduktionen seien nur noch in Cannes zugelassen, wenn sie zusätzlich zur Online-Auswertung einen französischen Kinostart bekämen.

Vor zwei Wochen erklärte er diese Entscheidung in deutlichen Worten:

„Die Leute von Netflix lieben den Roten Teppich und wären gern mit mehr Filmen präsent. Aber Sie wissen genau, dass die Kompromisslosigkeit ihres Geschäftsmodells das genaue Gegenteil des Unseren ist.“ (Thierry Frémaux im Gespräch mit Le Film Français, via Hollywood Reporter)

Außerdem kündigte Frémaux einen Selfie-Ban für den Roten Teppich an. Netflix reagierte darauf mit der Androhung eines Boykotts. Im Zuge der Diskussion wurde nun bekannt, welche Filme direkt von dem Zwist betroffen sind: so war zum Beispiel Alfonso Cuaróns Roma für eine Premiere in Cannes vorgesehen, wird nun aber wahrscheinlich ausschließlich auf Netflix laufen. Außerdem will der Streamingdienst fünf weitere Filme zurückhalten, die für Premieren in Cannes vorgesehen waren: Norway von Paul Greengrass, Jeremy Saulniers Hold the Dark, Orson Welles’ The Other Side of the Wind und Morgan Nevilles Dokumentarfilm They’ll Love Me When I’m Dead.

Unter dem Zwist leiden in erster Linie die Filmemacher. So zitiert Indiewire eine anonyme Quelle von Vanity Fair:

Sie nutzen Cannes als Waffe. Was sollen diese Leute machen? Die Studios finanzieren ihre Filme nicht. Es ist nicht so, als würden die Filmemacher Netflix einem 2500 Leinwände umfassenden Release vorziehen.“

Besonders Roma gilt als bedeutender Coup für Netflix. Regisseur Alfonso Cuarón hat einen exzellenten Ruf, sein letzter Film Gravity erschien jedoch bereits vor fünf Jahren. Der neue Film erzählt von einer Mittelklassefamilie im Mexiko Stadt der 1970er Jahre, beschäftigt sich aber auch mit dem sogenannten Corpus Christi Massacre, bei dem 1971 studentische Demonstranten von mexikanischen Elitesoldaten umgebracht wurden. Roma gilt als Cuaróns bisher politischster Film. Dass der Film abgesehen von einigen Kinos in US-amerikanischen Großstädten ausschließlich auf Netflix laufen könnte, birgt Frustrationspotential.

Es bleibt abzuwarten, ob sich Netflix doch noch dafür entscheidet den neuen Regeln in Cannes zu folgen und Kinostarts in Frankreich zu organisieren. Das würde für den Streamingdienst allerdings große Änderungen ihres Businessmodells bedeuten. Alternativ könnten die Filme später im Jahr auf den übrigen A-Festivals in Venedig oder in Toronto laufen.

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