My Dog Killer

Im Niemandsland

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Mira Fornays My Dog Killer spielt im Niemandsland irgendwo an der Grenze zwischen der Tschechei und der Slowakei. Gleichzeitig könnte ihr Film aber auch an jedem anderen Ort in Europa spielen. Dieser Vielvölker-Kontinent, der in den letzten Jahren ja wieder mehr und mehr von seinem europäischen Grundgedanken abgekommen ist und sich mehr und mehr in alte und neue Nationalismen stürzt, ist der eigentliche Ort des Geschehens. Und Marek (Adam Mihal) ist sein Bürger. Der junge Mann ist verloren in einem Land, das ihm keine Möglichkeiten bietet und einer Familie, die ihre Struktur gänzlich verloren hat. Sein Vater hat Land und baut Wein an, den er am liebsten selbst trinkt. Seine Mutter ist mit einem anderen abgehauen.
Was Marek bleibt, ist nicht viel. Sein Hund, den er liebevoll "Killer" nennt ist für ihn da. Loyal und bissig, denn Marek hat ihn gut abgerichtet. Und dann gibt es noch den Boxverein der Skinheads. Marek ist auch ein Skinhead - allerdings mehr aus Mangel an Alternativen als aus Überzeugung. Das Leben könnte auf diese Weise also langsam vor sich hinschleichen, bis Marek eines Tages wie sein Vater endet, doch es gibt eine Sache, die Schwung in sein träges Dasein bringt. Die Wohnung muss verkauft werden, denn der Vater ist pleite. Doch dafür braucht man die Unterschrift der Mutter. Marek soll sie beschaffen doch dafür muss er die Frau wiedersehen, die ihn verlassen hat für einen anderen Mann. Für einen Roma. Und er muss seinen Halbbruder sehen, der ebenfalls ganz offensichtlich ein Roma ist.
Rassismus ist in My Dog Killer die Oberfläche des Geschehens und es wäre leicht den Film auf die Slowakei, auf das Landleben und auf das Problem Skinheads vs. Zigeuner zu beziehen. Doch darum geht es nur bedingt.

Vielmehr bespricht Fornay hier auf sehr leise und einfühlsame Art das Versagen eines Staates und einer Gesellschaft, in der Menschen inzwischen nichts mehr haben, zu dem sie sich zugehörig fühlen können. Zwei Jahre hat sie dazu mit den Laiendarstellern gearbeitet, die zwar nicht sich selbst, dafür aber Charaktere, deren Leben ähnlich sind, mimen. Und hier ist auch einer dieser seltenen Momente, in denen Film das wahre Leben zu ändern vermag, denn die enge Zusammenarbeit mit den Roma-Darstellern und die vielen Gespräche miteinander hat die jungen Männer dazu veranlasst, von ihrem Rassismus Abstand zu nehmen. Gerade diese Vermischung aus Lokalem und Internationalem, aus Fiktionalem und Dokumentarischem gibt dem Film eine Authentizität und Tiefe, die andere Filme dieser Art nicht erzeugen können.

Mareks Zerrissenheit zwischen seinen Skinhead-Freunden und seiner Mutter sowie seinem Bruder löst am Ende dann nicht der Verstand und der Mensch, sondern das im Filmtitel schon benannte Biest – eine warnende Metapher dafür, was passieren kann und passieren wird, wenn man Menschen jegliche Lebensgrundlagen entreißt und ihnen weder Perspektiven offeriert, noch ihnen ihre Würde lässt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/my-dog-killer